Oft ist das Leben Last. Solange man Ziele hat, erlebt man die Bürde als sinnvoll. Man ist bereit, die Last zu tragen. Krisen entstehen, sobald man nicht mehr an Ziele glauben kann... oder sie erreicht.
Man spricht sowohl vom Sinn des Lebens als auch von den Sinnen und der Sinnlichkeit. Beide Sinnstränge gehen auf die indoeuropäische Wurzel sent = gehen, reisen zurück. Jeder Gang überbrückt. Jede Reise führt von hier nach da.
Im Verb sinnen = streben nach, begehren, sich ausrichten auf wird das Bild der ursprünglich körperlichen Bewegung auf seelische Entwicklungen übertragen. Sinn, Sinne und Sinnlichkeit beschäftigen sich mit Fortbewegung. Sie richten aus. Sie dienen der Durchquerung der Wirklichkeit. Alles Sinnvolle verweist auf ein Ziel. Es verweist auf ein Ziel, das es wert ist, angestrebt zu werden.
Sinnesorgane dienten unseren Vorfahren bereits vor Jahrmillionen, sich im Geäst der Urwaldriesen auszurichten. Dank Augen, Ohren, Nase und Tastsinn fanden sie den Baum, an dem die besten Früchte reiften. Auch der Geschmackssinn, der zum Verzehr der Früchte reizte, war kein Zweck an sich. Indem er der Erhaltung des Organismus diente, wies er über sich hinaus... und machte damit Sinn.
Sinnlichkeit, die in der erotischen Lust zu gipfeln scheint, geht einen Schritt weiter. Die Lust, die sie vermittelt, dient nicht nur dem Wohl des lustdurchzuckten Körpers. Sie dient der Erhaltung der Art; und weist somit nicht nur über sich selbst, sondern auch über das Individuum, das Lust erlebt, hinaus.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens generell beschäftigt sich ebenfalls mit der Ausrichtung von Impulsen. Auch hier ist Sinn etwas Höheres, das dem Leben eine Richtung gibt. Seit Jahrmillionen entwickelt sich das Leben beständig über bis dahin Erreichtes hinaus. Obwohl nicht klar ist, ob es ein abschließendes Ziel verfolgt, erreicht es immerhin Etappen: Strukturen zu erschaffen, deren Ausstattung sie immer besser aus bloßer Eingebundenheit befreit. Man könnte sagen: Es ist der Sinn des Lebens, da zu sein und von dort aus über sich hinauszuwachsen. Betrachtet man das Leben als Befreiung aus dem Kontext, wächst es nicht nur über sich selbst hinaus, sondern gerade damit ins eigene Wesen hinein.
Wohlgemerkt: Befreiung beginnt mit der Vorsilbe be-. Wie im Begriff bewässern zeigt die Vorsilbe an, dass etwas hinzugefügt wird: hier Wasser, dort Freiheit. Die Befreiung, die sich als Leben verwirklicht, wandelt die Einbindung nicht vollständig in Freiheit um. Sie fügt Freiheit zur Einbindung hinzu. Das Leben verwirklicht eine Freiheit, die im physikalischen Ursprung seiner Existenz als Möglichkeit angelegt ist.
Man kann fragen, ob das, was als Sinn des Lebens beschrieben werden kann, nämlich auf Freiheit zuzusteuern, überhaupt wahrer Sinn ist, und nicht nur das, was man hineininterpretiert, weil man das Dasein ohne Sinn nur schlecht ertragen könnte. Man kann fragen: Gibt es überhaupt Sinn? Gäbe es keinen, müsste die Frage ihrerseits sinnlos sein. Wie könnte auf eine sinnlose Frage aber geantwortet werden; außer durch eine sinnlose Antwort? Macht die Frage dagegen Sinn, trägt sie die Antwort bereits in sich. Wer die Frage ernsthaft stellt, setzt voraus, dass sie sinnvoll ist. Wie Wasserstoff in der Atmosphäre eines Planeten ist Sinn im Zweifel an seiner Existenz nachweisbar. Zugleich gilt: Das Leben ist in die Wirklichkeit eingebettet. Dort steuert es auf Freiheit zu. Ob die Wirklichkeit als Ganzes Sinn macht, bleibt dabei ohne Antwort.
Ziele verleihen dem Leben Sinn und Stabilität. Es gibt persönliche und überpersönliche Ziele sowie ein transpersonales. Persönliche und überpersönliche Ziele befassen sich direkt oder indirekt mit dem Wohl der Person. Meist sind sie miteinander verzahnt, da die Person sozial eingebunden ist und vom Wohl ihres Umfelds profitiert.
Transpersonal ist das Ziel, die Identität mit dem Selbst freizusetzen. Das Ziel, mit sich selbst identisch zu sein, setzt das Wohl der eigenen Person nicht an oberste Stelle. Das Wohl der Person wird hier weder direkt noch indirekt angestrebt. Es fällt dem, der mit sich identisch ist, beiläufig zu. Zugleich nimmt der, der mit sich identisch ist, den Platz im Umfeld ein, von wo aus er das Umfeld am besten fördert. Wer er selbst ist, wirkt optimal zum Wohl aller anderen; ohne dass das sein Vorsatz sein muss.
Persönliche Ziele | Überpersönliche Ziele | Transpersonales Ziel |
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Ich strebe an, wovon ich unmittelbar profitiere. | Ich strebe an, wovon ich mittelbar profitiere. | Ich bin von der Vorstellung befreit, dass ich profitieren muss. |
Umsetzung von Plänen im Laufe der Zeit | Was jetzt ist, soll jetzt sein. | |
Definiertes Haben, Sosein oder Erleben | Situative Authentizität | |
Ich verbessere meine Position im Leben. Ich werde, was ich sein will. |
Ich nehme meine Position im Leben wahr. Ich gebe den Versuch auf, etwas zu sein, was ich nicht bin. |
Das Erreichen persönlicher Ziele dient unmittelbar dem Wohlbefinden der eigenen Person. Zufriedenheit, die so entsteht, ist oft nur von kurzer Dauer. Erst wenn das Wohlbefinden der Person höheren Zielen dient, wird es stabil. Persönliches Wohlbefinden muss sinnvoll auf weitergehende Ziele ausgerichtet sein, damit es sich nicht von selbst verliert.
Verzicht
Zufriedenheit durch Verzicht auf Erfüllung momentaner Bedürfnisse ist oft stabiler als jene, die sich aus der Erfüllung eben dieser Bedürfnisse ergibt. Bewusster Verzicht richtet auf etwas aus, was den Horizont vorübergehender Wünsche übersteigt. Sinn liegt einem solchen Verzicht bereits inne, denn man verzichtet zugunsten dessen, was man als höher erachtet, während Sinn einer Zufriedenheit durch Wunscherfüllung erst zugeordnet werden muss.
Wer im Dienst höherer Werte verzichtet, handelt sinnvoller als der, der nach bloßer Erfüllung persönlicher Bedürfnisse strebt. Das Leben belohnt ihn dafür.
Persönliche Ziele könnte man auch egozentrisch nennen, überpersönliche altruistisch. Bei genauer Betrachtung befriedigt diese Unterscheidung nicht. Indem ich mich für meine Kinder einsetze, für den Umweltschutz oder die Freiheitsrechte aller, setze ich mich für Ziele ein, die auch mir persönlich nützen. Auch mein Engagement für die Schwachen hat egozentrische Züge; weil ich persönlich lieber in einer Welt lebe, in der Schwache nicht missachtet werden und weil ich mich wohler fühle, wenn ich mich für tugendhaft halte.
Als höhere Ziele können überpersönliche Ziele gelten. Das kann das Wohl anderer Personen, das Wohl der Gemeinschaft, abstrakte Ideale, der Fortschritt der Wissenschaft, der Schutz der Natur, politische Veränderungen oder künstlerische Kreativität sein. Am Erreichen überpersönlicher Ziele besteht regelhaft auch ein persönliches Interesse. Überpersönliche und persönliche Ziele liegen in der Zukunft. Als höchstes Ziel gilt vielen die zukünftige Aufnahme der eigenen Person in ein beglückendes Jenseits. Genau betrachtet ist dieses Ziel nicht überpersönlich. Es ist egozentrisch, weil es die Person als vermeintlichen Träger der Identität bestätigt.
Das transpersonale Ziel unterscheidet sich grundsätzlich von allen anderen. Die persönliche und überpersönliche Sinnsetzung geht davon aus, dass innerweltliche Veränderungen zu verwirklichen sind, damit das jeweilige Ziel zukünftig erreicht werden kann. Im Gegensatz dazu liegt der Zielpunkt der Identität mit sich selbst immer im Jetzt.
Persönliche und überpersönliche Sinnsetzungen sind Entwürfe, denen die Wirklichkeit anzupassen ist. Das transpersonale Ziel ist der Einklang mit der Wirklichkeit, die man, von allen Entwürfen befreit, anerkennt. Es heißt transpersonal, weil es die eigene Person samt ihren Wünschen, Ziele und Meinungen überschreitet. Es ist das religiöse Ziel an sich, weil es das Ich aus der Identifikation mit der Person, also der selektiven Bezogenheit zu einem Teil, zur absoluten Ebene der Wirklichkeit zurückführt.
Die Methoden, mit denen persönliche bzw. überpersönliche Ziele erreicht werden können, unterscheiden sich von jenen, durch die das transpersonale Ziel anzustreben ist. Das ist logisch: Zielsetzungen, die Veränderungen in der Außenwelt bewirken sollen, greifen auf Ressourcen zurück, die das Ich als egozentrische Instanz stärken. Beim transpersonalen Ziel geht es um das Gegenteil: Es geht darum, den Griff zu lockern und zuzulassen, dass das Ego vor dem Selbst in den Hintergrund tritt.
Zielführende Methoden
persönlich · überpersönlich | transpersonal |
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Selbst und Selbstbild
Ich bin dies oder das. | Ich bin weder dies noch das. |
Persönliche und überpersönliche Ziele sind definiert (lateinisch: de ≈ abgetrennt und finis = Grenze). Das Definierte ist durch eine Grenze abgetrennt. Persönliche und überpersönliche Ziele zielen darauf ab, so und nicht anders zu sein. Die Wahl der jeweiligen Ziele spiegelt das Selbstbild wider. Definierte Ziele sind entweder als ein Haben, Sein oder Erleben formuliert.
Jedes Haben- oder Erlebenwollen kann als ein konkretes So-sein-wollen beschrieben werden.
Die jeweiligen Seinszustände, die als sinnstiftende Ziele angesteuert werden, liegen bei definierten Zielen im Bild einer konkreten und damit abgrenzbaren Person. Definierte Ziele bleiben intrapersonal.
Das transpersonale Ziel ist kein definiertes So-und-nicht-anders-sein. Es strebt nicht die Verwirklichung eines bestimmten Selbstbilds an, sondern die Freisetzung des Selbst aus der Herrschaft der Bilder. Hier geht es nicht um eine Rolle, die gespielt werden soll, sondern um ein Sein, das zugelassen wird ohne dass es Rollenspiel wäre.
Die transpersonale Ebene des Seins bedarf der Des-Identifikation von jeglichem Selbstbild. Als transpersonale Wirklichkeit entgrenzt sich das Ich in den Kontext. Es gehört nicht nur zur Wirklichkeit. Es erkennt sich als deren Ausdruck und Träger.
Das transpersonale Ziel kann nicht durch Einwirkung auf die äußere Wirklichkeit erreicht werden. Es ist nur paradox als Ziel benennbar. Zum Ziel, transpersonal, also unmittelbar aus dem gegebenen Selbst heraus zu existieren, gehört im Grunde das Ziel, ziellos zu sein. Die einzige Methode, dieses Ziel zu erreichen, liegt in praktizierter Selbsterkenntnis, die das Erkannte keiner Absicht unterwirft.
Die Ziellosigkeit der transpersonalen Ebene ist keine Wirkungslosigkeit. Im Gegenteil: Indem das Sein des Selbst vollständig zugelassen wird ohne es zu etwas Konkretem zu reduzieren, entfaltet die Wirklichkeit, die durch das Selbst zum Ausdruck kommt, ihre höchste Wirksamkeit.
Der gemeinsame Nenner all dessen, was sinnvoll erscheint, ist die Befreiung aus Leid. In der Tat: Bereits der Affe, der seine Sinne im Blätterdach des Urwalds dorthin ausrichtet, wo süße Früchte zu erwarten sind, tut das, um aktuelles Leid zu beheben oder zukünftiges zu verhindern. Denkt man den Vorsatz des Affen zu Ende, erkennt man, dass jeder Sinn darauf abzielt, den, der sich sinnvoll verhält, zu befreien. Dem entsprechend kommt die Frage nach dem Sinn immer nur dann auf, wenn der Fragende leidet.
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Das letzte Ziel, dessen Erreichen als sinnvoll verstehbar ist, kann daher nur eine Freiheit sein, die ihrerseits sinnfrei ist. Das Sinnvolle hat Wert, indem es dient. Das Sinnfreie ist Wert, der aus jedem Dienst entbunden ist.
Ganz oben hießt es: Sinn ist Dienst an einem Wert. Dann: Das Sinnvolle hat Wert, indem es dient und Das Sinnfreie ist Wert, der aus jedem Dienst entbunden ist. Außerdem hießt es, dass jeder Sinn darauf abzielt, den, der sich sinnvoll verhält, zu befreien. Das gibt uns zu denken.
Sinnvolles Verhalten zielt zwar darauf ab, den, der sich sinnvoll verhält, zu befreien, es selbst ist jedoch auch ein Verzicht auf Freiheit, da es den, der sich sinnvoll verhält, in eine Ausrichtung bindet, die auf das Ziel verweist. Sinnvoll ist es, einen Beruf anzustreben. Wer es tut, hat unterwegs Verzicht zu leisten. Sonst kommt er nicht an. Das widerspricht eigentlich dem, was er will: nämlich frei von Leid zu sein.
Dass jeder Sinn Dienst an der Freiheit fordert, verweist darauf, dass der Unsinn, den die Menschheit tagtäglich treibt, nicht nur Resultat bloßen Unwissens ist, sondern auch dem widersprüchlichen Wesen des Sinnvollen selbst entspringt. Unsinn ist nicht nur Unvermögen. Er ist auch Widerstand. Auf zwei Feldern ist das zu erkennen: auf dem des Humors und auf dem stockernster Glaubenslehren.
Humor verschafft ein Gefühl der Überlegenheit. Er befreit. Wir lachen über etwas; gerne über das, dem wir ansonsten unterworfen sind, oder über andere, deren Ungeschick so offensichtlich ist, dass sie uns niemals unterwerfen könnten. Indem wir lachend auf ihr Ungeschick verweisen, bestehen wir auf unserer Frei- und Überlegenheit. Oder wir lachen, weil es uns gelingt, ein Sinngefüge des Denkens, das uns in die Enge eines logischen Musters zu führen droht, durch geistige Sabotage zu sprengen.
Während das erste Motiv des Humors auch als Streben nach Superiorität bezeichnet wird, spricht man beim zweiten vom Inkongruenzprinzip (John Morreall, 1987). Die Freude an der Inkongruenz beruht darauf, dass man mit ihrer Hilfe dröger Rationalität ein Schnippchen schlägt und sich so aus dem Zugriff einer logischen Bahnung befreit.
Was hat sechs Beine und kann fliegen? Drei Vögel.
Die Logik schlägt ein Insekt als Antwort vor. Aber wir beugen uns der Logik nicht. Indem wir uns ihrem Erwartungsdruck verweigern, gewinnen wir geistige Überlegenheit. Unsinn kann den Geist befreien, sobald das Sinnvolle eine Knechtschaft zu errichten droht. Da der höchste Sinn des Geistes Freiheit ist, hat Unsinn seinen Sinn.
Anders gelagert ist die Sache in Glaubensfragen. Stets befasst sich Religion mit dem Höchsten, das sie sich selbst vorstellt. Meist wird dieses Höchste Gott genannt. Wir erinnern uns: Der Sinn des Sinns ist in der Wurzel sent und damit im Reisen begründet. Der religiöse Mensch fasst das Leben als Reise auf. Die Reise führt vom Profanen zum Heiligen. In Sachen Religion wäre also zu erwarten, dass darauf geachtet wird, Aussagen peinlich genau auf ihren Sinn zu überprüfen, damit der Reisende unterwegs nicht auf Abwege gerät. Zum Erstaunen eines jeden, der sich um redliches Denken und Meinen bemüht, geschieht genau das Gegenteil. Gläubige verkünden offensichtlichen Unsinn und rühmen sich dafür, dass sie es tun. Mehr noch: Unsinn zu glauben, wird zur höchsten Tugend erklärt. Wie kann das sein?
Auch hier ist zu vermuten, dass die Beharrlichkeit, mit der am Unsinn festgehalten wird, nicht nur auf Unwissenheit beruht, sondern Mutwille ist. Gerade der Dienst am höchsten Ziel, den der Sinn des Lebens seinen Daseinsformen abverlangen kann, reizt jene, die sich ihm verpflichten, ein Bündnis mit dem Unsinn einzugehen. So wird dem höchsten Sinn Unsinn eingepflanzt und der Suche Trotz gegen den Anspruch des Ziels.
Hätte man ein schwarzes Menschenbild, genügte zur Erklärung der schlichte Hinweis auf die Lasterhaftigkeit des Menschen. Der Hinweis ist gut. Am Bauwerk des Glaubens ist das Laster beteiligt. Der Gläubige versündigt sich am Himmel, weil er in ihm eine Allmacht vermutet, die er durch Gehorsam auf die eigene Seite ziehen will.
Es gibt aber auch eine Erklärung, die das Menschenbild erhellt: Das höchste Ziel der Religion ist in Wirklichkeit nicht Allmacht, sondern Freiheit. Wird die Suche danach in sinnvolles Handeln gegossen, geht zunächst aber Freiheit verloren. Wer sich wahrem Sinn verschreibt, muss seine Narrenfreiheit opfern.
Im Glauben an den offensichtlichen Unsinn seiner Dogmen, hält der Gläubige immerhin an seiner Narrenfreiheit fest. Das mag dazu führen, dass man ihn nicht ernst nehmen kann, trotzdem ist auch im Beharren auf der Narrenfreiheit ein Zeichen des höchsten Sinns erkennbar.
Wer der Freiheit dient, kann dem Gehorsam nicht vertrauen. Wer trotzdem zu gehorchen versucht, widerspricht dem Sinn des Gehorsams, indem er Unsinn glaubt. Weil das Wesen des Dogmas Gehorsam verlangt, sabotiert Dogmenglaube seinen Gott durch Unsinn. Nur wer Gott nicht nur für allmächtig hält, sondern für allfrei, hat eine Chance, den Widerstand zu brechen, der im Gehorsam und im Unsinn seines Glaubens liegt. Der allfreie Gott steht über dem allmächtigen.
Zu Sinnkrisen kann es kommen, wenn ein Ziel erreicht ist, der Glaube daran verlorengeht oder seine Unerreichbarkeit erkennbar wird.
Sinnkrisen treten auf, wenn nichts mehr ansteht, worum man sich bemühen muss oder wofür sich die Mühe zu lohnen scheint, Leid in Kauf zu nehmen. Sinnkrise heißt: Die Person sieht keinen Wert mehr, dem die Last des Daseins dient.
Ego, Selbst und Sinn
Nur das Ego braucht Sinn. Das Selbst braucht ihn nicht. Das liegt daran, dass Sinn Dienst an einem Wert ist. Sinnvolles mag selbst wertvoll sein, es ist aber auf Höherwertiges ausgerichtet, um überhaupt sinnvoll zu sein.
Das Ego wird seinem Wesen nur gerecht, wenn es Höherwertigem dient. Sinnlosigkeit bereitet ihm Unbehagen. Mehr noch: Kann es dem eigenen Dasein keinen Sinn mehr zuordnen, bekommt es Existenzangst. Ohne Sinn fürchtet das Ego, überflüssig zu sein.
Weil das Ego vom Zwang besessen ist, zu dienen, dient es aus Existenzangst lieber blankem Unsinn, den es zu Sinn erklärt, als dass es gar nicht dient. So kommt es, dass das Ego eher sich selbst dient, einer belanglosen Sache oder einem absurden Mythos, als der Freiheit eine Sekunde ins Auge zu sehen.
Über dem absoluten Selbst gibt es keinen Wert, dem es dienen könnte. Es selbst zu sein, ist alles, was es ausmacht. Das absolute Selbst ist daher sinnfrei; was uns prompt erschreckt. Unser Erschrecken zeigt an, wie sehr wir uns mit unserer Person und damit unserem Ego identifizieren. Verstünden wir es, wir selbst zu sein, sähen wir in Sinnfreiheit Dienstbefreiung und damit den Adel des absoluten Seins. Der Sinn des Bedingten verweist auf das Ziel, von aller Bedingung entbunden zu sein.
Apropos Amseln: Falls auch Sie ein Amselproblem am Kirschbaum haben, setzen Sie rote Pfeilgiftfrösche ins Geäst. Amseln sind nämlich nicht nur gierig, sondern auch blöde. Sie picken nach allem, was rot ist. Die Oberfränkische Versuchsanstalt für Gartenbau hat ermittelt, dass sechs Giftfrösche genügen, damit nach einem Frühsommertag mehr tote Amseln unter dem Baum liegen als angepickte Früchte. Die Frösche gibt es im örtlichen Amphibienhaus; oder gebraucht bei Ebay. Sollten Sie tierlieb sein, sodass Ihnen die Frösche leidtun, genügt ein handelsübliches Ornithozid auf Zyankalibasis aus dem Baumarkt. Wenn Sie das Mittel breitflächig ausbringen, erwischen Sie auch den Briefträger. Der bringt dann schon mal keine unerfreuliche Post mehr ins Haus! Entsorgen Sie die Kadaver aber nicht auf dem Kompost, sondern als Sondermüll. Wegen des Zyankalis. Sonst ist Ihr Ruf als Ökogärtner futsch.
Das musste einfach mal gesagt werden, weil es einem bei zu häufigem Gebrauch hehrer Begriffe wie Sinn, Wert oder Freiheit übel zu werden droht, falls man dazwischen keine Verbindung zu alltagspraktischen Anwendungen herstellt.
Sinnkrisen bedrohen das psychische Gleichgewicht. Sie können zu Depressionen, Ängsten, Zwängen, Sucht, Delinquenz und Selbstmord führen. Oft sind sie mit Antriebsstörungen verbunden. Hat man kein attraktives Ziel mehr vor Augen, für das sich Mühe zu lohnen scheint, fehlt die Kraft, sich aufzuraffen. Vor Sinnkrisen schützt, sich für Werte einzusetzen, die sich nicht auf die eigene Person beschränken. Zu nennen sind das Wohl der Gemeinschaft, der Schutz der Schöpfung oder das spirituelle Interesse, mit sich selbst identisch zu sein. Darüber hinaus binden soziales Engagement und Spiritualität das Ego an die Außen- und die Innenwelt, was sein Bedürfnis nach Zugehörigkeit befriedigt.
Dem Sinnverlust, der zur Sinnkrise führt, kann auf zweierlei Art begegnet werden:
Das Wechselspiel von Sinn und Sucht sowie das Schicksal erotischer Sinnlichkeit sind beispielhafte Felder, auf denen die Bedeutung von Sinn und Sinnverlust erkennbar wird.
Am Kreislauf der Sucht wird der Zusammenhang von seelischer Stabilität und sinnvoller Ausrichtung deutlich. Das Problem des Süchtigen liegt darin, dass er sein momentanes Wohlbefinden zum Ziel erklärt. Er setzt Suchtmittel ein, um Stimmungen und Befindlichkeiten zu verbessern. Statt sich im Hier-und-Jetzt wahrzunehmen und so zu belassen, wie er ist, will er sein momentanes Sosein verändern; und sonst nichts. Damit kommt er nicht weit.
Die Substanz führt zwar zu einem angenehmeren Befinden, der Effekt verblasst aber schnell. Nur durch mehr Konsum kann er verlängert werden; und die Verlängerungen werden mit jeder Wiederholung kürzer. Das Problem des Süchtigen ist klar. Er bemüht sich um ein Ziel, das die Wirklichkeit kaum als sinnvoll anerkennt; weil es nicht über seine Person hinausweist.
Aus dem gleichen Grund schaffen es viele Süchtige nicht, nach einer Entgiftung abstinent zu bleiben. Solange sie entgiften, haben sie ein Ziel: die Abstinenz. Wenn danach kein weiteres Ziel Stabilität verleiht, kommen sie ins Trudeln. Wenn auch die Enthaltsamkeit nur dem eigenen Wohlbefinden dient, fehlt der weitere Sinn, der dem Leben Richtung gibt und die Abstinenz damit bewahrt.
Sinnvolles, auf Ziele und Werte ausgerichtetes Tun, befriedigt, macht Spaß und dämpft die Sorge, nutzlos zu sein. Die Ausrichtung auf erotische Ziele ist mit Erwartung und Erleben höchster Lust verbunden. Umso mehr enttäuscht es den hoffnungsvollen Minnesänger, wenn er am Ziel seiner Wünsche die Lust auf Dauer nicht halten kann. Das Heer der Liebespaare, die über das Nachlassen ihrer erotischen Lüste klagen, ist groß genug, um die Galaxis zu erobern.
Auch das entspringt den Gesetzmäßigkeiten von Sinn und Sinnverlust. Biologisch betrachtet ist die Vereinigung mit dem Partner das höchste Ziel, das ein Individuum erreichen kann. Dadurch setzt es seine Gene über die Sterblichkeit hinweg ins Leben. Das ist Sinn, der über das Individuum hinausweist. Bei der Ankunft am Ziel erlebt es maximale Lust. Der psychologische Sinn der Werbung um den Partner liegt im Erreichen exklusiver Intimität durch die der Einzelne Teil einer höheren Einheit wird.
Je selbstverständlicher die Bindung aber wird, desto geringer ist die Spannung, die die Partner aufeinander ausrichtet. Mit dem Gelöbnis zur Treue und der Ankunft im Alltag hat die Begierde einen großen Teil ihres Sinns erfüllt. Mit der Spannung lässt die Sinnlichkeit der Beziehung nach. Sie kann nur aufrechterhalten werden, wenn sich die Partner ihres Besitzes nicht sicher sind.
Was die Lust am Partner am Leben hält, ist nicht nur seine Attraktivität, sondern auch die Furcht, dass er damit anderen gefallen könnte. Wer seines Partners nicht sicher ist, hat den Impuls, die Eroberung zu festigen.