Wer von einem Hamster gebissen wurde hat mehr Respekt vor Nagetieren.

Heiterer Unfug ist eine Möglichkeit des Geistes, sich von grobem Unfug zu befreien.

Ein Glaube, über den man nicht lachen darf, ist keine Religion, sondern ein Machtanspruch. Ein Gott, über den man nicht lachen darf, ist kein Gott, sondern ein Popanz.

Humor


  1. Begriffsbestimmungen
  2. Organismischer Ausdruck
  3. Funktionen
  4. Erscheinungsformen
  5. Humor als Heilmittel
  6. Gefährliche Nebenwirkungen

Leute, die Witze machen, werden mehr respektiert... oder sogar gefürchtet und deshalb umgebracht.

Man lacht über Witze, sobald man sie versteht. Versteht man sie, beweist das, dass man über etwas steht. Nicht zu verstehen, signalisiert Unterlegenheit. Eine solche Blöße will man sich nicht geben. Sobald andere lachen, lachen daher viele mit; auch ohne etwas zu verstehen.

Lachen und Lächeln signalisieren zweierlei: das erste Überlegenheit, das zweite die Bereitschaft zur Bindung. Gemeinsam zu lachen, fördert Bindung ebenfalls; durch das Gefühl gemeinsamer Überlegenheit.

1. Begriffsbestimmungen

Lachen ist eine wesentliche Ausdrucksform der menschlichen Psyche. Gewiss: Es gibt Menschen, denen das Lachen vergangen ist oder solche, die es sich verbieten. Jemanden, der nicht im Grundsatz dazu fähig wäre und der seine Freude daran hat, sobald er es tut, hielten wir jedoch eher für einen Vulkanier als für einen echten Artgenossen. Grund genug, uns sechs Begriffe anzuschauen, die thematisch miteinander verbunden sind.

1. Humor 3. Spott 5. Satire
2. Witz 4. Scherz 6. Komödie
1.1. Humor

Humor hat individualpsychologische Funktionen. Er ist...

  1. ein Abwehrmechanismus gegen Angst und Selbstwertzweifel
  2. ein Werkzeug zur Befreiung des Geistes

Indem er ein Gefühl der Überlegenheit vermit­telt, verweist Humor den Geist auf den Platz, der ihm zusteht: über allen Dingen. Den Platz über allen Dingen findet der Witzemacher aber nur, wenn er sich nicht über andere stellt, sondern über die Grenzen, die den Menschen in Knechtschaft halten.

Humor geht auf das gleichlautende lateinische humor = Feuch­tigkeit zurück. In der Antike ging man davon aus, dass Tempera­mente und Stimmungen durch Körpersäfte, also Flüssigkeiten verursacht werden. Man dachte, den Sanguiniker bestimme das Blut, den Phlegmatiker der Schleim, den Choleriker gelbe Galle und den Melancholiker schwarze.

Auf dem Weg von der Antike bis zu uns bewahrte die Sprache die Idee, dass Humor etwas mit Flüssigkeit zu tun hat. Dabei steht Flüssigkeit nicht nur für den Aggregatzustand körper­eigener Substanzen, sondern auch für den der Seele. Im Begriff Seele ist der See enthalten.

Es mag sein, dass der heitere Mensch Tränen lacht. Tiefgründig fließt aber nicht nur Wasser aus den Augen. Tiefgründig fließt er selbst aus der Erstarrung und überwindet damit Grenzen, die seinem Wesen widersprechen.

1.2. Witz

Unschwer erkennbar ist die Verwandtschaft des Witzes mit dem Verb wissen. Einen Witz zu verstehen, zeigt den Verstand dessen an, der ihn versteht. Wer gewitzt ist, ist klug. Er weiß sich auch in schwierigen Situationen zu helfen. Für besonders gewitzt hält sich mancher, der einen anderen so zu verspotten versteht, dass der Verspottete selbst nichts versteht, sodass der Spötter erst recht über den Unverstand seines Opfers lachen kann. Noch mehr Witz hat der, der den Spott des Spötters humorvoll pariert.

Französische Entsprechung
Ebenso deutlich wie das Deutsche weist Französisch auf die Verbindung von Witz und Wissen hin. Esprit steht sowohl für Witz als auch für Geist. Esprit geht auf lateinisch spiritus = Geist zurück. Gemäß unseren klugen Nachbarn erkennt man den Geist nachgerade daran, dass er Witze macht.
1.3. Spott

Spotten gehört etymologisch zur Wortfamilie um das englische Verb to spit = spucken. Man kann etwas ausspucken, weil man es für ungenießbar und damit unwert hält oder man bespuckt etwas und signalisiert damit erst recht, dass man das Bespuckte unter sich verortet. Der Spötter fühlt sich überlegen. Um das zu unterstreichen, zeigt er auf die Schwächen von Personen oder Sichtweisen, über die er seinen Spott ergießt.

Denken dient nicht nur. Es spielt.
1.4. Scherz

Scherz und scherzen gehören zur Wortfamilie des Verbs scheren. Griechisch skairein [σκαιρειν] = hüpfen, tanzen und althochdeutsch scerōn = ausgelassen sein ent­springen derselben Wurzel: dem indoeuropäischen [s]ker- = springen.

Von erklärender Bedeutung für den Begriff Scherz ist die Zusammensetzung aussche­ren = den Kurs verlassen, seitlich abbiegen. Wer scherzt, schert vom funktionalen Kurs der gedanklichen Abfolge aus. Er springt spielerisch aus dem Rahmen allfälliger Vernünftigkeit. Indem der Scherzende ausschert, wird er ausgelassen. Im Scherz befreit sich das Denken aus der bloßen Funktion.

Als Satire macht der Witz ernst.
1.5. Satire

Unter einer Satura verstand der Römer einen Korb Früchte, den man den Göttern als Opfer darbrachte. Der Korb enthielt verschiedene Früchte: süße, sauere, bittere. Von Satura ist Satire abgeleitet. Auch die Satire ist ein Gemisch unterschiedlicher Geschmacksnuancen. Da ist die Süße des Witzigen, das dazu reizt, sich über menschliche Unzulänglichkeit zu amüsieren. Aber es ist auch ernsthafte Kritik an gesellschaftlichen Missständen im Korb enthalten, bittere Medizin sozusagen, die dazu dient, die Verantwortlichen zur Behebung der Missstände aufzufordern.

1.6. Komödie

Komisch, Komiker und Komödie gehen auf Griechisch kōmos [κωμος] = fröhlicher Umzug, lärmende Schar zurück. Auch der deutsche Begriff für Komödie, nämlich Lustspiel, verweist darauf, dass Komödien auf Heiterkeit abzielen. Ein Komos war zunächst eine Kulthandlung zu Ehren des Fruchtbarkeitsgottes Dionysos. Später entwickelte sich daraus die Bezeichnung einer Kunstgattung, die sich derber Späße oder scharfzüngigen Spotts bediente.

2. Organismischer Ausdruck

Ungleiche Brüder

Amüsement geht auf lateinisch musus = Maul zurück. Ein ungleicher Bruder des Amüsements ist das Maulen. Amüsement und Maulen sind Brüder, weil sich beide der Mundwerkzeuge bedienen. Sie sind ungleich, weil das Amüsement die Welt von oben herab kommentiert und das Maulen von unten hinauf. Das eine ist uns sympathisch, weil es uns hilft, uns zu befreien. Das andere ist uns verdächtig, weil es auf halbem Weg zur Freiheit halt macht.

Der archetypische Ausdruck des Humors ist das Lachen. Beim Lachen werden die Zähne gebleckt und viel Lärm gemacht. Je mehr etwas amüsiert, desto lauter sind die Geräusche, die dabei durch die Gegend schallen. Das ist kein Zufall. Es spie­gelt die Existenzbedingung zerbrechlicher Kreaturen wider, die einer übermächtigen Welt voller Gefahren ausgesetzt sind.

Es stimmt zwar: Der Moschusochse braucht kein Gebiss, um sich zur Wehr zu setzen. Er überrennt Gegner durch seine schiere Masse. Je kleiner die Kreatur aber ist, desto mehr wird das Gebiss zur einzigen Waffe, die gegebenenfalls sogar einen übermächtigen Gegner auf Abstand hält. Wer von uns lässt nicht eine gewisse Vorsicht walten, wenn ihm ein Chihuahua mit gefletschten Zähnen entgegenspringt? Noch dazu, wenn die Töle ein Stakkato unartikulierter Laute aus der Kehle entlässt!

Nichts stellt Freiheit mehr in Frage als Ohnmacht.

Der Chihuahua zeigt seine Zähne und signalisiert damit: Schaut her! Das sind meine Waffen. Mit mir kann nicht jeder machen, was er will; denn im Leben entscheidet nicht nur das Gesamtgewicht über oben und unten, sondern auch der Biss, von dem der eine mehr und der andere weniger hat.

Wer zuletzt lacht, lacht am besten, weil der, der zuletzt noch lachen kann, den Kampf für sich entschieden hat. Er hat sich seine Überlegenheit bewiesen.

Was der Chihuahua tut, sobald er sich bedroht fühlt und darauf verzichtet kleinbei­zugeben, ist psychogenetisch eng mit unserem Gelächter verwandt. Je bissiger der Humor, desto mehr wird sein Fabrikant gefürchtet. Je mehr der Fabrikant zu fürchten ist, desto weniger muss er selbst fürchten, der Welt zu unterliegen.

3. Funktionen

Humor ist mehr als nur ein vergnüglicher Zeitvertreib. Er erfüllt wichtige Funktionen. Er ist ein Werkzeug psychischer, sozialer und politischer Stabilität. Aber noch mehr ist er ein Mittel zur Befreiung des Geistes.

3.1. Psychologische Funktion
Humor ist ein Werkzeug gegen das Gefühl der Unterlegenheit... oder eins um Unterlegenheit substanziell zu überwinden. So wie das Gebiss des Chihuahua ihm selbst versichert, nicht wehrlos dazustehen, so vermittelt auch das menschliche Lachen ein Gefühl der Sicherheit. Wer lacht, zeigt der Welt die Zähne und fühlt sich überlegen. Wer sich überlegen fühlt, hat mehr Mut, Widrigkeiten anzugehen. Lachen macht nicht nur Spaß, es steigert die Wahrscheinlichkeit, im Leben erfolgreich zu sein.

Zwei Pole des Humors

derb subtil
Steigerung des Selbstwertgefühls durch implizite Vergleiche, bei denen man gut abschneidet Selbstbefreiung aus beengenden Mustern
Hebt die Person über andere. Hebt sich selbst über die Person.

Der Mensch lebt in einer übermächtigen Welt voller Gefahren, denen er auf Schritt und Tritt zu unterliegen droht. Wenn es nicht das Wetter ist, das ihn bedrängt, sind es gewisse Zeitgenossen, behördliche Bevormundung, Investoren, die rücksichtslos nach vorne drängen, ein Fortschritt, der ihn überfordert, Moralapostel aller Art oder Krankheiten, die ihm in tausendfacher Varianz nach Leib und Leben trachten.

All diese Faktoren stellen in Frage, was dem Menschen im tiefsten Abgrund seiner Seele am wichtigsten ist: seine Freiheit. Da Unterlegenheit der größte Feind der Freiheit ist, ist der Mensch erfreut, wenn er Indizien dafür findet, dass er nicht unter- sondern überlegen ist.

Während der Chihuahua bei Gefahr Oberwasser behält, wenn es ihm gelingt, den Gegner durch Zähnefletschen und Gebell zu beeindrucken, fühlt sich der Lacher überlegen, wenn er sich über irgendetwas lustig macht; denn jedes Gelächter ist eine Demonstration der Überlegenheit: vor sich selbst oder vor den anderen. Man leidet unter etwas. Aber man lacht immer nur über etwas.

3.2. Soziale Funktion

Humor ist ein wichtiges Kommunikationsmittel. Man kann ihn zwar auch für sich allein genießen, sobald man ihn teilt, festigt er jedoch den Zusammenhalt. Das ist folgerichtig mit der psychologischen Funktion verbunden. Gemeinschaft macht stark und vermittelt Sicherheit. Indem man gemeinsam über etwas lacht, versichert man sich wechselseitig einer Gemeinschaft anzugehören, deren Verstand sie über die Dinge stellt.

3.2. Politische Funktion

Über die psychosozialen Funktionen hinaus dient Humor auch der politischen Stabilität; oder er arbeitet daran, unerträgliche Verhältnisse zu wandeln.

Kaum eine Gemeinschaft ist nicht mehr oder weniger hierarchisch. Jede Hierarchie bedroht jedoch das Selbstwertgefühl bereits Unterlegener und schürt die Angst aller, rivalisierenden Kräften zu unterliegen. Indem Humor eine Möglichkeit bietet, das Selbstwertgefühl gegen die Anfeindungen des Daseins zu schützen, führt er Aggressionen ab, die im schlimmsten Fall gemeinschaftliche Strukturen zerstören könnten.

Ein Land, in dem man über reli­giöse und politische Institutionen nicht spotten darf, ist ein Land, in dem der Geist gefangen liegt.

Andererseits ist Humor selbst aggressiv. Er attackiert alles, was unterdrücken will. Sind Hierarchien so unangemessen asymmetrisch, dass der Zeitgeist sie auf Dauer nicht dulden mag, kann es durchaus sein, dass der beharrliche Spott der Schwachen über die Mächtigen deren Macht über kurz oder lang zersetzt. Besonders üblen Autokraten und deren ideologischem Gepäck ist diese Gefahr bewusst. Wo Mächtige keinen Spott über sich ergehen lassen, ist davon auszugehen, dass sie ihn verdienen.

3.4. Spirituelle Funktion

Kōan

Logik ist ein Werkzeug des Geistes. Wie jedes Werkzeug grenzt es den, der sich seiner bedient in die Wesensart des Werkzeugs ein. Wer ihn benutzt, muss den Hammer so benutzen, wie es seine Gestalt erfordert. Im Zen-Buddhismus gibt es die Aufgabe, ein sogenanntes Kōan zu lösen. Dabei handelt es sich um paradoxe Aussagen, an der die Logik scheitert. Sinn der Übung ist es, den Geist über die Grenzen üblicher Muster hinweg zu erweitern. Die spirituelle Funktion des Witzes ist dem ähnlich. Sie sprengt konventio­nelle Muster des Denkens.

Oben wurden Gefahren aufgezählt, die den Menschen von außen bedrohen. Die Freiheit der Person mag vor allem durch äußere Gefahren gefährdet werden, der Mensch selbst ist aber längst noch nicht frei, bloß weil er sich gegen solche Kräfte erfolgreich zur Wehr setzen kann. Vielmehr wird seine Freiheit durch Faktoren bedroht, die ihm selbst entspringen:

Die subtile Funktion des Humors liegt darin, solcherart Fesseln zu sprengen. Während die ersten drei Funktionen des Humors die Existenzbedingungen der Person verbessern, ist die hier genannte im Grundsatz spirituell. Ihr Ziel ist es, den Geist aus den Fesseln des persönlichen Daseins zu befreien.

Funktionen im Überblick

psycho­logisch sozial politisch spirituell
Festigung des Selbstwert­gefühls Festigung der Zugehörig­keit zu über­legener Gemein­schaft politische Stabilisierung oder Sturz diktatorischer Systeme Befreiung des Geistes aus den Fesseln persönlichen Vorteilsdenkens und vorgegebener Konventionen

4. Erscheinungsformen

Lachen ist nicht auf den Menschen beschränkt. Besonders bei Menschenaffen kommt es häufig vor. Bonobos reagieren vergnügt, wenn es ihnen gelingt, anderen eine Banane abzujagen. Offensichtlich ist das Amüsement nicht auf verbale Vermittlung angewiesen. Lange bevor Babys sprechen können, sind sie in der Lage, schallend zu lachen; zum Beispiel, wenn ihr Vater sinnfreie Faxen macht oder ihm ein Missgeschick passiert.

Mit der Sprache hat der Humor jedoch ein Werkzeug gefunden, dass seine Ausbreitung erheblich erleichtert. Dabei sind zwei grundsätzliche Varianten auszumachen, wobei die zweite ihrerseits in zwei Spielarten unterteilt werden kann.

  1. spontane Einfälle
  2. konstruierter Humor
    1. erzählbare Witze
    2. Scherzfragen

Humor flackert spontan aus dem gedanklichen Kontext hervor oder er wird in konstruierter Form serviert. Konstruierte Formen des Humors können zugleich als konservierte Formen bezeichnet werden.

4.1. Spontane Einfälle

Witzige Einfälle kommen entsprechend disponierten Geistern in den Sinn, wenn sie im Gespräch auf Stellen treffen, deren Inhalte nicht zwingend ernst zu nehmen sind; und derer gibt es viele. Da solche Einfälle spontan erfolgen und man Spontanes nicht programmatisch hervor­bringen kann, erübrigt sich hier der widersinnige Versuch, ein Beispiel zu produzieren. Zum Glück weiß jeder sowieso, was mit Witz gemeint ist.

Im Gegensatz zu den erzählbaren Witzen taucht spontaner Witz dort auf, wo der Kontext ihn gebärt. Erzählbare Witze sind Blaupausen, die beliebig zu vervielfältigen sind. Spontaner Witz hängt vom Zusammenhang ab, aus dem er aufkeimt. Zu vermuten ist, dass erzählbare Witze nicht selten Abkömmlinge spontaner sind, die so gut gefielen, dass sie wie Volksmärchen ins Kulturgut übergegangen sind.

4.2. Konstruierter Humor
4.2.1. Erzählbare Witze

Überdosierung

Auch ohne dass man eines spontanen Einfalls bedarf, der den Ernst eines konkreten Kontextes sprengt, kann man Witze erzählen und ein Publikum durch das Angebot eines gemeinsamen Überlegen­heitsgefühls auf sich beziehen. Trotzdem sei davor gewarnt, Humorkonserven in übermäßig großer Zahl zu öffnen.

Vom eigenen Tun begeistert haut so mancher Erzähler so viele Witze in Serie heraus, als sei der Spaß erst dann genug, wenn beim Schenkelklopfen das Blut spritzt. So weit sollte man es nicht kommen lassen. Die Übertreibung des Prinzips kann auch humorvollen Leuten auf die Nerven gehen.

Erzählbare Witze sind konservierter Humor. Dabei handelt es sich um konstruierte Geschichten, die es Erzählern wie Hörern ermöglichen, sich über irgendeinen Aspekt der Wirklichkeit zu stellen, durch den man ansonsten niedergedrückt sein könnte. Derlei Aspekte können gemäß den Funktionen des Humors in zwei Gruppen aufgeteilt werden.

  1. leibhaftige Konkurrenten und Mitspieler jedweder Art

    Wie leicht ist es doch, sich über die tatsächliche oder vermeintliche Dummheit anderer zu amüsieren, über ihre Missgeschicke und ihre Tollpatschigkeit. Von Ostfriesen- und Blondinenwitzen über Dick und Doof bis zur Pannenshow reicht das Spektrum witziger Arrangements, die sich bei diesem Prinzip bedienen.

  2. die Existenzbedingungen des menschlichen Daseins im Allgemeinen

    Grundsätzlicher ist das Aufbegehren gegen existenzielle Bedingungen des menschlichen Daseins überhaupt, gegen Bedingungen, deren spießige Nüchternheit den Alltag bestimmt. Zu nennen sind die Gepflogenheiten der personalen Existenz, die sogenannte Vernunft, moralische Grundsätze, die angeblich niemand in Frage stellen darf, das Regelwerk der Sprache und die Gesetze der Logik, die den freien Geist unter ihre Knute zu zwingen versucht.

Die folgenden Beispiele dienen primär nicht dazu, den Leser zu erheitern. Vielmehr soll anhand ihrer Struktur belegt werden, dass die Funktionen des Humors, sich nämlich derb oder subtil über die Bedrückungen der Existenz hinauszuheben, in jedem Falle nachweisbar ist.

Im Pueblo

Kommt ein Indianer zum Häuptling und fragt: Chief Chochokpi, wie werden bei uns Indianern eigentlich die Namen festgelegt? Das ist ganz einfach: Wird im Dorf ein Kind geboren, gehe ich in die Natur und schaue, was mir ins Auge fällt. Springt ein Reh ins Gebüsch, nennen wir das Kind Springendes Reh. Fliegt ein Adler über die Schlucht, bekommt das Kind den Namen Fliegender Adler. Geht ein Erdrutsch ab, dann Rolling Stones. Als ich auf die Welt kam, zog eine Sturmfront auf. Deshalb heiße ich Chochokpi, also Wolkenthron. Aber warum willst du das wissen, Kackender Kojote?

Die Geschichte über den Ursprung indianischer Namen vermittelt uns das befreiende Gefühl der Überlegenheit auf mehreren Wegen.

  1. Dass sich der alte Häuptling bei der Vergabe des Namens an Kackender Kojote nichts gedacht hat zeigt, dass er nicht weit denkt. Dass es auch dann nicht bei ihm klingelt als Kackender Kojote nach dem Ursprung seines misslichen Namens fragt, belegt seine Borniertheit erst recht. Wir jedenfalls sind schlauer. Wir verstehen das Interesse des unglücklichen Indianers am Ursprung seines diskriminierenden Namens auf Anhieb.

  2. Es mag sein, dass auch uns das Schicksal achtlos Hypotheken mit auf den Weg gegeben hat: einen Körperbau, der stattlicher sein könnte, ein paar Kilo zu viel, abstehende Ohren, ein Elternhaus in der Deutz-Mühlheimer-Straße oder einen der vielen Namen, die ihrem Träger ebenfalls missfallen... So schlimm wie Kackender Kojote traf es uns aber nicht.

  3. Dann sind da die einfältigen Sitten der Indianer. Scheinbar glauben sie an eine Welt, in der zwischen dem Zufall und dem Wesen Neugeborener eine so enge Verbindung besteht, dass man Kinder, die womöglich Höhenangst bekommen Fliegender Adler nennt; und sie damit beißendem Spott auszuliefern droht. Ist unser Blick auf die Wirklichkeit nicht bei weitem weiter? Wahrscheinlich nicht. Aber immerhin: Wir glauben es.

  4. Zu allem Überfluss ist da noch die politische Korrektheit. Vor 50 Jahren war es verpönt, das Wort Kacke auszusprechen. Wer es trotzdem tat bewies, dass er sich von den Regeln der gesellschaftlichen Schicklichkeit nicht einsperren ließ.

    Zum Ausgleich

    Sagt ein Italiener zum Franzosen: Deutsche Autos haben immer mehr PS.

    Sagt der Franzose: Was sie früher vor dem Gaspedal hatten, haben sie heute dahinter.

    Während man heute durch den Gebrauch "schmutziger" Wörter generell Eindruck schindet, könnten übereifrige Verfechter einer globalisierungs­adäquaten politischen Korrekt­heit jedoch behaupten, dass Deutschen keinerlei Gelächter über die Sitten anderer Völker zusteht, da solcherlei Fauxpas zum Ausschluss aus der Gemeinschaft moralisch aufrechter Menschen führt.

    Indem wir vor der Gefahr des Ausschlusses nicht zurück­schrecken, zeigen wir an, dass wir uns von der Bigotterie und dem drohenden Zeigefinger einer selbstgefälligen Moral nicht unterkriegen lassen.

Auf Station

Herr Doktor, der Simulant auf Zimmer 23 ist gerade gestorben.
Jetzt übertreibt er aber!

  1. Es ist völlig richtig: Wären wir schwer krank und träfen in der Klinik auf Personal, das uns als Simulanten abtäte, fänden wir das gar nicht komisch. Um über den Witz zu lachen, identifizieren wir uns aber nicht mit dem Kranken, sondern mit dem Arzt; also mit dem, der den Ereignisablauf überlebt.

  2. Übrigens

    Chochokpis Unvermögen Kackender Kojotes Anliegen zu verstehen, könnte nicht nur einem intellektuellen Mangel entspringen, sondern eines blaublütigen Hochmuts. Dann nämlich, wenn er so vom Gefälle zwischen einem Häuptling und einem Mann aus dem Volk überzeugt ist, dass er selbstredend den Namen Wolken­thron führt, aber nicht erkennt, was der Mann aus dem Volk an seinem überhaupt auszusetzen hat.

    Sollten wir uns unbewusst mit einer derarti­gen Motivation Chochokpis identifizieren, unterstreicht unser Lachen, dass uns unsere Privilegien so selbstverständlich sind wie der Nachteil anderer.

    Die Verlockung, sich mit dem dreisten Arzt zu identifizieren - zumindest als Witzekonsument - liegt in eben dessen Dreistigkeit. Der Arzt verweigert sich den Verpflichtungen, die seiner Rolle im Krankenhaus so selbstverständlich zukommen, dass niemand sie ernsthaft in Frage stellt: Kranken mit vollem Einsatz beizustehen und ihr Leiden ernst zu nehmen. Euphemistisch (griechisch eu [ευ] = gut und phemi [φημι] = ich sage) ausgedrückt ist er unbeugsam gegenüber dem Regelwerk zivilisierter Interaktion.

  3. Als der Irrtum mit dem Tode des vermeintlichen Simulanten offenkundig wird, müsste der Arzt eigentlich betroffen sein und seine Eitelkeit erkennen. Stattdessen setzt er der Selbstgefälligkeit die Krone auf... und verspottet das Opfer seiner Arroganz. Damit zeigt er eine unverschämte Entschlossenheit, sich als überlegen zu behaupten.

    Wer über den Witz in irgendeiner Weise lacht, kann sein Gelächter als Indiz dafür deuten, dass ihm die Entschlos­senheit des Spötters, auf Gedeih und Verderb überlegen zu sein, in irgendeinem Winkel seiner Seele imponiert.

In der Konditorei

Eine überwichtige Kundin zum Konditor: Ich möchte gerne Rumkugeln.
Der Konditor: Aber nicht in meinem Laden!

  1. Auch der Konditor hebt sich mit seiner Antwort über die Erwartung hinweg, die man üblicherweise an ihn hat: sich nämlich ordnungsgemäß wie ein Dienstleister zu verhalten, der die eigene Geschäftstüchtigkeit mit der Bereitschaft verwebt, die Kundin als seine Königin zu achten. Stattdessen stößt er sie vor den Kopf.

  2. Vielleicht beschafft ihm sein Humor ein Überlegenheitsgefühl auf Kosten anderer; zumindest, wenn er nicht ebenso so viele Pfunde wie die Kundin zu beklagen hat und er sich durch seine Schlagfertigkeit im gleichen Aufwasch über sich selbst belustigt.

  3. Auf tieferer Ebene ist seine Antwort aber auch ein Befreiungsschlag gegen grundsätzliche Gesetze des menschlichen Daseins an sich. Statt sich seiner Geschäftstüchtigkeit zu beugen, stürzt er sie vom Thron. Lieber als 6,90 für ein Tütchen Rumkugeln ist ihm die Befreiung aus dem Joch seiner alltäglichen Rolle.

  4. Indem er dem Begriff Rumkugeln das Recht entzieht, seine Bedeutung im üblichen Sinne selbst zu bestimmen, beschließt er, sich vom Korsett sprachlicher Konventionen zu befreien und die vorgegebene semantische Verknüpfung durch eine selbst­gewählte zu sprengen. Das ist Wille zur Freiheit auf hohem Niveau. Der Mann hat keine Lust sich zu ducken. Wir können davon ausgehen, dass Leute solcher Art, eher dazu imstande sind, eine humane Gesellschaft zu gründen als die, die vor jeder Obrigkeit zu Kreuze kriechen.

  5. Wir lachen mit dem Konditor mit, weil der Geist durch seinen Sabotageakt über Vernunft, Logik, Geschäftstüchtigkeit und Konvention triumphiert.

Wo von Rumkugeln die Rede ist, denkt man leicht ans Rumsitzen.

In der Stadt

Zwei Mütter treffen sich: Was macht Ihr Sohn eigentlich?
Die Befragte: Er meditiert.
Die erste: Das ist gut. Hauptsache er sitzt nicht nur rum und tut nichts.

  1. Offensichtlich weiß die fragende Mutter nicht, was Meditation überhaupt ist: ein erster Grund für uns, uns überlegen zu fühlen und sicher zu sein, dass wir Dank unseres Wissens nicht befürchten müssen, selbst als Dummköpfe dazustehen.

  2. Müßiges Rumsitzen

    Schließt man eine Wette darauf ab, dass seit Buddhas Erleuchtung unter dem Bodhibaum ungezählte "Meditationen" vorwiegend mit der Erwartung verbracht wurden, dass der Gong endlich ertönt, hat man gute Chancen, die Wette zu gewinnen. Die Gefahr ist groß, Medita­tion für ein Sakrament zu halten, dessen rituelle Durchführung Erleuchtung verspricht. Besser als dem Irrtum aufzusitzen ist es, darüber zu lachen.

    Wie ein Hofnarr, der Bemerkungen über den König so schlau formuliert, dass er sogar dessen Anspruch auf den Thron infrage stellen darf, spottet der Geist aus dem Mund der dummen Mutter, indem er sie einen Vergleich tätigen lässt, der ebenso falsch ist, wie er nicht selten zutrifft: Meditation ist auch müßiges Rumsitzen und Nichtstun. Zur Meditation gehört die Muße, zu sitzen und nichts weiter zu tun, als zu schauen, was passiert. Indem der Witz die Aussage macht und so tut als sei sie grundsätzlich falsch, weil sie dem Mund einer Ahnungslosen entspringt, lädt er uns ein, straflos über das hehre Werkzeug spiritueller Selbsterkenntnis zu lachen. Einem Zen-Kloster, in dem dieser Witz erzählt wird, können Sie getrost beitreten. Das schadet nichts.

Beim Arbeitsamt

Die Sachbearbeiterin fragt einen Arbeitslosen: Was sind Sie von Beruf?
Rheinschiffer.
Da hält sie ihm einen Nachttopf hin und sagt: Dann zeigen Sie mal, was Sie können.

  1. Wie Arzt und Konditor ist die Sachbearbeiterin überheblich; falls ihr Witz keine Einladung an den Rheinschiffer ist, gemeinsam mit ihr über das Menschsein an sich und behördliche Abläufe zu lachen. Sie hebt sich über ihn, indem sie seine berufliche Qualifikation ignoriert und so tut, als sei das einzige, was er könne, in einen Topf zu pinkeln. Selbst wenn sie den Rhein­schiffer nicht zum Lachen einlädt, hat sie ihr Selbstwertgefühl damit aufpoliert. Und wir mit ihr.

  2. Auf tieferer Ebene gilt aber das gleiche wie beim Arzt und beim Konditor. Um sich der Routine ihrer behördlichen Aufgaben nicht zu beugen, riskiert sie ihren Job beim Amt. Und genau wie der Konditor reißt sie die Deutungshoheit definierter Begriffe an sich und setzt sich damit über die Konventionalität des Sprach­gebrauchs hinweg.

Auf der Baustelle

In der Südstadt ist gestern ein Baugerüst eingestürzt. Zwei Arbeiter waren sofort tot. Einer hatte Glück: Er blieb mit dem linken Auge an einem rostigen Nagel hängen.

  1. Derlei Humor ist ziemlich schwarz. Er kann Ausdruck grober Gefühllosigkeit sein, die sich am Unglück anderer schamlos ergötzt um ein tiefsitzendes Minderwertigkeitsgefühl zu verdrängen.
  2. Vielleicht missbraucht der Lacher aber nicht andere, um sich selbst zu erhöhen, sondern der Witz fordert zum gemeinsamen Spott über die Grausamkeit des Schicksals auf. Wissen wir nicht alle, dass sich die Wirklichkeit dem Wohl des Einzelnen gegenüber bei allfälliger Gelegenheit völlig gleichgültig verhält und achtlos zertritt, was Menschen das Teuerste ist? Haben wir nicht alle Angst davor, dieser Grausamkeit anheim zu fallen? Die Grausamkeit des Daseins im Witz zu verspotten, mag denselben Effekt haben, wie ein Lied, das man im Dunkeln singt. Schaut nur ihr bösen Geister. Wir fürchten euch nicht.

Die Beispiele verdeutlichen, dass Humor Überlegenheit beansprucht, Selbstwert­zweifel mindert und aus verschiedenen Formen geistiger Enge befreit. Indem er Schwachheiten verlacht, verlangt er nach dem wahren Leben. Je nachdem, aus welcher Perspektive Witze verstanden werden, tritt dabei mehr die derbe Funktion der Selbstaufwertung in den Vordergrund oder die subtile der Selbstbefreiung.

4.2.2. Scherzfragen

Eine weitere Spielart des konstruierten Humors bedient sich der Scherzfrage. Dabei wird der Alltagsverstand gezielt auf eine falsche Fährte gelockt, um ihm seine Begrenztheit aufzuzeigen. Gelacht wird, sobald die Erkenntnis der Begrenztheit aus der Begrenztheit befreit.

Was macht eine Frau mit ihrem Arsch? Sie schmiert ihm Brote und schickt ihn zur Arbeit.

  1. Beim ersten Teil der Frage denkt man zunächst an männlichen Sexismus. Die Begriffe Frau und Arsch miteinander zu verbinden, kündigt eine abwertende Bemerkung über Frauen an, die betrunkene Männer am Stammtisch erheitern könnte.
  2. Dann schlägt der vermeintlich männliche Sexismus jedoch in weiblichen um. Was sind Männer doch für tumbe Geschöpfe? Wie Tölpel lassen sie sich von Frauen benutzen. Alles, was frau dazu braucht, ist ein hübsches Hinterteil.

  3. Indem sie die Erwartung sprengt, die eine Verknüpfung der Begriffe Frau und Arsch in der Regel bahnt, macht sich die Frage gleichzeitig über verfestigte Denkmuster lustig.
  4. Die eine kann über den Witz lachen, weil die Abwertung der Männer ein Gefühl weiblicher Überlegenheit schürt. Eine andere lacht, weil der Witz männlichen Sexismus mit vergleichbaren Waffen schlägt.

Was ist das? Kohl hat einen kurzen, Bangemann einen langen und der Papst benutzt ihn nicht? Der Nachname...

  1. Die Frage drückt das Überlegenheitsgefühl des Erzählers aus, weil er scheinbar über das Gemächte Mächtiger spricht. Wer das tut, respektiert die Benannten nicht und freut sich an der eigenen Kühnheit.
  2. Die Frage spricht zugleich das Überlegenheitsgefühl des Befragten an, denn der meint sofort zu wissen, worum es geht.

  3. Mit der überraschenden Antwort kommt das Lachen. Gelacht wird, weil die Antwort eine gedankliche Vorgabe zu Fall bringt. Der Geist erhebt sich befreit über das gestürzte Muster.

Was unterscheidet einen hysterischen Finnen von einem schizoiden Italiener? Nichts.

Begriffe

Hysteriker
gelten als besonders kontaktfreudig.

Schizoide
gelten als besonders zurückhaltend.

  1. Indem hysterischen Finnen nachgesagt wird, sich nicht von schizoiden Italienern zu unterscheiden, macht man sich über die Eigenarten anderer Völker lustig. Politisch ist das unkorrekt, weil man damit gängige Klischees aufgreift und einzelne darauf reduziert. Durch den impliziten Vergleich mit der eigenen Machart steigert der Erzähler sein Selbstwertgefühl, erst recht, weil ein Reiz darin besteht, sich geforderten Verhaltensregeln nicht zu beugen.

  2. Der zweite Grund zu lachen liegt auch hier in der unerwarteten Antwort. Die Frage Was unterscheidet... schickt den Alltagsverstand auf die Suche nach einem Unterschied. Schließlich erkennt der Geist, dass er den Alltags­verstand an der Nase herumführen kann. Er muss ihm also überlegen sein.

5. Humor als Heilmittel

Der europäische ⇗Berufsverband für Lachjoga und Humortraining listet eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien auf, die positive gesundheitliche Wirkungen des Lachens untersuchen. Nach dem oben Gesagten fällt es nicht schwer, eine heilsame und vor allem vorbeugende Wirkung des Humors bei psychischen Erkrankungen anzunehmen.

Humor stabilisiert das Selbstwertempfinden indem er dem Ernst des Lebens das Recht abspricht, vollumfänglich ernst genommen zu werden und sich jederzeit über das Individuum zu stellen. Da das Selbstwertempfinden ein entscheidender Faktor seelischer Gesundheit ist, führt das bereits zu einer partiellen Heilung auf personaler Ebene.

Die subtile Ebene des Humors deckt die Unzulänglichkeiten der eigenen Person auf. Sie ermutigt das Selbst, sich dem Zugriff des Egos zu entziehen, das den Geist stets vor den Karren seiner vermeintlichen Unabdingbarkeiten spannen will. Die überwertige Dominanz des Egos ist eine bestimmende Teilursache struktureller Persönlichkeitsprobleme. Humor beugt krankhaften Persönlichkeitsakzentuierungen vor.

6. Gefährliche Nebenwirkungen

Witzelsucht

Drei Ursachen können der sogenannten Witzelsucht (Moria) zugeschrieben werden:

  1. maniforme Stimmungslagen
  2. hirnorganische Veränderungen
  3. hebephrene Schizophrenie

Die Witzelsucht ist keine Nebenwirkung des Hu­mors, sondern eine pathologische Erscheinungs­form. Bei der Witzelsucht neigt der Kranke dazu, alles in einer läppisch-witzelnden Art abzutun, die dem Umfeld als unangemessen erscheint.

Wie die gefletschten Zähne des Chihuahua signalisieren die des Lachers Überlegenheit. Indem er auf die Schwächen anderer zeigt oder sich über die Regeln von Vernunft, Logik, konventioneller Moral und Anstand hinwegsetzt, hebt Humor das Selbstwert­gefühl. Subtiler Humor befreit darüber hinaus aus geistiger Enge.

Auf der einen Ebene ist Humor ein narzisstisches Werk­zeug, auf der anderen eine spirituelle Entsprechung.

Überlegenheit zu beanspruchen, ist aber nicht in jeder Form und jedem Falle angezeigt. Falsch verwendet hat Humor gefährliche Nebenwirkungen. Man kann sie vier Feldern zuordnen:

  1. individualpsychologisch

    Humor erleichtert es, Dinge nicht so ernst zu nehmen. Das kann die Entwicklung zu einer reifen Persönlichkeit erleichtern. Auch hier entscheidet jedoch die Dosis über Medizin und Gift. Keineswegs ist das Leben allein dadurch zu meistern, dass man über alles nur lacht. Tut man es, schlägt Humor in Albernheit um. Dann dient er nicht mehr dazu, einen gesunden Abstand zu den Dingen herzustellen, sondern vor notwendigen Stellungnahmen auszuweichen.

  2. psychosozial

    Es heißt nicht umsonst, dass man sich die Sympathien eines anderen verscherzen kann.

    Sobald das Selbstwertgefühl des Lachers steigt, kann das entsprechende Gefühl dessen, über den er sich lustig macht, ins Gegenteil umschlagen. Humor kann grob entwertend sein, vor allem wenn er sexistisch oder rassistisch ist. Setzt er andere persönlich herab, wird aus dem eigentlich reifen Abwehrmechanismus ein unreifer, der der Abwertung zuzuordnen ist. Die Konsequenzen können übel sein.

    Da der Gebrauch unreifer Abwehrmechanismen nicht nur zum Schaden anderer führen kann, sondern es gewiss zum eigenen Schaden tut, ist jeder Spaßmacher gut beraten, den Schwerpunkt seiner Witzigkeit stets im Spott zu verankern, der auf die Schwach­heiten des Menschseins im Allgemeinen verweist und nicht auf vermeintliche oder tatsächliche Schwächen bestimmter Personen oder besonderer Gruppen.

    Bedarf ein Gelächter der groben Abwertung anderer, schadet sich der Lacher selbst, weil er sich, statt die Schwäche des Menschseins zu verlachen, durch die Illusion vermeintlicher Überlegenheit darüber hinwegzusetzen versucht; vor allem, wenn er schwarzen Humor ständig als Trostpflaster verborgener Minderwertigkeitsgefühle missbraucht. Eine Ausnahme mag es sein, wenn ein überangepasster Mensch es sich einmal erlaubt, die Grenzen des guten Geschmacks zu missachten und in einer Art zu lachen, die die Regeln des Anstands durchbricht. Dann kann so ein Gelächter vielleicht ein Schritt zur Befreiung sein; legitim natürlich nur, wenn es niemandem zu Ohren kommt, der dadurch herabgesetzt werden könnte.

  3. Warum man über Diktatoren nicht lachen darf? Weil der Anspruch des Humors, über den Dingen zu stehen, nahtlos mit dem Anspruch des Diktators kollidiert, über allen zu stehen. Während der Anspruch des Humors auf Überlegenheit Freiheit fordert, versucht der Diktator sie zu unterdrücken.
    politisch

    Nicht erst seit dem Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo wissen wir, dass Humor, der Diktatoren trifft oder Weltanschauungen mit diktatorischer Absicht mörderische Aggressionen auslösen kann.

    Humorlosigkeit ist ein untrügliches Zeichen fehlender Spiritualität vorgeblicher Religion. Witz ist Geist. Geist ist Gott. Wo der Geist nicht über seine Verirrungen lachen darf, kann er den Weg zu sich selbst nicht finden.

  4. körperlich

    Ohne Witz: Obwohl die Wendungen sich totlachen bzw. sich kranklachen kaum je wörtlich zu nehmen sind, sondern eine besonders ausgelassene Heiterkeit bezeichnen, kann man sich unter ungünstigen Bedingungen tatsächlich krank- bzw. totlachen.

    Beim hyperreagiblen Bronchialsyndrom kann heftiges Lachen zu einer mecha­nischen Reizung der Luftwege führen, die eine reflektorische Verengung der Bronchien auslöst. Resultat ist asthmoide Luftnot (Stuart Garay et al.: Laughter-induced Asthma: It's No Joke, American Thoracic Society 2005). Wer unter Asthma leidet, sollte beim Lachen ⇗zurückhaltend sein.

    Im schlimmsten Fall kann Lachen selbst zum Tode führen. Denkbar ist, dass ein Asthmaanfall tödlich endet, was in seltenen Fällen vorkommen kann. Auch sonst ist der ⇗Tod durch Lachen eine Rarität und wenn er sich überhaupt ereignet, war das Lachen nicht eigentlich die Todesursache, sondern bloß der letzte Auslöser in einem Krankheitsprozess, bei dem das Leben längst schon auf der Kippe stand. So könnte zum Beispiel ein Schlaganfall durch ein Blutgerinnsel ausgelöst werden, das in der linken Herzkammer bereitlag. Ob das bislang tatsächlich vorgekommen ist, sei dahingestellt. Die Zahl vorzeitiger Todesfälle durch chronischen Mangel heilsamen Gelächters übertrifft jene durch akuten Überschuss jedenfalls bei weitem.