Gewahrsein
Ich bin präsent.Achtsamkeit
Ich bin empfangsbereit.Aufmerksamkeit
Ich habe etwas ausgewählt.
Achtsamkeit ist eine Seinsart des Geistes. Das Verb achten geht auf die indoeuropäische Wurzel ok- = nachdenken, überlegen zurück. Dazu gehört das gotische aha = Sinn, Verstand.
Etwas zu beachten heißt, die Beschaffenheit eines Objekts, einer Person oder einer Beziehung zu berücksichtigen. Zur Überlegung, auf die die Wurzel ok- verweist, gehört eine Verzögerung von Handlungsimpulsen. Bevor der Achtsame etwas tut, überlegt er... um möglichst alle Aspekte des Wahrnehmbaren bei seinen Entscheidungen miteinzubeziehen. Der Achtsame handelt nicht kopflos. Seine Taten haben Sinn und Verstand.
Das Suffix -sam war ursprünglich ein selbständiges Wort. Es bedeutete übereinstimmend, von gleicher Beschaffenheit und ist von der indoeuropäischen Wurzel sem- = eins, in eins zusammen, einheitlich abgeleitet. Zur selben Wortfamilie gehören sammeln, samt und sanft.
Die Nachsilbe -sam betont, dass der achtsame Geist nicht nur zum Teil auf das Gegenwärtige ausgerichtet ist, sondern insgesamt. Achtsamkeit heißt, den Geist vor dem zu versammeln, was ihm gegenwärtig ist. Der unachtsame Geist versammelt sich nicht vor dem Gegenwärtigen. Er verliert sich im mäandernden Kreislauf assoziativen Denkens.
Zur Versammlung des Geistes in der Gegenwart gehört Sanftmut. Der achtsame Geist ist bereit, der Wirklichkeit friedlich zu begegnen. Er sieht sie, er lässt sie stehen oder vonstattengehen, ohne sie prompt mit Absichten zu bedrängen.
Im Alltag sind wir uns der Welt gewahr. Wir begegnen ihr wachen Geistes. Wir nehmen die Welt wahr und reagieren darauf. Diesem Dasein liegen Haltungen zugrunde, deren Einsatz die Qualität des Erlebens bestimmt. Es sind Seinsarten des Geistes. Vier Begriffe können zu ihrer Benennung verwendet werden:
Im Tiefschlaf sind wir uns weder der Welt noch unserer selbst gewahr. Tritt ein Traum auf oder erwachen wir zum Tagesbewusstsein, ändert sich das. Der Geist wird seiner Gegenwart gewahr. Im reinen Gewahrsein ist er präsent, ohne sich auf etwas Bestimmtes auszurichten. Er deutet nichts in Gegenwärtiges hinein. Er wählt nichts aus.
In der Regel bleibt es nicht lange beim bloßen Gewahrsein. Kaum sind wir erwacht, richtet sich der Geist auf Themen und Objekte aus. Er versammelt sich vor dem Gegenwärtigen. Von dort aus merkt er auf und wählt. Er wird zum Subjekt, das Objekte ins Auge fasst. Das Gewahrsein des Geistes wandelt sich zum Bewusstsein. Der Geist macht sich seine Lage klar, indem er dem Wahrgenommenen Wissen zuordnet.
Mit der Achtsamkeit geht der Geist über reines Gewahrsein hinaus. Er richtet sich auf die Elemente der Wirklichkeit aus, die ihm gegenwärtig sind. Er versammelt sich vor dem, was er wahrnehmen will. Er rückt Gegenwärtiges in den Fokus seiner Achtsamkeit.
Charlottes Achtsamkeit bedeutet, dass sie ihrem Sohn empfangsbereit gegenübersteht. Sie richtet ihren Geist von sich aus auf ihn aus und wird sich der Qualitäten ihres Sohnes gewahr. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie auch leise Signale ihres Sohnes wahrnehmen wird.
Meine Achtsamkeit bedeutet, dass ich die Erlebnisabfolge des Essens beachte; und nicht etwa darüber nachdenke, ob Charlotte am Dienstag zum Abendbrot kommt und ich Frischkäse für sie bereitstellen sollte.
Das Motiv von Charlottes Achtsamkeit entstammt ihrer Wertschätzung für den Sohn. Das Motiv meiner Achtsamkeit entstammt dem Vorsatz, dem Unscheinbaren Wert beizumessen. Beide Impulse entspringen innen. Achtsamkeit ist die Ausrichtung des Inneren auf ein Äußeres, das beachtenswert erscheint.
Als Äußeres kann auch eine innerseelische Regung gelten. Aus der Perspektive des achtsamen Zeugen beachteter Ereignisse, der das Zentrum seines Erfahrungsfeldes füllt, sind Gefühle, Impulse und Gedanken bereits peripher. Der Zeuge ist sich selbst näher, als den innerseelischen Erfahrungen, die er von dort aus erkennt.
Der achtsame Geist erkennt, ohne das Erkannte Zwecken zuzuordnen. Der Reichtum des Erkennens ist der Achtsamkeit genug.
Absehen und Hinsehen
Achtsamkeit ist eine Hinwendung zum Wirklichen, getragen von der Bereitschaft, das Wirkliche unvoreingenommen wahrzunehmen. Ein Wahrnehmungsakt kann ungestört Wahres ermitteln, wenn er davon absieht, auf die wahrgenommene Wirklichkeit einzuwirken.
Jede Absicht, etwas an der Wirklichkeit zu ändern, reicht aus, die Wahrnehmung der Wirklichkeit zu verzerren. Da wir der Wirklichkeit fast immer mit der Absicht begegnen, sie in unserem Sinne zu lenken, wird unsere Achtsamkeit fast ständig getrübt. Wir sind dann nicht mehr achtsam, sondern im besten Falle aufmerksam.
Die Trübung der Achtsamkeit durch Absichten wird aufgehoben, wenn man Absichten ihrerseits absichtsfrei erkennt.
Auch bei der Aufmerksamkeit ist das Bewusstsein auf gewählte Inhalte ausgerichtet. Dabei verfolgt es eine Absicht, die über das Motiv des Erkennens hinausgeht. Andere Aspekte der Wirklichkeit blendet es derweilen aus.
Die Inhalte des Vortrags sind meinen Zwecken dienlich. Mein berufliches Fortkommen erfordert es, dass ich die Inhalte des Vortrags kenne. Also richte ich mein Bewusstsein genau auf diese Inhalte aus. Gegebenenfalls bemerke ich nicht, dass mein Nachbar grün anläuft und tot vom Stuhl fällt.
Obwohl auch Aufmerksamkeit das Gewahrsein erkennbarer Inhalte steigert, ist sie nicht dasselbe wie Achtsamkeit. Das veranschaulichen zwei Sätze, von denen nur der erste Sinn macht.
Während Achtsamkeit ihren Ursprung im Inneren hat, wird Aufmerksamkeit durch Äußeres erregt. Im Gegensatz zur Achtsamkeit, der als innere Empfangsbereitschaft die Erkenntnis des Inhalts genügt, richtet sich Aufmerksamkeit an persönlichen Interessen aus. Mehr als Achtsamkeit bereitet sie Eingriffe vor.
Varianten modulierten Gewahrseins
Achtsamkeit | Aufmerksamkeit |
Das Subjekt überlässt sich der Erkenntnis des Objekts. | Das Subjekt informiert sich, um auf das Objekt einzuwirken. |
meditativ / rezeptiv | zielstrebig |
Aufmerksamkeit zielt über Erkenntnis hinaus. Das Ziel kann dabei vom erregenden Inhalt gesetzt sein, zum Beispiel von Lauras Wunsch, mit mir ins Kino zu gehen, oder von einem Vorsatz, den der aufmerksame Geist von sich aus hegt: Es Laura recht zu machen. Achtsam erfreue ich mich an Lauras entzückender Präsenz. Als aufmerksames Gegenüber gehe ich auf ihre Bedürfnisse ein und hoffe, sie dadurch in meinem Sinne zu beeinflussen. Dem gleichen Muster folgend kann auch Charlottes Achtsamkeit in Aufmerksamkeit übergehen, sobald sie handelnd auf ihren Sohn eingeht.
Warum sich der Geist verirren kann
Achtsamkeit, Gewahrsein und Aufmerksamkeit sind Qualitäten des Wachseins. Sie sind miteinander verwandt, gehen fließend ineinander über, überlappen und vermengen sich. Sie ermöglichen Wahrnehmung und richten den Geist auf Wahrnehmbares aus. Sie fokussieren das Hier-und-Jetzt. Im nächsten Schritt verwebt der Geist Wahrgenommenes mit Gewusstem. Er fügt Wahrgenommenem Wissen hinzu und erzeugt so das Bewusstsein.
Bewusstsein geht auf das Verb bewissen zurück. Etwas zu bewissen heißt, etwas mit Wissen versehen, ihm Wissen hinzuzufügen. Durch das Hinzufügen von Wissen, dem Bewissen des Wahrgenommenen, reichert der Geist das Bild, das er sich von der Wirklichkeit macht, mit Elementen an, die sinnlich nicht wahrnehmbar sind. Aus Wahrgenommenem wird Erkanntes.
Ich bin mir der Gestalt, die ich draußen sehe, gewahr. Das Gesehene bliebe jedoch wie ein abstraktes Gemälde von Kandinsky ästhetischer Eindruck, wüsste ich nicht, dass es sich um die Postbotin handelt.
Da das Wissen, das er dem Erkennbaren hinzufügt, aus früheren Erfahrungen stammt, färbt der bewissende Geist sein bewusstes Sein gemäß individueller Urteile ein, die er bisherigen Wirklichkeitsdeutungen entnimmt. Diese treffen mehr oder weniger zu. Deshalb kann das Bewusstsein in die Irre gehen. Achtsamkeit tut das nicht. Achtsamkeit nimmt wahr, was geschieht, ohne das Wahrgenommene zu interpretieren.
Der Begriff Bewusstsein bezeichnet zweierlei:
Bewusstsein ist ein Sein, das sich seines Seins gewahr ist. Insofern beginnt Bewusstsein mit dem ersten Selbstgewahrsein des Subjekts. Ich weiß, dass ich bin. Ausgangspunkt des Bewusstseins ist das Wissen des Subjekts, bewusst zu sein.
Worauf der Geist den Schwerpunkt legt
Modus | Reifes Muster | Unreifes Muster |
Wahrnehmen | +++ | + |
Bilder entwerfen Denken |
unterscheidet Bild und Wirklichkeit | vermengt Bild und Wirklichkeit, setzt Bild mit Wirklichkeit gleich |
Urteilen | + | +++ |
Eingreifen | angemessen | zu viel oder zu wenig |
Angemessen ist ein Eingriff in die Wirklichkeit, wenn er nicht vom Geltungsbedürfnis des Egos bestimmt wird. Das Ego vertritt die Interessen der Person. Dazu versucht es, sich eine Bedeutung zu verschaffen, die ihm objektiv nicht zukommt. Seine Eingriffe in die Wirklichkeit verfehlen daher oft das Maß. Es neigt vor allem dazu, seinen Einflussbereich auf das Territorium anderer Personen auszuweiten und über diese zu bestimmen.
Das Bewusstsein hat vier Möglichkeiten: Es kann wahrnehmen, denken, urteilen oder eingreifen. Dabei ist eine logische Reihenfolge anzunehmen: Erst wird wahrgenommen, dann gedacht, als Folge davon geurteilt und schließlich eingegriffen. Ein großer Teil des seelischen Leids entsteht aus dem Missverhältnis, der falschen Reihenfolge und der Verwechslung dieser Möglichkeiten.
Gewahrsein ist Grundbedingung des Wahrnehmens. Mit dem Gewahrsein von Welt setzt Wahrnehmung ein. Wahrnehmung stellt Wahres umso leichter fest je weniger sich das Bewusstsein durch nachgeordnete Tätigkeiten aus der Position der Achtsamkeit entfernt. Nachgeordnet sind Denken, Urteilen und Eingreifen.
Nachdem es wahrgenommen hat, ergreift das Bewusstsein ein zweites Mittel: Dank seiner Phantasie kann es aus Bruchstücken Bilder und Konzepte entwerfen. Es denkt. Das Denken dient den verschiedenen Zwecken des Verstandes:
Es kann als Vermutung Lücken zwischen tatsächlich Erkanntem füllen und sich damit als Hypothese in der Wirklichkeit nach vorne tasten. So ergänzt es sein Weltbild.
Es kann eine Gegenwirklichkeit herbeiträumen, durch die es der Realität aus dem Wege geht. So verliert es die Wirklichkeit aus dem Auge und sich selbst in Vorstellungsbilder.
Es kann künftige Ereignisse als gelenkte Simulation vorwegnehmen und dabei geplante Handlungsabläufe und Kommunikationsepisoden probeweise durchspielen.
Es kann abgelaufene Erlebnisse auf Fehlentscheidungen und verpasste Möglichkeiten hin untersuchen.
Urteile sind notwendige Werkzeuge des Geistes. Ohne Urteile könnten wir nicht leben. Urteilen gehen meist Wahrnehmungen und Denkprozesse voraus. Ein Teil des Wirklichen wird wahrgenommen. Danach wird darüber nachgedacht, wie das Wahrgenommene einzuordnen und zu deuten ist. Zweck oder Folge des Urteils ist es dann, die Wahrnehmung weiterer Aspekte des Wirklichen ebenso zu unterbinden, wie den Entwurf zusätzlicher Konzepte; damit man schließlich zu einer Entscheidung kommt.
Wir sehen einen Knollenblätterpilz. Wir nehmen seine Form und Farbe, seinen Geruch und seinen Standort wahr. Die Bestimmung des Pilzes als giftig ist keine Wahrnehmung mehr; zumindest, wenn wir nicht so dumm sind, ihn zu essen. Sie ist Folge eines Denkprozesses und schließlich eines Urteils. Wir fällen es nach dem Vergleich der wahrgenommenen Aspekte des konkreten Pilzes mit Gedächtnisinhalten. Erwin hatte mir einmal erzählt, dass es seiner Tante Hedwig nach dem Genuss eines solchen Pilzes übel erging.
Hier wird der Nutzen des Urteilens offensichtlich. Da Urteile aber den Zufluss an Informationen begrenzen, sind sie oft schädlich. Jedes Urteil vermindert die Achtsamkeit. Wer geurteilt hat, achtet nicht mehr auf die Wirklichkeit. Er orientiert sich an einem Weltbild, das Resultat seiner Urteile ist.
Teufelskreis
Je mehr ich der Angst folge, desto schneller urteile ich. Je schneller ich urteile, desto weniger lerne ich dazu. Je weniger ich dazu lerne, desto weniger weiß ich. Je weniger ich weiß, desto mehr Grund habe ich, mich zu fürchten. Urteile schützen und engen ein.
Gewiss: Grüne Dinger am Teichrand sind fast immer Lurche. Fast nie sind es oxidierte Kupfermünzen. Dieses Urteil kann nur wenig schaden, selbst wenn es nicht zuträfe.
Aber: Als Kind wurde ich auf einer Feier ausgelacht. Danach war mir klar, dass Feste nichts für mich sind. Das unangenehme Erlebnis war wahrnehmbar. Das gefasste Urteil dient dem Schutz vor weiterem Ungemach. Es beschränkt aber die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen.
Indem wir handeln, greifen wir in den Lauf der Dinge ein. Mit unseren Eingriffen versuchen wir, die Abläufe im eigenen Interesse zu steuern. Was wir jeweils für unser Interesse halten, hängt von unserem Weltbild ab.
Unser Weltbild ist ein Gewebe aus erkannter Wahrheit und vorläufigen Annahmen. Je näher das Weltbild der Wirklichkeit kommt, desto sinnvoller können Eingriffe in die Wirklichkeit sein. Unsere Handlungen sind umso effektiver, je besser wir vor und nach dem Eingriff auf die beeinflusste Wirklichkeit achten.
Erfolg fällt im Leben kaum jemandem zu, der vom Leben nichts weiß. Das Glück hilft dem, der kluge Entscheidungen trifft. Man meistert das Leben, indem man zielführend eingreift.
Erfolgreiche Eingriffe ins Leben sind Resultat eines geistigen Prozesses in vier Schritten. Man nimmt erst wahr. Dann denkt man nach, urteilt und greift ein. Am Beginn des Prozesses steht Achtsamkeit. Achtsamkeit ist die aktive Bereitschaft, Wahres als Ausgangspunkt der nächsten Schritte anzunehmen. Je mehr Wahres sie entdeckt, desto eher fußt die gedankliche Deutung auf Tatsachen. Je mehr Tatsachen das Denken berücksichtigt, desto weniger spekuliert es ins Blaue. Je weniger es spekuliert und stattdessen Erkanntes kombiniert, desto klüger sind seine Urteile. Je klüger Urteile werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Eingriffe, die man durchführt, erfolgreich sind.
Das Leben findet in der Wirklichkeit statt. Beim Umschiffen der Klippen dieser Wirklichkeit hat die ungetrübte Kenntnis ihrer Strukturen Gewicht. Unser feinstes Mittel zur Erkenntnis - absichtsfreies Gewahrsein dessen, was tatsächlich ist - wird nur wenig geschult. Außerdem wird die Funktion der Achtsamkeit durch den unangemessenen Einsatz der übrigen Möglichkeiten des Bewusstseins gestört.
Statt achtsam auf Erkennbares zu achten, übernehmen wir ungeprüft Meinungen des Umfelds.
Wir bilden uns ein, die Dinge so gut zu kennen, dass sich ihre weitere Beachtung erübrigt.
Durch vorschnelle Urteile brechen wir Erkenntnisprozesse ab.
Durch übereiltes Handeln pfuschen wir an den Dingen herum, bevor wir sie verstanden haben.
Aus Angst vermeiden wir Erlebnisse, die uns Erkenntnisse vermitteln könnten.
Sobald wir uns ins Denken verlieren, verwechseln wir das Denken mit der Wirklichkeit. Wir reagieren nicht mehr auf das, was ist, sondern auf Bilder im Kopf.
Reine Achtsamkeit ist absichtsfrei. Sie fußt auf der Bereitschaft, sich uneingeschränkt von der Wirklichkeit erreichen zu lassen. Meist verfolgen wir jedoch diese oder jene Absicht. Wir sind nicht achtsam, sondern bestenfalls aufmerksam.
Aufmerksamkeit kann nach außen oder nach innen gerichtet werden. Richten wir sie nach außen, halten wir dort Ausschau nach Vor- und Nachteilen oder wir versuchen, uns durch Anpassung an die Erwartungen anderer beliebt zu machen. Vieles, was in der Welt zu entdecken ist, übersehen wir dabei.
Richten wir die Aufmerksamkeit nach innen, bündeln wir sie in der Regel auf den ständigen Denkprozess, von dem unser Ego glaubt, dass er den Kern unseres Wesens ausmacht. Wir glauben, dass jenseits des Denkens nichts Wichtiges zu entdecken ist oder fürchten, gerade das zu entdecken, was unsere Anpassung an die Außenwelt stören könnte. Die meiste Zeit sind wir im Horizont dieser Denkprozesse gefangen.
Wenn sich die Aufmerksamkeit vom Denken löst und sich in eine Achtsamkeit erweitert, die sich von tieferen Schichten erreichen lässt, entdecken wir neue Erlebnisweisen. Jenseits der Gefühle und Impulse kann Achtsamkeit sich selbst als Gegenwart entdecken. Dann ist sie ihrer selbst gewahr.
Gestern hatte ich einen guten Tag, aber die Wochen davor waren schlecht. Wie oft hört, denkt oder sagt man Ähnliches? Wir neigen dazu, Lebensabschnitte nach ihrer Qualität zu bewerten. Als Maßstab dient uns dabei das Wohlgefühl oder die Menge äußerer Ereignisse, die wir für begrüßenswert halten. Solcherlei Maßstäbe kosten Lebensqualität.
Tatsächlich hängt der Wert einer Zeitspanne kaum von den Ereignissen ab, sondern vom Grad der Achtsamkeit, mit der man dem Erlebten begegnet. Gemeint ist dabei der genutzte Wert. Der nutzbare Wert eines jeden Tages ist so groß wie der eines jeden anderen. Je achtsamer man lebt, desto eher wird man auch schwierige Lebensabschnitte als fruchtbar erkennen. Daraus entsteht eine Lebensbejahung, die von den Wechselfällen der Stimmungen und Ereignisse unabhängig ist.
Nach den glücklichen Tagen mit Daniela ist Torben am Samstag allein. Die Zeit, die er für sich allein ist, beachtet er kaum. Er versucht, sie totzuschlagen und lenkt sich mit der Playstation ab. Verschwendung!
Wenn es Ihnen schlecht geht, hat das Bewusstsein Gelegenheit, etwas Gutes für Sie zu tun. Schenken sie dem, was Sie erleben Beachtung; selbst wenn es Ihnen öde, leer oder leidvoll erscheint. Warten Sie nicht ab, dass sich die Zeiten bessern. Erfahren Sie jederzeit Gutes; indem Sie erfahren, was in schwerer Zeit zu erfahren ist.