Altruismus


  1. Begriffe
  2. Motive
    1. 2.1. Dialogisch
    2. 2.2. Sozial / solidarisch
    3. 2.3. Egozentrisch
    4. 2.4. Religiös
      1. 2.4.1. Konfessionell
      2. 2.4.2. Spirituell
Die einen mögen im Einklang mit sich sein. Andere zwingen sich zu etwas, wozu ihnen die Reife fehlt. Zwang bewirkt oft das Gegenteil von dem, was man erzwin­gen will.

Der eine gibt, weil er Reichtum zu verschenken hat. Der andere säht, weil er ernten will.

Nicht alle, die sich altruistisch verhalten, tun es in Übereinstimmung mit der eigenen Person. Man kann Altruist sein aus Angst vor Strafe oder Ausgrenzung, oder aus der Hoffnung auf Lohn. Dann bleibt man im Herzen egozentrisch, obwohl es nach außen hin anders erscheinen mag.

1. Begriffe

Altruismus geht auf das lateinische alter = der Andere zurück. Als Gegenpol zum Egoismus bezeichnet Altruismus eine Weltanschauung, die das Wohl der anderen zum vorrangigen Wert erklärt. Der Altruist handelt so, dass sein Handeln gezielt das Wohl anderer fördert und das eigene zurückstellt.

Die Endsilbe -mus zeigt an, dass es sich beim Altruismus um ein zusammengehöriges Gefüge weltanschaulicher Setzungen handelt. Diese Setzungen stehen nicht nur einfach zusammen und werden dann als zusammengehörig aufgefasst; so wie man eine Gruppe von Bergen als Gebirge bezeichnet. Die Endsilbe zeigt vielmehr an, dass die Zusammengehörigkeit der Setzungen durch eine aktive Bewertung und den Vorsatz, altruistisch zu handeln, gestärkt wird. Der Altruist ist nicht nur, was er ist. Er will es ausdrücklich sein. Sein Muster ist Vorsatz.

Analog dazu betont Nationalismus den Vorrang nationaler Interessen, Kommunismus den Vorrang kollektiver Interessen und Individualismus den Vorrang der persönlichen Entscheidungsfreiheit.

Egozentrik und Egoismus
Normalerweise identifiziert sich die Person mit ihrem relativen Selbst, aus dessen Innerem heraus sie die Wirklichkeit zu erleben glaubt. Die Person definiert ihr Ich als polaren Gegensatz zum Du und zur Welt, denen sie sich als abgetrennte Einheit mit eigenem Zentrum gegenüberstehen sieht. Die Grundausrichtung des Menschen ist egozentrisch. Er meint, sein Zentrum befinde sich in seiner Person und bewege sich mit dieser mit.

Die meisten Menschen bedenken ihre Egozentrik nur im Ansatz. Sie bewerten sie daher weder als Recht noch als Unrecht. Allenfalls halten sie einen sogenannten gesunden Egoismus für empfehlenswert. Daneben gibt es die Vertreter eines ausdrücklichen Egoismus, also der weltanschaulichen These, dass der Vorrang egozentrischer Interessen der Struktur der Wirklichkeit entspricht und nach reflektierter Bewertung zu bestätigen ist. Sie befürworten sozialdarwinistische Sichtweisen.

Beiläufig egozentrisch ist ein Bewusstsein, das sich fraglos mit den Rollen identifiziert, die die Person im sozialen Umfeld spielt.

Bewusst egozentrisch ist eine Person, die das eigene Vorteils­streben unter Hinweis auf Erfahrungen oder Schluss­folgerungen für rechtens erklärt und es programmatisch betreibt.

Den Grund, Egoismus für rechtens zu halten, sehen erklärte Egoisten oft im Leid, das sie als Folge des egoistischen oder egozentrischen Handelns anderer erfahren haben. Ihre Weltsicht ist bitter: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Jeder ist sich selbst der Nächste. Tatsächlich ist sich der Egoist jedoch keineswegs selbst der Nächste. Vielmehr klammert er sich so eng an sein Ego - also an die Hypothese seiner separaten Existenz -, dass er womöglich gar nicht bemerkt, wer er selbst überhaupt ist.

Als erklärter Egoist hat man mit Ablehnung zu rechnen. Das liegt in der Logik der Sache. Der Egoist setzt das eigene Wohl grundsätzlich über das Wohl anderer. Damit macht er sich kaum je beliebt. Egoismus wird in der Regel insgeheim praktiziert, ohne dass man ihn an die große Glocke hängt.

Beim Altruismus ist das anders. Er gilt als grundsätzlich lobenswerte Wahl, sodass ein Bekenntnis dazu von Vorteil ist. Wer sich altruistisch verhält, wird von anderen als wohltuend wahrgenommen... und dementsprechend als Wohltäter freundlich empfangen. Der Empfang tut dem Wohltäter seinerseits gut. Im englischen Sprachraum spricht man von einer Win-win-Konstellation. Altruismus verheißt Gewinn für beide Seiten.

2. Motive

Hinter jedem Vorsatz stecken Motive. Wer so und nicht anders handeln will, tut das, weil er sich von der speziellen Handlungsweise, die er wählt, Vorteile verspricht. Die Motive und Absichten, die altruistisches Handeln bewirken, können vier Kategorien zugeordnet werden, die sich in der Praxis überlappen oder einander ergänzen. Die religiöse Kategorie kann ihrerseits in eine konfessionelle und eine spirituelle Variante aufgeteilt werden.

Motive im Überblick

Motiv Grundzüge
Nicht religiös Nicht religiös begründeter Altruismus befasst sich mit der Position des Einzelnen im sozialen Kontext.
Dialogisch Dialogischer Altruismus drückt die Wertschätzung und Anerkennung eines konkreten anderen aus.
Sozial
Solidarisch
Auf der sozialen Ebene dient Altruismus der Harmonisierung und Stabilisierung des Zusammenlebens ganzer Gruppen.
Egozentrisch Egozentrischer Altruismus dient der Aufwertung der eigenen Person.
Religiös Religiös begründeter Altruismus befasst sich mit der Position des Einzelnen im Kosmos.
Konfessionell Konfessionell begründete Religion fordert Nächstenliebe als Pflichterfüllung.
Spirituell Spirituelle Religiosität erlebt Liebe als spontanen Ausdruck erkannter Wesensgleichheit.

In der aufgeführten Liste springt der Begriff egozentrischer Altruismus schroff ins Auge. Ist bei der Beschreibung psychologischer Sachverhalte etwas schiefgelaufen? Wird da etwas propagiert, was als Widerspruch in sich unmöglich ist; so als spräche man von nassem Feuer oder einer Raubgazelle? Die weitere Untersuchung wird Klarheit schaffen.

Als Mensch kann man nur leben, wenn man ein Du anerkennt.
2.1. Dialogisch

Mindestens eine Ich-Du-Beziehung ist für das menschliche Leben unerlässlich. Denkbar ist, dass es eine schwangere Frau auf eine Insel verschlägt, sie dort ihr Kind gebärt und das Neugeborene in seinem Leben niemals einen dritten Menschen kennenlernt. Es könnte trotzdem ein vollwertiges Menschenleben führen. Undenkbar ist, dass ähnliches gelingen könnte, wenn man das Neugeborene ohne jegliches Du auf der Insel sich selbst überlässt.

Eine Ich-Du-Beziehung legt aber nur dann den Grundstein für das neue Menschen­leben, wenn der Wert des jeweils anderen und damit sein Anspruch auf Erfüllung seiner Bedürfnisse zumindest im Ansatz anerkannt wird. Das menschliche Dasein ist so auf Bezogenheit angewiesen, dass es ohne ein Mindestmaß an altruistischer Handlungs­bereitschaft nicht auskommt.

Das Selbstverständnis und die Grundidee des Altruismus sind solidarisch. Man handelt zum Wohl des anderen, weil man den anderen wertschätzt oder gar liebt. Man setzt sich dafür ein, dass es dem anderen gut geht. Bei dem, was man tut, das Wohl des anderen zu bedenken, ist allerdings erst dann im vollen Sinne altruistisch, wenn man das Wohl des anderen dem eigenen nicht nur gleichsetzt, sondern es ihm bei passender Gelegenheit überordnet.

Stabile Verhältnisse
Solidarität geht auf lateinisch solidus = fest, unerschütterlich, gediegen zurück; gediegen seinerseits auf gedeihen. Was solide ist, steht auf festem Boden. Daher ist es in der Lage, Widrigem zu trotzen und gedeiht. Altruistisches Denken ist im Grundsatz solidarisch. Es dient der wechsel­seitigen Stabilität der Beteiligten. Es ist zugleich symbiotisch (griechisch syn [συν] = zusammen und bios [βιος] = Leben). Zusammenzuleben heißt, das Wohl anderer mitzubedenken. Wer das nicht tut, lebt neben dem anderen, aber nicht mit ihm.
Auch ohne moralisches Grundgerüst ist soziale Solidarität ein Werkzeug politischer Vernunft.
2.2. Sozial / solidarisch

Die altruistische Handlungsbereitschaft kann sich auf ein einziges Du beschränken. Da das Zusammenleben kaum je auf einer Insel stattfindet, sondern in weitreichenden sozialen Zusammenhängen, ist sie in der Praxis jedoch breiter gestreut. Der soziale Altruist geht davon aus, dass sich Menschen generell solidarisch verhalten sollten... und er ist bereit, mit gutem Beispiel voranzugehen. Oder er betreibt eine Politik, die den sozialen Zusammenhang aus pragmatischen Gründen fördert. Hinter der sozial-altruistischen Ausrichtung können ebenfalls verschiedene Motive wirksam sein:

Pragmatismus und Gerechtigkeit

Der Ansatz, die Gesellschaft als Solidargemeinschaft zu betrachten, ist sowohl gerecht als auch pragmatisch.

Starke und Schwache

Viele fassen Solidarität als Einbahnstraße auf: Der Schwache hat Anspruch. Der Starke steht in der Pflicht. Das trifft aber nur dann zu, wenn der Schwache so schwach ist, dass er nichts beitragen kann. Meist kann er das. Die Mehrzahl der Empfänger macht aus dem Empfang keinen Lebensstil. Eine Minderheit tut es durchaus. Dann ist unklar, ob die Empfänger nicht eigentlich Starke sind, denen Wege offenstehen, die Schwäche der Geber auszunutzen. Ausbeutung gibt es von oben nach unten, und von unten nach oben.

Auf der sozialen Ebene hat altruistisches Handeln zumeist positive Auswirkungen. Es entspricht dem utilitaristischen Grundsatz, dass das größtmögliche Glück für eine möglichst große Zahl an Menschen anzustreben ist (Jeremy Bentham).

Wird der Grundgedanke jedoch missbraucht oder das Prinzip überzogen, können die positiven Effekte von gegenläufigen Nebenwirkungen verschüttet werden. Wird ein Übermaß sozialer Solidarität gefordert, lähmt das den Eifer der Lokomotiven. Wird das Angebot, sich ziehen zu lassen, zu attraktiv, hängen so viele Wagons gemütlich hinter ächzenden Zugmaschinen, dass der Verkehr zum Stillstand kommt.

2.3. Egozentrisch

Was nach außen hin solidarisch erscheint, kann in Wahrheit Mittel zu anderen Zwecken sein. Hinter Hilfsbereitschaft und betontem Wohlmeinen - Sie fahren in Urlaub? Das ist ja toll. Das haben Sie sich auch verdient. Genießen Sie es! - können sich egozentrische Motive verbergen:

Altruismus, der als Vorsatz betrieben wird, zielt oft nicht zuletzt auf den eigenen Vorteil ab. Erst, wenn er rechter Selbsterkenntnis entspringt, tut er es nicht.

Altruistische Abtretung
Als altruistische Abtretung bezeichnet man einen Abwehrmechanismus, bei dem der Anspruch auf Bedürfniserfüllung an andere Personen abgetreten wird. Der Abtret­ende macht sich zum Anwalt der Interessen seines Gegenübers. Statt vorder­gründig egozentrisch handelt er altrozentrisch und läuft dabei Gefahr, statt das eigene Ego das Ego anderer zum Zentrum der Welt zu erklären.

Der Begriff altruistische Persönlichkeitsstörung ist in der schulmedizinischen Nomenklatur nicht definiert. Dass praktizierter Altruismus nicht zwangsläufig Ausdruck tatsächlich überwundener Egozentrizität ist, sondern Ausdruck eines verkappt egoistischen Weltbezugs sein kann, ist psychologisch aber offensichtlich. Die altruistische Abtretung als pathogenes Muster wird besonders von depressiven Persönlichkeiten angewandt.

Obwohl die altruistische Handlungsbereitschaft symbiotisch ist und das Interesse am eigenen Wohl daher keineswegs verleugnen muss, ist die scheinbar paradoxe Begriffsbildung eines egozentrischen Altruismus wohl begründet. Egozentrisch ist altruistisches Handeln, wenn es überwiegend durch die Erwartung eines Lohns motiviert wird. Um Lohn zu empfangen, muss das Ego bereitstehen. Es gibt seinen Anspruch nicht auf. Vollgültiger Altruismus erwartet keinen Lohn. Als Hingabe ans Dasein aller ist er sich selbst bereits genug.

2.4. Religiös

Oft fußt Altruismus nicht nur auf sozialpolitischen Ideen oder einem humanistischen Menschenbild, das das Gute, Schöne und Wahre zum Ideal eines wünschenswerten Diesseits erklärt. Die mächtigste Triebfeder, das Wohl des anderen zur eigenen Sache zu machen, schöpft ihre Kraft aus Religion und Spiritualität. Dabei sind zwei Grundmuster auszumachen:

Spaltung
Im Weltbild der Konfessionen erschöpft sich das Wesen des Menschen in seiner Person. Für sie sind Personen vollständig voneinander getrennte Einheiten, die einst entweder als gut genug beurteilt werden oder als zu schlecht. Nur wenn man zwischen einzelnen Menschen keine wesentliche Verbindung sieht, kann man glauben, dass die einen dazu in der Lage sind, den Himmel zu genießen, während andere die Hölle erleiden.
Der Vorsatz zu lieben kann heilsam sein. Er kann der Liebe aber auch im Wege stehen.
2.4.1. Konfessionell

Konfessionelle Religion stellt das Bekenntnis zu dieser oder jener Glaubensgruppe in den Vorder­grund der Heilsanwärterschaft. Zur einzig richtigen Gruppe zu gehören, gilt als unverzichtbare Grundlage zukünftigen Heils. Das ist logische Folge ihres Weltbilds. Ihr Weltbild ist dualistisch. Konfessionelle Religion unterscheidet...

  1. spaltend zwischen Gut und Böse
  2. kategorisch zwischen Gott und Mensch
  3. grundsätzlich zwischen Person und Person
Das Absolute wäre unvollständig, wenn es das Relative nicht als Potenzial enthielte.

Die dualistische Spaltung des Weltbilds in konträre Kategorien wie Diesseits-Jenseits, Schöpfer-Geschöpf oder Gott-Mensch führt in Paradoxien des Denkens, deren moralische Konsequenzen so widersprüchlich sind, dass die Vertreter des Dualismus die Folgen ihres Denkens nur ertragen, wenn sie sie verleugnen. Statt zu bedenken, was sie glauben, glauben sie, dass man nicht über den Glauben nachdenken sollte.

Der Mensch glaubt, dass er in Unwissen­heit gefangen ist. Dabei ist die Gefangen­schaft in der Unwissenheit eine Spielart des Erlebens seiner Selbst. Jedes relative Selbst ist eine reduktive Seinsart des absoluten. Die Identität des Ich ist nicht deckungsgleich mit der Person, durch deren Mund es Ich sagt.

Da es in den Augen konfessioneller Religion weder zwischen Gott und Mensch noch zwischen Ich und Du eine substanzielle Brücke gibt, ohne die das Wesen der Beteiligten unvollständig wäre, kann dem Einzelnen das Schicksal des anderen eigentlich egal sein. Der Gute kommt in den Himmel, selbst wenn alle anderen schlecht sind und in der Hölle landen.

Obwohl gemäß der dualistischen Logik der Glaubensbekenntnisse das Wohl des anderen auf lange Sicht bedeutungslos ist, gilt das selbstlose Bemühen um das Wohl des Nächsten als unverzichtbare Pflicht; jedoch nur für die irdische Bewährungszeit. Für den erlösten Menschen im Jenseits ist alles Glückseligkeit. Selbst wenn andere Qualen erleiden, gibt ihm das Anlass zu Jubel.

Offenbarung 19, 3*:
Und abermals riefen sie (ein Chor im Himmel): "Alleluja"! Ihr (Babylons) Rauch steigt auf in alle Ewigkeit."

Der konfessionell propagierte Altruismus, der im Begriff der Nächsten­liebe zum Ausdruck kommt, entspricht dem Glauben, dass das Bekenntnis zur einzig richtigen Glaubensgruppe von zentraler Bedeutung ist. Wenn es nur eine legitime Gruppe gibt, steht es ihr zu, durch alle Mittel gefestigt zu werden. Da die wechselseitige Solidarität ihrer Mitglieder zur Festigung der Gruppe führt und damit ein Gebot ihres politischen Anspruchs ist, ist die Liebe zum Nächsten, also dem, der einem besonders nahesteht, folgerichtig. Die Gruppe hält im Feindesland zusammen indem sie Konflikte untereinander einstellt und sich wechselseitig bestärkt. Der Einzelne soll der Glaubensgemeinschaft sein ganzes Potenzial zur Verfügung stellen. Wer nicht alles gibt, wird von schwerer Strafe bedroht.

Apostelgeschichte 5, 1-6:*
Ein Mann mit Namen Ananias verkaufte mit Saphira, seiner Frau, ein Grundstück, unterschlug aber unter Mitwissen auch seiner Frau vom Erlös und brachte nur einen Teil und legte ihn zu Füßen der Apostel. Petrus aber sprach: "Ananias, warum erfüllte der Satan dein Herz... Nicht Menschen hast du belogen, sondern Gott!" Als Ananias diese Worte hörte, fiel er um und gab den Geist auf und große Furcht kam über alle, die davon hörten. Die jungen Männer... trugen ihn hinaus und begruben ihn.

Da Konfessionalität kategorisch zwischen Gott und Mensch unterscheidet sowie das sogenannte Böse ausgrenzt, kann sie den Menschen nicht aus seiner Egozentrik entlassen. Wen in Anbetracht von Ananias Schicksal große Furcht befällt, wird nicht durch das Interesse am Wohl anderer zu altruistischen Taten motiviert, sondern von der Sorge um das eigene. Altruismus als konfessioneller Vorsatz mag durch Angst erzwungen werden. Liebe, die aus freien Stücken gibt, bedarf im Gegensatz dazu der Entängstigung. Liebe kann nicht erzwungen werden.

2.4.2. Spirituell

Spirituell begründeter Altruismus beruht auf keinem Vorsatz. Daher ist er kein Altruismus im Wortsinn. Spiritualität strebt nach dem Erleben der Einheit. Je mehr es ihm gelingt, die Einheit hinter der Vielfalt der geformten Erscheinungen zu erleben, insbesondere die aller lebendigen, desto mehr verschwimmt vor den Augen des spirituell-religiösen Menschen die Unterscheidung zwischen Ich und Du. Das vom Du getrennte Ich wird als Aspekt einer grundsätzlich verbundenen Einheit aufgefasst, sodass das Wohl des anderen zugleich als das eigene erkannt wird.

Während die weltanschauliche Spaltung der Konfessionen den Gläubigen an eine Egozentrik bindet, die durch vorsätzlichen Altruismus entschärft werden kann, blickt Spiritualität in transpersonale Verbundenheit. Dort macht Liebe Altruismus, also den Vorsatz zu lieben, überflüssig.


* Die Heilige Schrift / Familienbibel / Altes und Neues Testament, Verlag des Borromäusvereins Bonn von 1966.