Sie sind die Leere, die keine Grenzen hat, die Stille, in die alles eingeht und das Jetzt, das niemals endet.
Das mächtigste Heilmittel zur Eigentherapie seelischer Erkrankungen ist die Meditation. Das bedeutet nicht, dass sie bei allen psychiatrischen Erkrankungen erfolgreich anzuwenden wäre. Es gibt Erkrankungen, gegen deren Grundsymptomatik sie wirkungslos ist und solche, bei denen sie die Symptomatik verschlimmern kann.
Gegebenenfalls verschlimmern kann sie akute Psychosen. Bei der akuten Psychose kommt es zu Störungen der Transmittersysteme des Gehirns. Es entstehen Trugwahrnehmungen. Dadurch kann die Fähigkeit, zwischen realen und halluzinatorischen Erlebnissen zu unterscheiden, verlorengehen. Es kommt zum sogenannten Realitätsverlust. Eine betonte Bündelung der Aufmerksamkeit auf das, was im Inneren der Psyche wahrgenommen werden kann, kann dabei mehr Verwirrung stiften als sie Einsicht schafft. Bei der akuten Psychose heißt das Gebot der Stunde, das Ego zu festigen. Es heißt nicht, es infrage zu stellen.
Bei der Meditation wird das Bewusstsein auf das ausgerichtet, was wahrgenommen werden kann. Dabei gilt es, sich aus dem Gedankenfluss heraus in reine Achtsamkeit zu lösen.
Ein Blick auf die Herkunft des Begriffs verdeutlicht, worum es geht. Meditation geht auf die indoeuropäische Wurzel me[d] = abmessen, abschreiten zurück. Zur selben Wortfamilie gehören das Maß, die Muße und die Medizin. Ein Mediziner misst das Problem des Patienten ab. Dann ergreift er angemessene Maßnahmen.
Auch bei der Meditation geht es um Muße und Maßnehmen. Muße und Maßnehmen stehen im Gegensatz zur Geschäftigkeit der Einflussnahme, zum Machen, Anstreben, Bewirken- und Verhindernwollen, von dem die Menschenseele im Alltag beherrscht wird.
Wer meditiert, lässt die Dinge geschehen ohne in den Ablauf einzugreifen. Statt Pläne zu schmieden und die Wirklichkeit gemäß seinen Plänen zu formen, hält er inne. Aus einer Position gelassener Achtsamkeit heraus nimmt er wahr, was in deren Lichtschein auftaucht. Er bewertet das Erkannte nicht und bindet es nicht in seine Absichten ein. Stattdessen erkennt er das Maß, in dem die Dinge und er selbst zueinander stehen.
Anwendungsbereiche
Meditation kann therapeutisch oder spirituell betrieben werden. In beiden Fällen ist sie eine systematische Erforschung des geistigen Innenraums, als deren Folge das Selbstbewusstsein des Meditierenden wächst. Der Übende wird selbstbewusster, weil er von sich selbst mehr weiß.
Beim therapeutischen Ansatz wird der meditative Blick nach innen soweit geschult bis das gesteigerte Selbstbewusstsein störende Symptome beseitigt. Dem Übenden gelingt es besser, sich als Person ins Umfeld einzubringen.
Die eigentliche Technik der Meditation ist die Fokussierung der Achtsamkeit auf das Hier-und-Jetzt. Alle Wirklichkeit, die wahrgenommen werden kann, durchquert den Zeitpunkt der Gegenwart. Daher gilt es, das Bewusstsein auf dieses Hier-und-Jetzt zu richten. Nur dort und in diesem Moment gibt es etwas zu erkennen.
Nur wer nicht eingreift, kann seine Aufmerksamkeit vollständig auf das Jetzt ausrichten, in dem das Wirkliche auftaucht. Wer etwas anstrebt, spaltet die Aufmerksamkeit. Zum einen schaut er auf das Jetzt, zum anderen auf die virtuelle Welt der Vorstellungen, in der das Bild der angestrebten Zukunft vor Augen steht.
Unterwegs in die Wirklichkeit wird man wach ohne etwas zu bezwecken.
Normalerweise achtet man nur beiläufig auf das, was tatsächlich geschieht. Man geht von hier nach dort, fährt Auto, isst, putzt sich die Zähne, vollzieht die Notwendigkeiten des Alltags. Meist ist man dabei nicht bei der Sache, sondern folgt dem Kreisen der Gedanken um Pläne, Wünsche, Sorgen, Hoffnungen und dem Kummer darüber, dass die Welt nicht so ist, wie sie angeblich sein sollte. Wer im Kreisen der Gedanken bleibt, nimmt jedoch nur nebenbei an der Wirklichkeit teil; denn ein solches Denken befasst sich nicht mit der Wirklichkeit. Es befasst sich mit den Erwartungen, die man an sie richtet und endet an den Vorstellungen, die man von ihr hat.
Vorstellungen sind Bilder, die man vor sich stellt. Indem man sie vor sich stellt, versperrt man sich den Blick auf die Wirklichkeit. Vorstellungen sind Mischungen aus Erkanntem und bloß Vermutetem, durch das man die Lücken im Bild auffüllt.
Am besten richtet man die Achtsamkeit auf das Wirkliche aus, indem man alle Aktivitäten einstellt, die davon ablenken. Wer meditiert, sitzt daher meist bewegungslos und tut scheinbar nichts. Sein Geist ist jedoch hellwach. Er versucht das, was er wahrnehmen kann, vorurteilsfrei zu erleben. Dazu achtet er ebenso auf sinnliche Wahrnehmungen wie auf seelische Ereignisse, die vor seinem inneren Auge auftauchen.
Kategorien des Wahrnehmbaren
Kategorie | Inhalt |
Sinnlich Mittelbar |
Alles, was man hören, sehen, riechen, schmecken oder fühlen kann. Dazu gehören auch die sensorischen Wahrnehmungen der Körperfunktionen, also Atmung, Schmerzen und Verspannungen, das Klopfen des Herzens, Kribbeln auf der Haut, die Lage der Zunge im Mund, der Druck des Gewichts auf der Unterlage. |
Seelisch Unmittelbar |
Gedanken, Erinnerungen und Urteile, seelische Gefühle, Zusammenhänge zwischen Gedanken und Gefühlen, Handlungsimpulse, virtuelle Bilder, willentliche Manöver innerhalb des geistigen Betrachtungsraums, Grad von Wachheit und Konzentration. |
Bei der Meditation können drei Stufen unterschieden werden.
Erkenntnis innerseelischer Strukturen
Die zweite Stufe besteht aus einer Untersuchung von Bewusstseinsinhalten.
Kleine Schritte, lange Wege
Meditation lernt man wie ein Kleinkind das Laufen. Man erhebt sich, macht einen ersten Schritt, fällt hin und steht wieder auf. Bis man einigermaßen sicher auf den Füßen steht, können hundert Stürze nötig sein. Bis man zu Fuß zügig vorankommt, dauert es noch länger.Voraussetzung vertiefter Selbstwahrnehmung ist die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Inhalte auszurichten. Das ungeschulte Bewusstsein ist häufig zerstreut. Zerstreut heißt: Es folgt weitgehend ungesteuert dem Fluss mentaler Inhalte, zu dem sich Sinnesreize und darauf reagierende Gedanken verweben, also Gedanken, die sich ihrerseits durch assoziative Verkettungen weiter verästeln und auf ihrem Weg immer neue Emotionen wachrufen oder durch eingefahrene Emotionen gebahnt werden.
Vielen gelingt es nicht, ihre Aufmerksamkeit so lange auf ausgewählte Inhalte ihres Inneren zu bündeln, bis der Inhalt und seine Rolle im seelischen Prozess verstanden ist. Ständig werden sie durch irgendetwas abgelenkt: durch jedweden Reiz aus der Außenwelt oder den nächstbesten Gedanken, der auftaucht.
Diesem Übel abzuhelfen, dient die erste Stufe der Meditation. Dabei wird geübt, mit der Aufmerksamkeit bei einem bestimmten Wahrnehmungsobjekt zu bleiben, ohne dem unaufhörlichen Fluss anderer Bewusstseinsinhalte zu folgen.
Ein gängiges Wahrnehmungsobjekt, das von Meditierenden aller Kulturkreise genutzt wird, ist die Atmung. Der Meditierende bündelt die Aufmerksamkeit auf den Atmungsprozess. Ohne einzugreifen, beobachtet er das Schwingen seiner Atemzüge.
Auch Mantras (Sanskrit: मन्त्र) werden zur Bündelung der Aufmerksamkeit eingesetzt. Mantra enthält zwei Begriffe des Sanskrit:Whitney, W.D., Sanskrit Grammar § 1185. c, p. 449 (New York, 2003, ISBN 0-486-43136-3 (siehe Wikipedia) man- = denken und -tra = Werkzeug, Instrument. Ein Mantra ist ein Denkwerkzeug. Es kann aus einer Silbe (Om), einem Wort (z.B.: dem Namen eines Gottes) oder einem Sinnspruch bestehen (z. B.: Alles wird leer oder Ich bin.) Durch die Konzentration auf das Mantra wird das Umherschweifen des Denkens eingeschränkt. Das Mantra fungiert als mentales Wahrnehmungsobjekt.
Mantras können auch zur Unterstützung der Fokussierung auf den Atem eingesetzt werden. So empfehlen viele Praktizierende des Theravada-Buddhismus, das Einatmen gedanklich mit der Silbe bu- zu unterlegen und das Ausatmen mit der Silbe -ddho; was in der Summe dem Mantra Buddho entspricht und somit der Erinnerung daran, dass die Befreiung aus den Grenzen des Egos durch Erkenntnis möglich ist (Pali: budh = erwachen).
Die zweite Stufe der Meditation entspricht der Selbstwahrnehmung der Person. Dabei handelt es sich um eine systematisierte Praxis der Introspektion, die von selbstbewussten Personen spontan angewendet und in der tiefenpsychologischen Psychotherapie gezielt ermutigt wird.
Eins nach dem anderen
Beides zugleich
Der Begriff selbstbewusst wird hier im reinen Wortsinn verwendet. Selbstbewusst ist, wer sich die Inhalte, Motive und Strukturen seiner selbst bewusstmacht. Introspektion geht auf lateinisch introspicere = hineinblicken zurück. Introspektion ist der Einblick in das innerseelische Wahrnehmungsfeld auf dem die Objekte des relativen Selbst (z.B. Gedanken, Impulse und Gefühle) wahrgenommen werden können.
Hat der Meditierende gelernt, seine Aufmerksamkeit aus der beliebigen Verführbarkeit durch Reize zu lösen und selbstbestimmt auszurichten, nutzt er sie, um den Fluss seiner mentalen Inhalte zu untersuchen. Dabei denkt er nicht vorrangig über Inhalte nach, sondern betrachtet sie, um ihren Ursprung, ihr Wesen und ihre Wirkungen zu erkennen.
In der zweiten Stufe der Meditation versucht der Übende, sein relatives Selbst und damit die Eigenschaften und Reaktionsmuster seiner Person zu verstehen.
Die explorative Variante hat den Vorteil, dass sie die Wirklichkeit erkennen lässt, statt sie durch vorgegebene Vorstellungsbilder zu überlagern.
In Stufe drei wird Meditation spirituell. Hier geht es um mehr, als um eine verbesserte Kenntnis des relativen Selbst. Hier wird die Identifikation mit der Person aufgelöst, indem man ihre Zustände systematisch als bloße Erscheinungsformen identifiziert. Sobald man deren Formen benennt, macht man die Person zu einem Objekt der Erkenntnis. Indem man sie zum Objekt der Erkenntnis macht, destilliert man sich selbst als reines Subjekt aus der Vermengung heraus.
Führt man die Introspektion auf Stufe zwei über den egozentrischen Nutzen hinweg fort, erkennt man die eigene Person als ein sich laufend veränderndes Objekt, dem drei wesentliche Eigenschaften zukommen: Es ist vorübergehend, unbefriedigend und leer.
Fasst man den ständigen Wechsel der persönlichen Befindlichkeit ins Auge, erkennt man, dass Inhalte, von tausend Bedingungen gesteuert, unaufhaltsam kommen und gehen. Die Person erscheint als fließend wechselnde Erscheinung mit zweitrangigem Wirklichkeitscharakter. Sie wird als geformtes Etwas erkennbar, das von flüchtigen Bedingungen ins Dasein gebracht wird und dort solange verbleibt, wie die Bedingungen erfüllt sind.
Weil all ihre Inhalte vorübergehen, besteht keine Aussicht darauf, je als separate Person auf Dauer zufrieden in sich zu ruhen. Das Leben als Person ist von einer ständigen Unzufriedenheit durchwoben. Mehr noch: Die Person ist ungestilltes Verlangen. Erreicht man persönliche Ziele, wird die Unzufriedenheit vorübergehend durch Freude ersetzt. Mit keinem Erfolg wird man auf Dauer jedoch zufrieden sein. Egal, was man gewinnt, die Freude am Gewinn verblasst. Neue Sorgen und Wünsche tauchen auf.
Weil die Person ein Objekt ist, das erkannt werden kann, ist sie nicht das Subjekt des Erkennenden selbst. Was das Selbst des Erkennenden betrifft, ist die Person leer.
Die Verinnerlichung der Einsichten der dritten Stufe der Meditation sind das Ziel spiritueller Religiosität. Der spirituell nicht erwachte Mensch verhält sich so, als sei seine Person eine feste Instanz, die dem Rest der Wirklichkeit gegenübersteht. Er versucht, sich von dort aus den Teil der Wirklichkeit einzuverleiben, von dem er glaubt, dass sein Besitz zur endgültigen Zufriedenheit führen wird. Er denkt: Wenn ich erst einmal da und dort bin... Wenn ich erst einmal dies und jenes erreicht habe... Um seine Ziele zu erreichen, hält er immer an etwas fest. Er versteift sich auf Ziele.
Außenposten der Gegensätzlichkeit
Zur dritten Stufe der Meditation gehört zuletzt die Überwindung der Dualität des Erkennens. Dabei strebt der Meditierende die Erkenntnis eines Absoluten an, in dem alle Gegensätze in ursprünglicher Einheit verschmolzen sind; wo Löwe und Gazelle nebeneinander grasen.
Wahrnehmungsobjekte sind als Außenposten der Dualität im Bewusstseinsfeld erkennbar. So ist die Atmung eine Polarität zwischen ein und aus. Im Sinnspruch Alles wird leer ist Fülle als Gegensatz zur Leere mitgedacht. Mit der Aussage Ich bin dies wird das Nicht-Ich ausgeschlossen. Der Name eines Gottes benennt ein duales Gegenüber. Die Konzentration auf Wahrnehmungsobjekte setzt die primäre Dualität zwischen Objekt und erkennendem Subjekt voraus.
Die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf ein Wahrnehmungsobjekt bündelt diese daher noch nicht auf das Absolute. Sie bündelt auf einen Horizont, hinter dem das Absolute auftauchen kann. Wie bei allen Horizonten ist es unmöglich, willentlich darüber hinwegzuschreiten. Wer das Absolute erreicht, hat sein Begehren beendet und ist zur reinen Erkenntnis gelangt. Transzendenz überschreitet die Austauschbarkeit der partikulären Existenz, die dazu verurteilt ist, dieses oder jenes zu wollen.
Der spirituell erwachte Mensch geht davon aus, dass alles Weltliche bloß eine Erscheinung ist und ihn daher nicht zufriedenstellen kann. Da er von der Welt nichts mehr haben will, lässt er sie los. Er spielt mit ihr wie mit einem Freund und lässt dem Leben seinen Lauf.
Alle drei Stufen der Meditation befassen sich mit Aspekten des relativen Selbst.
Die zweite Stufe führt zur Erkenntnis des relativen Selbst.
Zweite und dritte Stufe der Meditation
Selbsterkenntnis | Selbstverwirklichung |
Das Ich erkundet die wahrnehmbaren Inhalte der Person, ihre Beziehungen zueinander sowie ihre Beziehungen zum Umfeld (Nicht-Ich). Es bleibt mit der Person identifiziert und betrachtet die Wirklichkeit aus deren Perspektive. | Sobald das Ich wahrnehmbare Inhalte der Person erkennt, macht es sich klar, dass sie nicht seinem Selbst entsprechen, sondern beobachtbare Erscheinungen einer Wirklichkeit sind, deren Ereignisverkettung zwar die Person, nicht aber es selbst, unterworfen ist. |
Das Ich lernt, besser zwischen Ich und Nicht-Ich zu unterscheiden. | Das Ich hebt die Unterscheidung zwischen Welt und Person auf. |
Das Subjekt studiert seine Person als Objekt der Wirklichkeit. | Das Subjekt erkennt, dass es selbst kein Objekt der Wirklichkeit sein kann. |
Ich bin dieser oder jener Teil der diesseitigen Wirklichkeit. Ich hebe mich als besonderer Teil aus ihr heraus und bin dadurch in sie eingebunden. | Ich bin kein besonderer Teil der Wirklichkeit. Weil ich Sehendes bin, liege ich ihrem Wirklichsein zugrunde. Ich bin als das Gewahrsein der diesseitigen Wirklichkeit aus ihr entbunden. |
Blickrichtung: intramental Schaut Inhalte an. |
Blickrichtung: transmental Schaut an Inhalten vorbei. |
Bewusstwerden des relativen Selbst | Verwirklichung des absoluten Selbst |
Die Erkenntnis, die der Selbstverwirklichung zugrunde liegt, ist anderer Art als das Erkennen von Objekten und deren Verhältnissen zueinander. Das verwirklichte Subjekt erkennt sich nicht als Objekt. Es erkennt, dass es mit keinem Objekt identisch ist und somit keiner Begrenzung unterliegt, die das Wesen der Objekte bestimmt; zum Beispiel Endlichkeit, Erzeugbarkeit, Zerstörbarkeit, Bestimm- bzw. Begrenzbarkeit durch andere Objekte. Als geistiger Raum bleibt das Subjekt unbeschädigt. Nur Inhalte kommen und gehen.
Die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf das absolute Selbst wird nicht nur durch körperliche Aktivitäten und Empfindungen gestört...
Hier ist der Begriff Ausrichtung metaphorisch gemeint. Das absolute Selbst befindet sich nicht dergestalt an einem festen Ort, als dass es anderswo nicht wäre. Es verhält sich eher wie die elementare Erscheinungsform der Materie. Es ist Möglichkeit, nicht definiertes Da- und Sosein.
Potentiell störend sind vor allem Gedanken und Urteile, Erinnerungen an Vergangenes und Vorstellungen über die Zukunft, die spontan im Bewusstsein auftauchen und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein weiteres Problem liegt im Wesen der Wahrnehmung selbst. Wahrnehmung spricht auf Unterschiede, Kontraste und Veränderungen an. Mit der Erkenntnis des Unveränderlichen tut sie sich schwer. Als dritter Störfaktor ist der blinde Eifer zu erkennen, mit dem sich die Psyche ans Werk macht, das Wohlbefinden der Person zu steigern.
Gedanken
Auftauchende Gedanken verführen dazu, das Hier-und-Jetzt zu verlassen und über die Belange der eigenen Person nachzusinnen. Jeder Gedanke verkleinert den Geist auf etwas, das er erkennen kann.
Zur Dynamik des normalen Bewusstseins gehört die Fokussierung auf persönliche Belange. Diese Fokussierung ist sehr stabil. Die Person tritt aus dem Hintergrund des Selbst in Erscheinung und zieht die Aufmerksamkeit vollständig auf sich. Das Ich ist immer dual. Es ist ein, ich bin auf dies oder das ausgerichtet. Nur dem spirituell Geschulten gelingt es in der Regel, mehr als ein paar Augenblicke durch die Person und das Gewebe ihrer Interessen hindurchzuschauen und jenseits davon die Wirklichkeit zu erkennen, ohne dass die Erkenntnis durch Parteilichkeit eingeengt oder getrübt wird.
Urteile
Da es uns als Personen stets um Vor- und Nachteil geht, neigen wir dazu, alles Wahrgenommene zu beurteilen und ihm gegenüber Stellung zu beziehen.
Urteile sind Aktivitäten des Egos. Aus Angst vor Verlusten aller Art versucht das Ego, seine Position zu sichern. Gemäß dem Vorteil, den es sich davon verspricht oder Nachteilen, die es fürchtet, teilt es die Welt in zwei Kategorien auf: gut und schlecht. Mit gut meint es: Was zu seinen Erwartungen passt. Mit schlecht meint es: Was nicht dazu passt, was sich also ungebetenerweise schädlich einschleicht. Durch seine Neigung, Wirkliches durch egozentrische Urteile abzuwerten, stört das Ego die Wahrnehmung beträchtlich. Zumindest ist seine Wahrnehmung selektiv. Als Folge davon strebt es an oder es wehrt ab.
Der Mensch befasst sich mit der Frage, wie er sein soll, damit er als gut zu bewerten ist. Gut, wenn er dabei einsieht, dass sein Urteil vom Bedürfnis nach Zugehörigkeit bestimmt wird. Man will gut sein, damit man zu dem passt, was Schutz und Vorteil verheißt.
Für den, der nicht erkennt, dass hinter dem Urteil ein egozentrisches Bedürfnis steckt, verwandelt sich das Urteil von einem Gatter, das ihn schützt, zu einem Gitter, hinter dem er den Verstand gefangen hält. Nur im Heiligen überwindet das Gute seine Relativität.
Relativität geht auf die lateinische Wurzel relativus = sich beziehend zurück. Wert und Bedeutung des Relativen wird von dem mitbestimmt, auf das es sich bezieht. Im Heiligen sind die Dinge nicht relativ, weil sie im Heiligen nicht miteinander in Beziehung stehen, sondern ins Ganze verschmelzen. Das Ganze ist kein Konstrukt aus Teilen, sondern das, was Teilung überschreitet und Geteiltes aus sich heraus entwerfen kann.
Ein wesentliches Werkzeug der Meditation besteht im Erkennen und Benennen dessen, was man denkt und wie man urteilt. Statt auftauchende Gedanken weiterzuspinnen und sich in den Vermutungen und Spekulationen des Denkens zu verlieren, kehrt man durch die Betrachtung des eigenen Denkens in die Gegenwart der Wirklichkeit zurück. Statt zu urteilen, schaut man hin, wie man sich durch Urteile ein Weltbild baut, das als Teil der Welt immer nur klein sein kann. Sobald man erkennt, dass die Welt des Egos dazu verurteilt ist, klein zu sein, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man es wagt, darüber hinauszublicken.
Warum wird hier von einem Wagnis gesprochen? Ganz einfach: Wer über den Horizont des Personseins hinausblickt, erkennt, wie wenig das ist, was sich innerhalb des Horizontes befindet. Wie sollte der, der das erkannt hat, dem Wenigen aber noch viel Bedeutung zumessen? Die Logik des Personseins leistet gegen solche Erkenntnis Widerstand, weil es zur Grundidee des Personseins gehört, der Person viel Bedeutung beizumessen.
Hier ist die Rede vom Horizont des Personseins; nicht nur vom Horizont der Person. Das gilt es zu beachten. Es ist für ein menschliches Zusammenleben unabdingbar, über den Horizont der eigenen Person hinauszublicken. Der bloße Blick über den Horizont der eigenen Person hinaus reicht aber bloß bis in den Horizont einer anderen hinein. Das ist ein vergleichbar schmaler Gewinn. Die wirkliche Weite liegt jenseits davon. Sie liegt jenseits des Personseins überhaupt.
Gedanken
Aufgreifen und entwickeln oder wahrnehmen und loslassen
Gedanken sind Elemente der Wirklichkeit. Sie durchqueren das Jetzt. Daher geht es bei der Meditation nicht vorrangig darum, das Denken abzuschalten. Das wäre eine absichtliche Einflussnahme. Sie widerspräche der meditativen Grundhaltung der Gelassenheit und führte nicht zur Erkenntnis dessen, was geschieht, sondern zu einem Konflikt mit der Wirklichkeit.
Während der Gedanke an sich als virtuelles Objekt aber stets wirklich ist, ist das Bild, das er von der Wirklichkeit entwirft, bloß vorgestellt. Das Denken entwirft aus dem Erfahrungsschatz, der auf das Wenige zurückgreift, was die Person aus ihrem Blickwinkel bislang erfuhr. Gedanken sind Vorstellungen, Konzepte und Bilder. Je mehr Schritte es dabei geht, desto spekulativer wird sein Inhalt und desto weniger gleicht die entworfene Vorstellung der Wirklichkeit, über die das Denken seine Vermutungen anstellt.
Im Alltag neigen wir dazu, Gedanken aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Dadurch entwerfen wir Vorstellungen, deren Wahrheitsgehalt wir nur lückenhaft an der Wirklichkeit überprüfen. Je komplexer ein Entwurf wird, desto größer ist die Gefahr, dass er von der Wirklichkeit abweicht.
Oliver hat sich neulich unmöglich benommen... Dabei dachte ich, er sei ein ernst zu nehmender Kollege... Kein vernünftiger Chef wird Mitarbeiter mögen, die am Rosenmontag mit Pappnase ins Büro kommen und dann auch noch auf der Tröte blasen. Es wird wohl besser sein, zu Oliver auf Abstand zu gehen.
Sinn der Entwicklung gedanklicher Bilder ist der Entwurf komplexer Simulationen, anhand derer wir im Voraus berechnen, was uns nützt.
Bei der Meditation geht es nicht darum, mit Hilfe der Spekulationen über die Wirklichkeit zu entscheiden, was uns nützt oder schadet. Es geht ausschließlich darum, die Wirklichkeit zu erkennen, so wie sie ist; und zu dieser Wirklichkeit gehören die Spekulationen, die man über sie anstellt. Da sich Gedanken aber spekulativ von der Wirklichkeit entfernen, nimmt man sie in der Meditation bloß wahr und lässt sie dann los.
Aha, ich bin also der Meinung, dass sich Oliver unmöglich benommen hat und ich auf Abstand gehen sollte. Oh, ein Schamgefühl kommt auf. Ich bin erstaunt, dass ich so berechnend bin. Sei's drum, so bin ich derzeit wohl. Vielleicht kann ich auch erkennen, woher das kommt. Mal schauen...
Es gilt also nicht, das Denken abzuschalten, sondern die Kette unverstandenen Denkens nicht mehr fortzusetzen, indem man sich in deren Vorstellungswelten verliert ohne ihre Themen zu erkennen und bewusst zu untersuchen. Ich betrachte, was ich mir vorstelle. Ich untersuche Vorstellungen um zu erkennen, was ich durch sie bezwecken will. Meist wird es Zugriff oder Abwehr sein, um mich als Person zu stärken und zu schützen.
Die Funktion der Gedanken geht tiefer. Sie sind nicht nur Werkzeuge mit deren Hilfe man Spekulationen über zukünftige Entwicklungen anstellt oder den Erfolg vergangener Taten untersucht. Wäre es so, könnte man das Denken in der Meditation leicht hinter sich lassen und eine Leere erleben, in der nur noch sinnliche Wahrnehmungen auftauchten ohne dass da ein Ich wäre, das sich um Vorteile bemüht. Jeder, der sich an der Meditation versucht hat, kennt jedoch das Problem: Selbst wenn man das Denken einstellen will, tauchen Gedanken so ungebeten auf, wie Stechmücken in der sommerlichen Tundra. Im Kopf denkt es quasi automatisch und der Automatismus ist schwer zu stoppen. Dafür gibt es einen Grund.
Wäre das Denken bloß ein Werkzeug des Egos, also etwas, das es in die Hand nimmt, nachdem es bereits fest dasteht, könnte es sein Werkzeug so locker für eine halbe Stunde aus der Hand legen wie ein Maurer seine Kelle. Dass man ihm das Werkzeug aber mit Engelsgeduld aus der Hand nehmen muss, liegt daran, dass das Ego selbst ein gedankliches Konzept ist, das ohne Urteil und Gedanke gar nicht sein kann.
Relatives und Absolutes
Das Denken ist ein Werkzeug des relativen Selbst. Es dient dazu, dessen Position in einer Dualität zu verbessern, die sein Dasein stets in Frage stellt. Es sucht nach Erkenntnissen, um zum eigenen Vorteil in die Wirklichkeit einzugreifen: Wie konnte es dazu kommen, das dies und das geschah? Was hätte ich damals besser machen können? Wie kann ich in Zukunft Fehler vermeiden? Was muss ich heute tun, damit ich später nichts bereue? Welche Gefahr kommt auf mich zu?
Das absolute Selbst liegt jenseits dualer Gegensätze. Es liegt außerhalb des Denkens und jenseits der uns bekannten Form bewussten Seins; das sich vorübergehend öffnet, damit sich das relative Selbst darin den Kopf über Gewinn und Verlust zerbricht. Das absolute Selbst ist unbeteiligt. Zum absoluten Selbst dringt vor, wer keinem Gedanken mehr folgt und keinem Teil der Wirklichkeit mehr mehr Bedeutung gibt als einem anderen.
Vorgedrungen wird nur aus der Perspektive des relativen Selbst. Als absolutes weiß es, dass es nie etwas anderes als das Absolute war. Aus der Sicht des Absoluten, dringt das Relative nicht zu ihm vor, sondern geht in ihm auf. Partei geht auf lateinisch pars = Teil zurück. Absolut er selbst ist, wer in allem unparteiisch ist.
Im Gegensatz zum absoluten Selbst ist das Ego ein Objekt. Es ist etwas Feststellbares, etwas Festgestelltes und es stellt seine eigene Existenz fest, indem es am laufenden Band Feststellungen anstellt. Hört das Ego auf, Feststellungen über die Wirklichkeit zu treffen, gibt es seine Substanz preis, hat keinen Treffpunkt mehr, an dem es auftaucht und geht in die Wirklichkeit ein. Dieser Zustand ist die Gedankenstille, die im mystischen Erleben das sich separat entwerfende Ich mit dem Ganzen vereint.
Feststellungen
Jeder Gedanke ist eine Feststellung. Auch dieser Gedanke ist eine Feststellung. Jede Feststellung sagt: So sehe ich es! Jede Feststellung ist eine Stellung und damit ein befestigtes Lager in der Weite der Wirklichkeit, an dem der Ausgesetzte festhält, weil er darin Halt sucht.
Das Ego hat bestimmte Sichtweisen. Bestimmte Sichtweisen, also Feststellungen über die Wirklichkeit, sind die Bausteine, aus denen das Ego besteht. Nicht zu denken, heißt keine Sichtweise mehr zu haben, sondern zu sehen, ohne dabei selbst dies oder das zu sein.
Jede Feststellung, die die Person über die Wirklichkeit anstellt, ist zugleich ein Urteil. Am Ursprung des egozentrischen Selbstbilds, das in der Folge durch weitere Feststellungen gefestigt wird, steht ein primäres Urteil, das die Urteilung des egozentrischen Weltbilds vollzieht. Durch das Urteil Ich nehme wahr, was ich nicht selbst bin teilt der Urteilende das Spektrum seiner Wahrnehmungen in zwei Teile: ein als abgeteilt gedachtes Ich und den Rest der Welt.
Die Hürde, die zu nehmen ist, um das Denken loszulassen, ist deshalb viel höher als das Bedenken gegen eine Pause bei der Simulation vorteilhafter Einflussnahmen. Das Ego kämpft mit seinen Mückenschwärmen nicht gegen den Verlust eines Vorteils, den es sich erspekulieren könnte, wenn es die halbe Stunde unaufhaltsam weiterdenkt. Es kämpft gegen die Einsicht, dass die Wirklichkeit auf es verzichten kann.
Diese Kröte muss man erst 'mal schlucken und das Ego wäre kein Ego, hätte es nicht die Neigung, die Kröte immer wieder auszuspucken. Verzeihen wir es ihm! Das Ego meint es ja nur gut; zumindest mit sich selbst. Jede Existenzform auf der dualen Ebene der Wirklichkeit ist dazu verurteilt, sich mehr Bedeutung zuzuweisen, als ihr zukommt; bis es ihr gelingt, das Urteil aufzuheben. Erst, wenn sie das Urteil aufhebt, erkennt sie, dass der Verzicht auf sich selbst Gewinn für sich selbst bedeutet. Man gewinnt sich, indem man darauf verzichtet, sich haben zu wollen.
Wahrnehmung wird zu einem großen Teil mittelbar durch Sinnesorgane bewerkstelligt. Ein zweiter Modus der Wahrnehmung ist unmittelbar. Mit ihm erkennt man innerseelische Ereignisse. Beiden Wahrnehmungsarten ist eines gemeinsam: Sie erkennen vor allem Veränderungen.
Die Wendung... ins Zeitlose hinein... kann in die Irre führen. Sie suggeriert, dass sich dort - im Inneren der Zeitlosigkeit - nur der Abgrund der Wirklichkeit befindet und dass es eine Oberfläche der Wirklichkeit gibt, die außerhalb stünde. Die Unterscheidung zwischen innen und außen wird aber durch unsere Position als persönliche Betrachter bedingt, die das Objekt dem Subjekt als ein Etwas gegenüberstellt, das ihm nicht angehört und außerhalb von ihm steht.
Schauen Sie zum Fenster hinaus. Was Sie an einem windstillen Tag als erstes wahrnehmen, ist der Vogel, der von einem Baum zum anderen fliegt.
Auf der ersten Stufe der Meditation spielt dieses Phänomen zunächst eine geringe Rolle. Die Gedanken im Kopf flattern wie Vögel daher. Es macht keine Mühe, sie wahrzunehmen. Im Gegenteil: Sie drängen in den Vordergrund.
Unterhalb der Gedanken kommt die Ebene der...
Im Vergleich zu den Gedanken, die sekundenschnell einen erkennbaren Begriff an den nächsten reihen, ist die Bewegung auf dieser Ebene bereits träger.
Noch träger verändern sich grundsätzliche Überzeugungen über das Wesen der Wirklichkeit, die emotionalen Reaktionen und Denkinhalten zugrunde liegen.
Je tiefer man daher ins Innere blickt, desto mehr Geduld braucht man, um die in der Tiefe zunehmend beständiger werdenden Zustände wahrzunehmen.
Bei der spirituellen Vertiefung der Meditation geht es um Ebenen der Wirklichkeit, die sich innerhalb eines Menschenlebens überhaupt nicht verändern. Zuletzt geht es dort um die Realisierung der Zeitlosigkeit.
Der Begriff Realisierung zeigt dabei an, dass das Zeitlose nicht wie ein Gegenstand, ein Feld, ein Verhältnis oder ein Prozess wahrgenommen werden kann. Das Verb realisieren hat eine doppelte Bedeutung. Es bedeutet sowohl...
Das erkennende Subjekt verwirklicht sich, in dem es gewahr wird, dass es keinem erkennbaren Objekt entspricht und sich fortan allen Objekten gegenüber seinem tatsächlichen Wesen entsprechend abgelöst verhält. Für Objekte ist die Zeit ein Raum, in dem sich ihre Eigenschaften verändern. Das absolute Subjekt hat keine Eigenschaften. Ihm ist Zeit ein ewiges Jetzt, das alles enthält. Objekte werden und vergehen. Das Subjekt ist. Objekte sind Wandel. Das Subjekt ist dessen Sein.
Das Grundmotiv des normalen Bewusstseins ist die Verbesserung des Wohlbefindens der Person durch Eingriff in die Wirklichkeit. Tauchen Störungen in Form unangenehmer Gefühle auf, wird das Bewusstsein tätig. Das gilt für leibnahe Wahrnehmungen und seelische Befindlichkeiten in gleicher Weise.
Normal
Ich handele, um das Wohlbefinden der Person zu steigern.
Meditativ
Ich betrachte, um die Art des Befindens der Person zu verstehen.
Leibnahe Wahrnehmungen
Seelische Befindlichkeiten
Eingriffe zwecks Verbesserung der Befindlichkeit vertiefen die Identifikation mit der eigenen Person. Durch den Eingriff verstrickt man sich ins Netzwerk der geformten Dinge, also der Bedingungen und Bedingtheiten aus der die Welt besteht und zu dem die Person gehört.
Das Grundmotiv des meditativen Bewusstseins liegt in der Betrachtung der Dinge. Im Gegensatz zum verstrickenden Eingriff, führt die reine Betrachtung zur Des-Identifikation von allen Formen, die betrachtet werden können. Reine Betrachtung ist ablösende Erkenntnis. Ein wesentlicher Störfaktor der Meditation liegt darin, dem Drang zur Verbesserung zu folgen, statt ihn zu sehen.
Destillat und Katalysator
Die Person lebt in intimer Verwobenheit mit der Welt. Sie deutet die Welt als deren Bezogenheit auf sie selbst. Sie misst allem eine subjektive Bedeutung zu, indem sie bei allem fragt, was es mit ihr zu tun hat. Sie ist Welt. Wenn sie sieht, ist es stets ein Ich sehe.
Der übliche Lebensvollzug ist eingriffsoriertiert. Wahrnehmung und Eingriff gehen nahtlos ineinander über. Das Subjekt als Instanz der Wahrnehmung wirkt spontan auf die Objekte ein, weil es sich seinerseits als Objekt betrachtet, dessen Bestand zu bewahren ist. Die jeweilige Reaktion auf wahrgenommene Zustandsänderungen ist überwiegend automatisiert. Sie unterliegt Entscheidungskaskaden, die an die bisherige Erfahrung der Person gebunden sind. Diese Bindung ist ein Gefängnis des Geistes.
Meditation wirkt als Katalysator, der den nahtlosen Übergang von Wahrnehmung zu persönlich motivierter Reaktion aufhebt. Sie unterbricht Reiz-Reaktions-Automatismen. Dadurch wird das Subjekt aus der Verstrickung ins Gewebe der Objekte herausdestilliert. Das Destillat ist reines Gewahrsein. Das Selbst lebt ohne Verwobenheit, unerschütterlich, unberührbar, im Dabeisein entrückt.
Meditation ist Übung. Wer meditiert übt, die Wirklichkeit vorurteilsfrei zu erkennen. Am besten wirkt sie, wenn man sie regelmäßig praktiziert. Da sie die Aufmerksamkeit auf den Ort in der Raumzeit lenkt, an dem man sich selbst befindet, zentriert sie das Leben in die eigene Mitte.
Meditation...
Durch beharrliches Üben kommt es dazu, dass sich der Schwerpunkt des Lebens bei den Besorgungen des Alltags verschiebt. Statt aus der Angst der Person heraus nach allem zu greifen, was Vorteil verspricht, erkennt man in der Mitte des Selbst, dass einen vieles gar nichts angeht; oder dass es so wenig Bedeutung hat, dass Aufhebens darum nicht lohnt. Man tut weniger.
Wie das Hinwollen wegführt
Sobald man im Glauben übt, so und so viel üben zu müssen, um ans Ziel des Übens zu kommen, richtet man die Aufmerksamkeit auf ein Dort-und-dann. Das Ziel ist aber Hier-und-jetzt.
Weniger zu tun heißt aber nicht, sich treiben zu lassen. Weniger zu tun heißt, dem Treiben zuzuschauen und zu handeln, wenn es notwendig ist. Das Notwendige, das tatsächlich zu tun ist, tut man dabei effektiv. Während man es tut, ist man im Geiste bei dem, was getan wird.
Meditation in der sitzenden Grundhaltung ist eine spirituelle Praxis, die als Ritual in den Alltag eingefügt werden kann. Das Ritual selbst ist aber nur Mittel zum Zweck. Es dient der Ausrichtung der Achtsamkeit auf die innere und äußere Wirklichkeit, der man im Hier-und-Jetzt begegnet. Das Sitzen ist eine der vielen möglichen Körperhaltungen des Yoga, sogenannter Asanas [Sanskrit = असन), die eingenommen werden können.
Zwei Sichtweisen auf die Wirklichkeit
Im dualistischen Bewusstsein sind Objekte Gegenstände, im monistischen sind es Mitflüsse. Deshalb ist alles absolut dasselbe, aber nur ungefähr das Gleiche wie das, was es war. Als ich selbst bin ich Wasser, das ruht. Als Person bin ich Wasser, das fließt.Wenn man darin geschult ist, die Achtsamkeit aus dem Kreisverkehr des Vermutens, Spekulierens, Beklagens sowie der Inszenierung fiktiver Dialoge herauszulösen und auf das auszurichten, was tatsächlich als wahr festzustellen ist, kann das Ritual des Sitzens zugunsten einer meditativen Grundhaltung aufgegeben werden, die unabhängig von der Körperhaltung ist.
Eine meditative Grundhaltung nimmt ein, wer sich im Rahmen alltäglicher Begegnungen und Ereignisse bewusst wird, wie sein Inneres auf das jeweilige Ereignis reagiert. Aus der Grundhaltung heraus betrachtet man zunächst den Lauf der Dinge... und handelt dann. Ohne sie ist man reflexartig mit der Einwirkung auf die äußere Wirklichkeit beschäftigt.
Die Reflexe stammen dabei aus erlernten Mustern, die sich das egozentrische Konzept aus den zufälligen Erfahrungen der Vergangenheit zurechtgelegt hat. Oft werden diese Muster der Gegenwart nicht gerecht. Ohne die Wahrnehmung dessen, was jeweils wirklich ist, bleibt man in überkommenen Mustern gefangen.
Die konsequente Wahrnehmung dessen, was auf der Lichtung des Bewusstseins auftaucht, führt dazu, dass sich das Subjekt des Betrachters zunehmend aus irrtümlichen Identifikationen löst. Wer seine Gedanken, Impulse, Gefühle und Absichten erkennt, ohne sich von Ihnen zur Vorteilsnahme verführen zu lassen, stellt fest, dass all diese Inhalte flüchtige Formen sind, die zwar zu der Person gehören, die er von innen heraus erkennt und zu dem Ego, das sich als Anwalt dieser Person begreift, dass er selbst aber weder das Ego noch die Person ist, die er sieht.
Damit wird dem Subjekt des Betrachters etwas Wesentliches klar: Es selbst ist keine jener Formen, die es erkennen kann. Das Subjekt ahnt, dass es formlos ist und als formloses Prinzip der Wirklichkeit des Geformten zugrunde liegt. Das Subjekt versteht, dass es kein Objekt ist. Wer sich nicht mehr damit aufhält, als etwas Geformtes Partei der eigenen Form zu sein, kann unbegrenzte Wirklichkeit erfahren. Der völlige Verzicht auf Parteilichkeit wird nur wenigen gelingen. Jeder Schritt darauf zu ist ein Schritt auf dem Weg, mit sich selbst im Reinen zu sein.
Viele suchen in der Meditation nach diesem Erlebnis. Wer bedauert, es nicht zu erfahren, belegt jedoch, dass er an der falschen Stelle sucht. Im Kummer, nicht erleuchtet zu sein, weist der Bekümmerte seiner Person eine Bedeutung zu, die ihn verblendet. Im Sinne des Satori versteht man nur, wenn man weder vom Vorsatz noch vom Ziel, etwas Besonderes zu erreichen, gefesselt wird. Statt Erleuchtung zu suchen, gilt es zu sehen, was im Licht zu erkennen ist. Erleuchtung ist kein Ziel, das man erreichen könnte. Sie ist die Erkenntnis, dass alles aus einem Licht besteht, in dem jedes Ziel entfällt. Zu verstehen heißt, die Vorstellung, die man vom Verständnis hat und den Anspruch, es zu erlangen, aufzugeben
Das Ego, also die Vorstellung des separaten Ich, ist eine Eischale. In der Schale wird das Küken ausgebrütet. Wenn es sich darüber hinaus weiterentwickeln will, muss das Küken die Schale von innen heraus zerbrechen. Es muss den Schutz verlassen, den die Schale bietet. Das gleiche gilt für die Persönlichkeitsentwicklung. Ohne eine spirituelle Erweiterung des Selbstbilds über den konventionellen Rahmen des dualistischen Denkens hinaus, bleibt das Ich in einem Raum gefangen, den es als Enge erleiden muss.
Hier wird von einer spirituellen Erweiterung des Selbstbilds gesprochen. Der Satz gefällt und führt zugleich in die Irre. Jedes Bild ist nur deshalb Bild, weil es einen bestimmten Inhalt hat. Der Inhalt eines Bildes kann von außerhalb bestimmt werden, so wie ein Maler festlegt, was auf die Leinwand kommt. Dann ist das Bild fremdbestimmt. In einem nächsten Schritt kann der Maler ein Bild von sich selbst entwerfen. Er sagt: Ich bin ein Maler. Es mag sein, dass er nicht von außen zum Maler bestimmt wurde, sodass es legitim ist, zu sagen, sein Selbstbild ist selbstbestimmt. Alles Bestimmte bleibt aber eng, weil es an ein bestimmtes Sosein gebunden ist. Erst wenn das Bestimmte erkennt, dass es aus Unbestimmtem entstanden ist, aus ihm besteht und in seinem Bestand verbleiben wird, ist das Sein des Subjekts zu sich selbst befreit. Vom Sein kann es kein Bild geben und bei ihm sein, kann nur, wer kein Bild mehr von sich hat.