Psychose


  1. Definitionen
  2. Psychotische Erlebnisweisen
  3. Grundformen
  4. Psychose und Sucht
  5. Belastung des Umfelds
  6. Behandlung
  7. Früherkennung

1. Definitionen

Eine einheitliche Definition der Psychose gibt es nicht. Zwei Ansätze konkurrieren miteinander:

Definitionen

formal geläufig
Versucht nach pathogenetischem Grundmuster zu unterscheiden. Unterscheidet normale und abnormale Erlebnisweisen, ohne nach Ursachen zu fragen.
Kausale Unterscheidung Beschreibende Unterscheidung

Pathogenese: griechisch pathos [παθος] = Leiden, Leidenschaft und genesis [γενεσις] = Entstehung

1.1. Formale Definition

Gemäß der formalen Definition sind Psychosen Folgeer­scheinungen stofflicher Einflüsse auf das Gehirn. Dadurch grenzt sie Psychosen von krankhaften Seelenzuständen ab, die durch nicht-stoffliche, also rein psychologische Faktoren verursacht werden. Zu den psychologisch verursachten Krankheiten zählen Neurosen, Persönlichkeits­störungen und Suchterkrankungen.

Bei substanzgebundenen Süchten ist die Zuordnung wegen der organischen Verände­rungen des Gehirns durch die Suchtmittel unscharf. Die Suchtentwicklung ist zunächst ein psychologischer Ablauf. Die Wirkung der Stoffe auf das Zentralnerven­system kann jedoch zur Ausbildung echter Psychosen führen.

Formal gesehen ist bereits der Rauschzustand, den das Suchtmittel verursacht, ein psychotischer Zustand. Bei Halluzinogenen ähneln die Erlebnisweisen denen "echter" Psychosen. Bei Rauschzuständen durch Alkohol, Heroin und Kokain fehlen in der Regel klassisch psychotische Symptome.

Der Vorteil der formalen Definition ist, dass man dabei Kausalzusammenhänge mitdenkt. Ihr Nachteil ist, dass sie sehr unterschiedliche Erlebnisweisen unter einem Begriff zusammenfasst und psychogene Psychosen nicht einbezieht. Deshalb ist die formale Definition zur Einordnung psychiatrischer Störungen zwar nützlich, zur Definition dessen, was im medizinischen Alltag als Psychose aufgefasst wird, aber kaum tauglich.

Psychosomatische Einheit oder Leib-Seele-Dualismus

Die formale Einteilung geht stillschweigend davon aus, dass zwischen Leib und Psyche eine klare Trennung besteht. Nur so kann sie sagen: Die eine Störung ist organisch, die andere ist psychogen. Denkbar ist, dass der Mensch als psychosomatische Einheit über diesen Dualismus hinausreicht, sodass organisch und psychogen ineinander übergehen.

Sinnvoll mag daher sein, die formale Einteilung nicht entlang von Ursachen zu vollziehen, sondern entlang der Heilbarkeit. Dann wären folgende Definitionen möglich:


1.2. Geläufige Definition

Im psychiatrischen Alltag definiert man die Psychose meistens enger. Hier wird zu­nächst nicht nach Ursache unterschieden, sondern nach Befremdlichkeit der Symp­tome. Die geläufige Definition bezeichnet solche Symptome als psychotisch, die nicht jeder aus eigenem Erleben kennt oder deren Sinnzusammenhang für einen Gesunden nicht nachvollziehbar ist.

Die geläufige Definition orientiert sich an der schizophrenen Psychose und beschreibt somit typisch psychotische Erlebnisweisen.

2. Psychotische Erlebnisweisen

Zur psychotischen Kernsymptomatik zählt man:
  1. Trugwahrnehmungen
  2. Gedankenlautwerden
  3. Ich-Störungen
  4. Beziehungserleben
  5. Wahn
2.1. Trugwahrnehmungen

Trugwahrnehmungen sind Halluzinationen. Der Kranke hört, sieht, schmeckt, riecht oder fühlt etwas, dem kein Sinneseindruck zu­grunde liegt.

Begriffsbestimmung
Halluzination geht auf das lateinische alucinari = verwirrt sein sowie das griechische alasthai (αλασθαι) = umherirren zurück. Der Halluzinierende irrt in vorgestellten Sinneseindrücken umher, die Ausdruck einer Vorstellungskraft sind, die psychische Inhalte als Wahrnehmungen darstellt, aber nicht die objektive Wirklich­keit des Hier-und-Jetzt abbildet. So ähnelt der halluzinative Zustand einer Traumwelt.

Halluzinationen können alle Sinnesgebiete betreffen. Es gibt:

Abgrenzung
Nicht alle Halluzinationen gelten als psychotisch. So kommen in der Einschlaf- bzw. Aufwachphase auch beim Gesunden sogenannte hypnagoge bzw. hypnopompe Halluzinationen vor. Dabei handelt es sich um optische, akustische und/oder taktile Trugwahrnehmungen traumartiger Qualität. Der Begriff hypnagog geht auf Griechisch hypno (υπνο) = Schlaf und agein (αγειν) = herbeiführen zurück. Hypnopomp ist eine analoge Wortbildung ausgehend von griechisch pompe (πομπη) = Prozession. Hypnopomp heißt also: beim Heraustreten aus dem Schlaf.
2.2. Gedankenlautwerden

Der Kranke hört, was er denkt. Aus dem Gedachten, das ursprünglich als wesenhafter Ausdruck der Ich-Aktivität empfunden wird, wird ein vom Ich Gehörtes. Zwischen dem Gedankenlautwerden und akustischen Halluzinationen gibt es Übergänge.

2.3. Ich-Störungen

Bei den Ich-Störungen handelt es sich um fehlerhafte Zuordnungen innerseelischer Erlebnisse. Innerseelische Ereignisse werden als von außen gemacht erlebt. Oder aber der Kranke geht davon aus, dass das eigene psychische Erleben unmittelbar von anderen wahrgenommen werden kann. Das betrifft sowohl Gedanken als auch Gefühle, Motive und Impulse. Zu den klassischen Ich-Störungen gehören:

2.4. Beziehungserleben

Beim Beziehungserleben bezieht der Kranke Dinge auf sich, die wahrscheinlich nichts mit ihm zu tun haben. Aus alltäglichen Ereignissen liest er Bedeutungen heraus, die angeblich ihn betreffen.

Beziehungserlebnisse werden oft feindselig gedeutet, sodass sich die Kranken verfolgt, beeinträchtigt oder abgelehnt fühlen. Damit verschwistert entwickeln sie zuweilen Vorstellungen einer besonderen persönlichen Bedeutung. Dann kann aus dem paranoiden Wahn ein Größenwahn entstehen. Man wird zwar verfolgt, aber nur, weil das zu der besonderen Aufgabe gehört, die man hat. Diese Erlebnisweisen stehen bei der wahnhaften Störung, also der Paranoia, im Vordergrund.

Vermischungen
Halluzinative und wahnhafte Erlebnisweisen können enge Verbindungen eingehen. So erlebt der Kranke beim Dermatozoenwahn (griechisch derma (δερμα) = Haut und zoon (ζωον) = Tier) taktile Halluzinationen, die er auf den Befall durch Hautparasiten zurückführt, ohne dass der Wahn, von Parasiten befallen zu sein, durch negative Untersuchungs­befunde beim Hautarzt zu korrigieren wäre.
2.5. Wahn

Zum Themenkreis des Wahns gehören die Wahnstimmung, der Wahneinfall, die Wahn­wahrnehmung und die Wahnarbeit.

Oft verliert sich der Psychotiker so ins Denken, dass er seine Gedanken mit der Wirklichkeit verwechselt. Aus der akuten Psychose kommt er nur heraus, wenn er den Unterschied zwischen Gedanke und Wirklichkeit erkennt.

Denken, vermuten und deuten

Bei der Entstehung von Psychosen spielt das Denken, Vermuten und Deuten eine große Rolle. Der Realitätsverlust des Kranken kommt nicht durch Trug­wahrnehmungen zustande, sondern durch die realitätsfernen Vermutungen, die er über seine Wahrnehmungen anstellt. Man kann durchaus Stimmen hören, ohne dass man deshalb einen Wahn entwickelt; zum Beispiel in Form eines dissoziativen Stimmenhörens oder während der Einschlaf- bzw. Aufwachphase (hypnagoge und hypnopompe Halluzinationen).

Solange der Stimmenhörer sagt: Ist ja seltsam, ich höre Stimmen, ohne dass jemand zu mir spricht, erleidet er keinen Realitätsver­lust. Der Bezug zur Realität geht erst verloren, wenn er über das wahrnehmbare Phänomen hinaus Vermutungen anstellt, die er ungeprüft für wahr hält: Die Stimmen stammen von gewissen Leuten, die mich fertigmachen wollen.

Versuche, feste Gesetzmäßigkeiten bei Wahnentwicklung und -ablauf aufzudecken, haben keine starren Abläufe belegt. Im Grundsatz können sechs Phasen benannt werden.

Phasen
  1. Trema
    unspezifische Ängste und Unruhe
  2. Apophänie
    Gefühl, dass etwas Bedeutsames bevorsteht
  3. Anastrophe
    Gefühl des Kranken, dass sich das Bedeutsame spezifisch auf ihn bezieht
  4. Apokalyptik
    Ausbruch der akut psychotischen Symptome mit turbulentem Einfluss auf das Verhalten
  5. Konsolidierung
    Chronifizierter Wahn mit nachlassendem Einfluss auf das Verhalten; gegebenenfalls doppelte Buchführung; also nach außen hin angepasstes Normalverhalten, im Verborgenen weiterhin wahnhafte Realitätsdeutung
  6. Residualzustand
    Bedeutungsverlust wahnhafter Inhalte auf eingeschränktem sozialem Funktionsniveau; sogenannte Minussymptomatik

Die beschriebenen Phasen können einander folgen. Untypische Abläufe sind aber eher die Regel.

2.6. Plus- und Minus-Symptome

Die bislang beschriebene Kernsymptomatik der Psychosen fasst man auch unter dem Begriff Plus-Symptomatik zusammen. Plus meint dabei, dass zum normalen Erleben etwas hinzukommt. Plus-Symptome treten vor allem zu Beginn der psychotischen Erkrankung auf. Verläuft die Erkrankung chronisch, lassen die Plus-Symptome im Laufe der Zeit meist nach. Stattdessen bildet sich eine Minus-Symptomatik heraus. Minus heißt hier, dass vom normalen Erleben etwas verlorengeht.

Symptome im Überblick

Typ Symptom
Plus Halluzinationen, Ich-Störungen, Wahn, Aggressivität, Fremdbeeinflussungserleben, Angst, Misstrauen, innere Unruhe
Minus sozialer Rückzug, Antriebsmangel, Verlust an Vitalität und Lebensmut, Minderwertigkeitsgefühle, Resignation, Gleich­gültigkeit, depressive Verstimmungen, Konzentrations­störungen, Interessenverlust, verminderte Belastbarkeit, Vernachlässigung der Körperpflege, Verwahrlosung

Synonym zu Plus- und Minussymptomatik wird auch von positiven und negativen Symptomen gesprochen.

Das Ausmaß der Minus-Symptomatik ist von Person zu Person verschieden. Bei der Entwicklung der Symptome spielen nicht nur biologische Faktoren eine Rolle, also Veränderungen der Botenstoffkonzentration zwischen den Hirnzellen, sondern auch soziale und psychologische. Je kreativer der Betroffene mit der Kernsymptomatik umgeht und je mehr es ihm gelingt, sich durch die Erkrankung sozial nicht ausgrenzen zu lassen, desto weniger Minus-Symptome wird er bekommen.

3. Grundformen

Die Vielfalt der Psychosen lässt sich nach Leitsymptomatik und Ursache in Gruppen unterteilen. Da es keine einheitliche Definition der Psychose gibt, ist die Zuteilung logisch nicht abgeschlossen.

3.1. Organisch / toxisch / exogen

Als organische Psychosen bezeichnet man all jene, als deren Ursache eine körperliche Veränderung nachgewiesen ist. Dieser Gruppe können auch die toxischen Psychosen zugeordnet werden, also jene, die durch Fremdsubstanzen ausgelöst werden. Bei organischen Psychosen findet man zusätzlich zu den psychotischen Kernsymptomen oft Bewusstseinstrübungen und Gedächtnisstörungen.


Organisch-toxisch Endogen
Körperliche Ursache gilt als nachgewiesen. Körperliche Ursache wird vermutet.

Organische und toxische Psychosen werden auch unter dem Sammelbegriff exogen (griechisch exo [εξω] = außen und -gen, abgeleitet von genesis [γενεσις] = Entstehung) zusammengefasst.

Bei der Epilepsie treten gehäuft schizophreniforme Psychosen auf. Man spricht auch von epileptischer Psychose, symptomatischer Schizophrenie bzw. schizophreniformer Epilepsiepsychose (Gerd Huber: Psychiatrie, Schattauer 2005).

Davon abzugrenzen sind psychopathologische Erlebnisweisen, die während psycho­motorischer epileptischer Anfälle auftreten können und unter Umständen kaum von einer endogenen Psychose zu unterscheiden sind.

Manche Formen chronischer Epilepsie können außerdem zu organisch bedingten Persönlichkeits­veränderungen führen. Dabei kann es zu einer enechetischen (griechisch enechein [ενεχειν] = festhalten) Wesensänderung kommen. Zu deren Symptomen gehört ein schwerfälliges, detailbetontes und umständliches Denken.

3.2. Endogen

Als endogene Psychosen bezeichnet man jene, als deren Hauptursache heute eine Stoffwechselstörung angenommen wird, ohne dass dies bisher eindeutig nachweisbar war. Endogen heißt dabei von innen heraus. Zu den endogenen Psychosen gehören:

  1. affektive Psychosen, die im Rahmen der Bipolaren Störung entweder als Depressionen oder Manien in Erscheinung treten.
  2. schizophrene Psychosen, deren Kernsymptomatik oben als psychotische Erlebnisweisen beschrieben ist.
  3. schizoaffektive Psychosen, bei denen sich affektive und schizophrene Symptome vermischen.

Stoffliche Einflüsse, die Psychosen verursachen


3.2.1. Transmitterstörung
Synapse

Das führende Denkmodell zur Erklärung der endogenen Psychosen geht heute davon aus, dass ursächlich eine Störung der Informationsübertragung zwischen den Nerven­zellen vorliegt. Je nach Art der Psychose scheinen unter­schiedliche Transmittersysteme betroffen zu sein. Bei den schizophrenen Psychosen wird eine Störung im Bereich dopaminerger Neurone vermutet. Das hat zur Formulierung der sogenannten Dopaminhypothese zur pathogenetischen Erklärung der Schizophrenie geführt (van Rossum, 1966).

3.3. Psychogen

Als psychogene Psychosen bezeichnet man Seelenzustände, bei denen unter dem Eindruck extremer psychologischer Spannungen eine psychotische Kernsymptomatik auftritt, ohne dass man vom Vorliegen eines endogenen Faktors ausgeht. Zu nennen sind hier psychotische Episoden als akute Reaktionen auf extreme psychologische Belastungen, die im Grundsatz bei jedem Menschen vorkommen können sowie vor­übergehende psychotische Entgleisungen bei schweren Persönlichkeitsstörungen vom Borderline-Typ.

Die Wahnhafte Störung wird ebenfalls zu den Psychosen gerechnet, obwohl sie auch als schwere Persönlichkeitsstörung aufgefasst werden könnte. Letztlich liegt der Unterschied zwischen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer Paranoia im Grad der Verbissenheit, mit der paranoide Realitätsdeutungen vom Kranken als blanke Wahrheit verteidigt werden.

4. Psychose und Sucht

Zwischen Psychose und Sucht gibt es Verbindungen. Zum einen führt jede Einnahme einer Substanz, die das Bewusst­sein verändert, zu einer künstlichen Psychose. Bekannter­maßen sind solche Zustände in der Regel flüchtig und ihre Symptomatik eher angenehm. Es ist daher stimmig, diese Zustände nicht den eigentlichen Psychosen zuzurechnen.

Bei bestimmten Menschen können aber schon geringe Men­gen von Suchtmitteln zu heftigen psychotischen Episoden führen, die mit Fug und Recht als vollgültige Psychosen zu bezeichnen sind. Zu nennen ist hier der Pathologische Rausch durch (geringe Mengen!) Alkohol, bei dem es zu Erregungszuständen und wahnhafter Realitäts­verkennung kommt. Zu nennen sind erst Recht die Auswirkungen von halluzinogenen Drogen, Amphetaminen, Kokain und Cannabis. Bei all diesen Substanzen kann es zu drogeninduzierten Psychosen mit paranoiden und schizophreniformen Symptomen kommen.

Zusammenhänge

Der fortgesetzte Konsum von Suchtmitteln kann sowohl zu Veränderungen an der Hirnsubstanz führen als auch zu einer Verlangsamung seelischer Entwicklungsprozesse. Das Zusammenspiel dieser Faktoren bedingt, dass Personen, die Suchtstoffe verwen­den ein erhöhtes Risiko eingehen, chronische Psychosen zu entwickeln. Für Menschen, die zu Psychosen neigen, ist der Verzicht auf Suchtmittel meist ratsam.

5. Belastung des Umfelds

Bei vielen psychischen Erkrankungen denkt man in erster Linie an den Leidensdruck, den solche Erkrankungen für die Betroffenen mit sich bringen. An die Belastungen des familiären Umfelds denkt man erst nachrangig. Dabei gehört die Psychose zu jenen psychischen Erkran­kungen, die auch das Leben an sich gesunder Bezugspersonen massiv überschatten können.

Erkrankungen mit hoher Belastung des Umfelds

Irrationale Verhaltensweisen, wahnhafte Realitätsdeutungen und heftige emotionale Reaktionen von Seiten des Erkrankten können das Umfeld derart belasten, dass dieses seinerseits psychiatrisch erkrankt; zum Beispiel an Anpassungsstörungen mit depressiver Symptomatik oder an Erschöpfungszuständen. Besonders bei chronisch verlaufenden Schizophrenien, aber auch bei anderen Erkrankungen, sind solche Entwicklungen zu befürchten.

Vorbeugend wäre an eine umfassende Einbeziehung des Umfelds in die Behandlungsabsprachen zwischen Patient und Arzt zu denken. Zuweilen scheitert eine solche Einbindung an den Erfordernissen der ärztlichen Schweigepflicht.

6. Behandlung

Die Behandlung der Psychosen richtet sich nach der Grunderkrankung. Im Vordergrund steht zunächst die körpermedizinische Abklärung. Findet man fassbare Auslöser, wird kausal behandelt. Man versucht, die verursachende Grunderkrankung zu beheben.

Häufig deckt die körperliche (somatische) Untersuchung aber keine fassbare Ursache auf. Man spricht dann von einer endogenen Psychose. Hier sind Psychopharmaka die thera­peutischen Mittel der ersten Wahl. Man behandelt symptomatisch. Man versucht Symptome zu beseitigen, deren Ursache man nicht kennt.

Die symptomatische Behandlung mit Psychopharmaka kommt auch bei jenen organisch bedingten Psychosen zum Einsatz, deren Ursache zwar erkannt, aber nicht behoben werden kann.

Psychotherapie spielt bei Psychosen eine nachgeordnete Rolle. Bei organischen oder toxischen Psychosen, kann nach Abklingen der Symptomatik gegebenenfalls eine Bearbeitung der irritierenden Erfahrungen sinnvoll sein. Vor allem bei drogeninduzierten Psychosen kann es durch die psychotische Symptomatik zu schweren seelischen Störungen kommen, die psychotherapeutischer Behandlung bedürfen.

Bei den endogenen Psychosen, allen voran bei der Schizophrenie, gilt der Begriff nachgeordnet in zweierlei Hinsicht:

Zwar haben viele Therapeuten versucht, die psychotischen Kernsymptome psychotherapeutisch anzugehen, ein Routineverfahren, das im medizinischen Alltag anwendbar wäre, konnte bisher aber nicht entwickelt werden. Die Psychotherapie bei endogen psychotisch Erkrankten hat daher meist nicht zum Ziel, den psychotischen Krankheitskern anzugehen. Sie dient vielmehr dazu, Anpassungsstörungen zu behandeln, die mit der Psychose in Verbindung stehen.

Trotzdem gilt

Welcher Weg nach Elberfeld der richtige ist, hängt davon ab, wo man steht. Je mehr die Psyche eines Patienten aus dem Soma entbunden ist, desto weniger ist seine Psychose somatisch. So mag es stimmen, dass Neuroleptika meist Mittel der ersten Wahl sind, manchen nützt Einsicht aber mehr.

Eine große Rolle spielt die Psychoedukation. Dazu zählt man die Aufklärung über die Hintergründe der Erkrankung, die Wirkweisen der Medikamente und Verhaltens­strategien zur Bewältigung krankheitsbedingter Beeinträchtigungen.

Therapeutische Ansätze im Überblick

soma­tisch Psy­cho­phar­maka Psy­cho­edu­kation Psy­cho­thera­pie
orga­nisch Behand­lung der Grund­erkran­kung wenn Grund­erkran­kung nicht behan­delbar ++ (+)
tox­isch Elimi­nierung des auslö­senden Giftstoffs kurz­zeitig gegebe­nen­falls Absti­nenz­motiva­tion vor allem bei verzö­gert auftre­tender Rest­sympto­matik
endo­gen Akut­behand­lung und Rück­fall­prophy­laxe ++ ++
psycho­gen kurz­zeitig ++ +++

7. Früherkennung

Besonders bei schizophrenen Psychosen kann die frühzeitige Erkennung beginnender psychotischer Verläufe wichtig sein. Im Vorfeld akuter Psychosen kommt es oft zu sogenannten Prodromalstadien (griechisch prodromos [προδρομος] = Vorläufer), auch Vorpostensyndrome genannt. Darunter versteht man Zustände mit...

Prodromale Syndrome führen zu einer Störung der kommunikativen Einbindung des Pati­enten in sein soziales Umfeld. Derartige Kommunikationsstörungen wiederum verstärken den Rückzug in ein eigenbrötlerisches Weltbild mit zunehmendem Realitätsverlust, aus dem heraus dann die akute Psychose aufkeimt.

Der frühzeitige Einsatz niedrig dosierter Antipsychotika kann solche Zuspitzungen ebenso verlangsamen oder verhindern wie soziotherapeutische Maßnahmen, die die Kommunikation des Erkrankten mit dem sozialen Umfeld aufrechterhalten. Deshalb besteht ein Interesse daran, entsprechende Syndrome frühzeitig zu erkennen.

Da die meisten Frühzeichen aber unspezifisch sind, ist eine zuverlässige Identifikation von Risikopersonen schwierig. Voreilig unspezifische Symptome als Vorläufer schwerer psychischer Erkrankungen einzustufen kann durch unangemessene Stigmatisierung kontraproduktiv sein.