Diesseits ist Unterschiedliches erkennbar, jenseits dasselbe zu sich selbst vereint.
Der Begriff Subjekt geht auf zwei lateinische Wörter zurück: sub = unter und iacere = werfen. Er wurde vom lateinischen subjectum ins Deutsche übernommen. Unter dem subjectum verstand der Römer den Sachverhalt, der einer Aussage zugrunde liegt. War das lateinische subjectum zunächst ein rein sprachwissenschaftlicher Begriff, wurde seine Bedeutung von der Erkenntnistheorie näher bestimmt.
Im Satz Das Haus steht da ist die Position des Hauses der Sachverhalt, über den eine Aussage gemacht wird. Der Satz unterstellt, dass das Haus etwas tut: nämlich dazustehen. Das Haus gilt im Satz als Subjekt, dem eine Handlung zugeschrieben wird. Es ist jedoch klar, dass das Haus nichts tut. Sein Dastehen ist keine Tätigkeit, sondern das Faktum der lokalisierten Existenz eines Objekts. Dabei zeigt auch der Begriff Faktum (lateinisch das Gemachte) an, dass das Dastehen keine Handlung ist, sondern eine passive Folge von Ursachen.
Ein echtes Subjekt ist im Gegensatz dazu das, was wahrhaft tätig sein kann. Ein Subjekt kann stehen, gehen, essen, erkennen, glauben, meinen oder sich fragen, was es selbst ist. Dabei kommt dem Erkennen die entscheidende Bedeutung zu. Alles, was erkennen kann, ist Subjekt; egal ob es zusätzlich steht, isst, geht, glaubt oder meint. Das Wesen des Subjekts ist es, eines Sachverhalts gewahr sein und aufgrund des Gewahrseins entscheiden zu können.
Als erkennende Subjekte haben wir nun erkannt, dass das Erkennen die wesensbegründende Tätigkeit des Subjekts ist. Das Subjekt ist das Erkennende. Objekte sind von ihm erkannte Aspekte (lateinisch aspicere = hinsehen) der Wirklichkeit. Die Fähigkeit, etwas zu erkennen, ist für das Subjekt grundlegend.
Im Begriff Objekt wird das Verb iacere mit dem Präfix ob- = gegenüber, entgegen verbunden. Ein Objekt ist, was dem erkennenden Subjekt entgegengeworfen ist und damit vor ihm zu liegen kommt. Die Eigenschaft, erkannt werden zu können, ist für Objekte grundlegend. Was nicht erkannt werden kann, ist kein Objekt. Es steht dem Subjekt nicht gegenüber. Dabei begründen das Erkannte, das Erkennende und sein Erkennen eine zusammenhängende Gestalt.
Die Sprache hat das Verb subicere bzw. subiacere = darunterwerfen zum Stammvater des Subjekts gewählt. Das Subjekt, so haben wir gesehen, ist nicht nur unterworfen. Es liegt zugleich zugrunde und ist infolgedessen das Bestimmende. Damit hat die Sprache Erkenntnisse gebahnt, die das Wesen des Subjekts verständlicher machen. Dazu sind zwei weitere Begriffe einzuführen:
Fragt ein Erkennender Wer ist das erkennende Subjekt? erkennt er prompt, dass er selbst es ist. Das Subjekt ist das Selbst. Schaut der Erkennende tiefer in sein Wesen, stößt er dort auf zwei Ebenen seiner selbst, die sich voneinander unterscheiden und zugleich miteinander zusammenhängen.
Den beiden Ebenen des Selbst können nun die ursprünglichen Bedeutungen des lateinischen sub-iacere zugeordnet werden.
Analog zu den Begriffen absolutes und relatives Selbst kann im nächsten Schritt von einem absoluten und einem relativen Subjekt gesprochen werden. Da das relative Subjekt erkennbar ist, hat es Objektcharakter. Es nimmt als Objekt am Spiel aller übrigen Objekte teil und ist deren Wirkkräften somit unterworfen. Die Sprache sagt: Die Inhalte des relativen Selbst sind subjektiv. Sie meint damit, dass die Inhalte nicht allgemeingültig, sondern abhängig vom Standpunkt des Betrachters sind. Die Inhalte des relativen Selbst sind Betrachtungsweisen.
Das absolute Subjekt ist nicht betrachtbar und damit nicht subjektiv im Sinne einer bloßen Betrachtungsweise. Ihm kommt es zu, nicht unterworfen, sondern grundlegend zu sein. Das Grundlegende hängt von keinen Bedingungen ab. Was von keinen Bedingungen abhängt, ist frei.
Vielleicht ist die Subjektivität des Einzelnen nur eine Eigenschaft seiner materiellen Struktur. Dann wäre das Bewusstsein nur Funktion einer komplizierten Sache, die sich die Interessen ihrer abgegrenzten Existenz symbolisch in ein Ich verdichtet, dem nichts Eigenständiges, also kein tatsächliches Subjekt entspräche. Ist es so, ist der Glaube an die Existenz echter Subjektivität ein Trugschluss, hinter dem sich ein Mechanismus verbirgt, der bloß noch nicht verstanden ist. Sollte sich Subjektivität als Mechanismus erweisen, werden wirklich und unwirklich nicht mehr zu unterscheiden sein.
Die weitere Untersuchung setzt voraus, dass Subjektivität mehr als eine Eigenschaft eines unverstandenen Mechanismus ist. Sie betrachtet sie nicht als Illusion, sondern als Kategorie der Wirklichkeit. Ist sie das, kann sie zwar an verschiedener Stelle erscheinen, ihre Essenz kann aber nur ein einziges Subjekt sein; denn gäbe es mehrere, wären die vermeintlichen Subjekte für einander Objekt. Gibt es echte Subjektivität tatsächlich, ist sie folglich unteilbar und damit unabgrenzbar. Wenn sie zum Wesen des Menschen gehört, muss, was subjektiv an ihm ist, wesensgleich mit allem sein, dem ebenfalls Subjektivität zukommt. Subjektivität beginnt weder mit der Geburt, noch endet sie mit dem Tod. Sie begegnet in jedem Gegenüber sich selbst.
Psychische Störungen betreffen immer das Subjekt. Erst das gibt ihnen Bedeutung. Es ist das Subjekt, das handelt, erlebt und leidet. Das Verständnis der Subjektivität ist daher Zielpunkt jeder heilenden Erkenntnis.
Da Subjektivität begrifflich nicht abschließend definiert werden kann, beleuchtet jede Betrachtung immer nur Aspekte. Jede Beschreibung mündet vor Erreichen des Ziels in sprachliche Paradoxien.
Paradoxie
Die Aussage, das absolute Subjekt stehe über den Objekten, ist eine sprachliche Paradoxie. Sie mag aus der Perspektive relativer Subjekte gelten, die sich abgespalten sehen. Das absolute Subjekt geht über den Gegensatz von über und unter hinaus. Es steht somit über dem Gegensatz, nicht über den Objekten. Über dem Objekt zu stehen, ist keine Eigenschaft des absoluten Subjekts, sondern eine Möglichkeit, die ihm offensteht. Selbst wenn es sie wählt, ist das Objekt aber nichts Abgespaltenes unter ihm, sondern Ausdruck seiner Wahl.
Vorgaben
Der Begriff Welt setzt sich aus zwei Teilen zusammen: We- und -lt. Der erste entstammt dem germanischen Begriff Wer = Mann, Mensch. Der zweite geht auf das lateinische alere = nähren, großziehen zurück. Eigentlich bedeutet Welt Menschen-Ernährerin oder poetisch formuliert Menschenmutter. Die Welt ist der Raum der Wirklichkeit, in dem sich Menschsein entwickelt.
Im Gegensatz zum Begriff setzt sich die Welt nicht aus Teilen zusammen. Sie fällt in Aspekte auseinander. Die Wirklichkeit ist kein Zusammentreffen eigenständiger Elemente. Sie ist eine Einheit, deren Wesen sich in einem vernetzten Gefüge von Feldern Ausdruck verschafft.
Subjektivität ist der Kern unseres Wesens. Sie ist es, was unser Menschsein bestimmt. Als Individuen identifizieren wir uns mit unterschiedlichen Formen. Wir versuchen, objektiv etwas zu sein. Da Formen jedoch die Unendlichkeit in uns verfehlen, leiden wir an der Gleichsetzung mit dem jeweiligen Etwas. Die Verwechslung unseres subjektiven Wesens mit einem objektiven Etwas spaltet unser Weltbild in radikale Gegensätze. Wer glaubt, dies oder das zu sein, verkürzt den Blick auf sich selbst. Wer glaubt, etwas Bestimmtes zu sein und nicht das Bestimmende, begegnet dem, dem er unterworfen ist und übersieht, dass sein eigentliches Wesen alles übersteigt.
Wenn Begriffe wie Welt, Mensch und Wirklichkeit in einem Atemzug genannt werden, ist klar, dass es um eine ganzheitliche Betrachtung geht. Das individuelle Erleben wird nicht als bloß inner-psychisches oder psychosoziales Phänomen betrachtet, sondern als Teilaspekt einer zusammenhängenden Wirklichkeit.
Wirklichkeit wird hier als das umfassende Ganze aller Sachen und wirkenden Kräfte verstanden. Sie umfasst somit die Welt, die Realität sowie die seelische Dimension, in der sich das bewusste Erleben des Einzelnen abspielt. Die Wirklichkeit beinhaltet jedoch mehr als das. Während Welt, Realität und das psychische Erleben aus unterscheidbaren Phänomenen besteht, ist Wirklichkeit zugleich das Prinzip, dem alles Bewirkte entspringt.
Das Wesen der Subjektivität ist schwer zu verstehen. Zunächst gilt: Das Subjekt erkennt Objekte. Das Subjekt ist das Erkennende. Die Objekte sind das Erkannte. Objekt ist, was erkannt werden kann. Wäre das Subjekt erkennbar, wäre es kein Subjekt mehr, sondern ebenfalls Objekt. Will man verstehen, was Subjektivität ist, muss man daher den Umweg über die Objekte machen. Erst wenn man ausschließt, was Subjektivität nicht sein kann, nähert man sich dem, was sie sein könnte.
Es gibt verschiedene Objekte. Materielle Objekte bestehen aus einer begrenzten Menge an Substanz (lateinisch substare = darunterstehen).
Materie geht auf lateinisch mater = Mutter zurück. Damit war ursprünglich der Teil des Baums gemeint, der die übrigen Teile nährt und hervorbringt. So gedacht ist Materie das, was das Geistige hervorbringt. Der Begriff spiegelt den naturwissenschaftlichen Ansatz des Denkens wider.
Objekte haben ein Innen und ein Außen. Ihre Position ist durch Koordinaten in der Raumzeit festgelegt. Durch die Substanzen, aus denen sie bestehen, und durch deren Menge, kommen ihnen weitere Eigenschaften zu, die sie über die geometrische Form hinaus bestimmen. Physikalische Eigenschaften, raumzeitliche Position und geometrische Form bilden zusammen eine Gestalt. Diese Gestalt ist zu jedem Zeitpunkt so wie sie ist, und nicht anders. Materielle Objekte stehen in der Raumzeit miteinander in Beziehung. Sie begegnen sich über ihre jeweiligen Grenzen hinweg. Der Zeitpunkt, zu dem sie sich begegnen, heißt Gegenwart.
Unterschiede im Überblick
Objekte | Subjekt |
Differenz Unterscheidbarkeit |
Kohärenz Verbundenheit |
Lokalisierbar Materielle Objekte sind räumlich und zeitlich lokalisierbar, virtuelle bloß zeitlich. |
Nicht lokalisierbar |
Sinnlich oder mental erkennbar | Potenziell erfahrbar; wenn es sich seiner Identifikation mit Objektivem entledigt. |
erkennbar | erfahrbar |
Objektives ist als Abgetrenntes erkennbar. | Das Subjekt ist als Zusammenhang erfahrbar. |
Liebe ist Ausdruck der Kohärenz des Subjekts. Das Subjekt erfährt sich als unauflösliche Verbundenheit.
Virtuelle Objekte sind Zwitter. Sie haben weder eine geometrische Form noch bestehen sie aus materieller Substanz. Ihre Position ist zwar zeitlich festgelegt, nicht aber im physikalischen Raum. Zu den virtuellen Objekten zählen Gefühle und Gedanken. Obwohl virtuelle Objekte weder materielle Substanz noch eine geometrische Form haben, sind sie objektiv. Die wesentliche Eigenschaft des Objektiven ist ihnen zu eigen: Sie haben Eigenschaften. Sie sind erkennbar und begrenzt.
Über das Verhalten stehen Gefühle mit der Umwelt in Beziehung. Sie haben spezifische Wirkungen, die sich voneinander unterscheiden. Im Bewusstsein begegnen Gefühle dem, was sie selbst nicht sind: Gedanken, geistigen Bildern, erinnerten Szenen. Dabei stehen Gedanken und Gefühle nicht nur nebeneinander. Sie wirken wechselseitig aufeinander ein.
Auch Gedanken, geistige Bilder und Erinnerungen können als virtuelle Objekte aufgefasst werden. Wie jedes echte Objekt sind sie erkennbar. Darüber hinaus sind sie unterscheidbar und definiert. Der Begriff definiert enthält das lateinische finis = Grenze. De-finiert heißt somit abgegrenzt.
Der Gedanke Ich esse ein Brot unterscheidet sich vom Gedanken E = mc². Er schließt diesen nicht ein. Die Vorstellung einer Sommerwiese ist erkennbar anders als die Erinnerung an Prügel in der Schule.
Zwischen materiellen und virtuellen Objekten gibt es Unterschiede. Materielle Objekte sind grundsätzlich für alle erkennbar. Virtuelle Objekte sind es nicht. Virtuelle Objekte sind nur dem zugänglich, in dessen Bewusstseinsfeld sie auftauchen. Sie sind somit auch subjektiv. Ihre Subjektivität besteht jedoch nicht darin, dass sie weniger existent als materielle Objekte wären; also "bloß" subjektiv. Sie besteht vielmehr darin, dass sie für andere nicht unmittelbar erkennbar sind.
Nicht nur die virtuellen Objekte sind offensichtlich Zwitter. Der Mensch selbst ist ein Zwitter. Es kommt ihm Subjektivität und Objekthaftigkeit zu. Er ist Objekt, weil etwas von ihm erkennbar ist. Seine Subjektivität liegt darin, dass er etwas erkennt. Die Subjektivität des Menschen geht über die der virtuellen Objekte hinaus. Während virtuelle Objekte für das Individuum erkennbar sind, bleibt sein subjektiver Pol auch ihm selbst verborgen.
Verlustreiche Vergleiche
Meist betrachtet man sich als einen Gegenstand, dem Eigenschaften zukommen, die man mit anderen Eigenschaften vergleichen könnte. Als ein solches Personen-Objekt vergleicht man sich mit der Vorgabe, wie man sein sollte (dem Ich-Ideal) und mit dem, wie andere sind.
Die Sprache weist uns auf den Schaden hin, der durch derlei Vergleiche entsteht. Im Vergleich finden wir den gleichen Wortstamm wieder, der auch zum Wort Leiche führt: das germanische lika = Körper.
Nur wenn man sich nicht mehr als Objekt betrachtet, sondern als reines Subjekt, das weder durch Ort, Zeit noch Eigenschaft zu beschreiben ist, lässt man alles lebendig, was lebt.
Im üblichen Sprachgebrauch stellen wir das Objekt dem Subjekt gegenüber. Das ist problematisch. Das Wort Subjekt ist eine Personifizierung der Subjektivität. Es verführt dazu, uns den erkennenden Pol der Wirklichkeit als Person vorzustellen und damit als abgegrenzte Einheit, die ähnlich konstruierten Einheiten begegnet. Da es aber keine zwei Subjektivitäten nebeneinander geben kann, müssen wir uns beim Gebrauch des Wortes Subjekt grundlegender Dinge bewusst sein:
Der Mensch kann nicht als Einheit gedacht werden, deren Inneres durch eine geschlossene Grenze gegenüber der Außenwelt abgekapselt ist.
Personen, die wie wir die Raumzeit bevölkern (relative Subjekte), bestehen aus einem objektiven und einem subjektiven Pol. Die Person (etruskisch phersu = Maske) ist eine objektive Grenze, durch die der Mensch der Welt begegnet. Sie schützt und verbirgt das Subjekt, das ihr zugrunde liegt. Objektiv sind wir materielle Strukturen, denen eine virtuelle Dimension zugeordnet ist, die als individuelle Psyche und Charakter ebenfalls objektive Eigenschaften hat. Die objektiven Pole relativer Subjekte sind gegeneinander abgegrenzt und begegnen einander. Der subjektive Pol bildet keine Grenze. Er verbindet relative Subjekte zu einer Einheit, die als absolutes Subjekt gedacht werden kann.
Wenn wir den erkennenden Pol der Wirklichkeit als absolutes Subjekt betrachten, muss uns klar sein, dass es der Wirklichkeit nicht gegenübersteht, so als sei es dort und die Wirklichkeit da. Das absolute Subjekt ist die Wirklichkeit selbst, die als Vielfalt des Verwirklichten und damit des objektiv Erkennbaren erscheint. Das absolute Subjekt bestimmt das Erkennbare, indem es formt, was es erkennen kann. Analog zum Begriff Er-bauen ist sein Er-kennen Zuweisung von Wirklichkeit an Erkanntes.
Subjektivität befindet sich nicht in der Raumzeit, als sei sie von ihr umschlossen. Wenn die Raumzeit eine Grenze hat, reicht das absolute Subjekt darüber hinaus.
Da der Wesenskern des relativen Subjekts mit dem des absoluten zusammenfällt, sind auch wir, die Personen des Diesseits eigentlich weder dies noch das. Wir sind weder Mann noch Frau, weder Mensch noch Tier. Wir sind weder Bewusstsein noch Bewusstlosigkeit. Die Form, als die wir uns jeweils sehen, ist Zufall. Dass wir in allen Formen enthalten sind, ist notwendig.
Wenn wir dem absoluten Subjekt ein Wissen seiner Wirklichkeit unterstellen, sollten wir die Art dieses Wissens nicht mit der Art unseres Wissens gleichsetzen.
Unser Wissen ist Ausschnitt und Extrakt. Es steht als Bild stellvertretend für die Wirklichkeit, von der es Teile erfasst. Es ist repräsentativ.
Das Wissen des absoluten Subjekts ist dagegen konstruktiv. Es repräsentiert nicht nur die Wirklichkeit, indem es Bilder davon macht. Es verwirklicht sie, indem es sie weiß. Im absoluten Subjekt sind Sein und Erkennen eins. Sein Verstehen des Gegenstands ist das Sein des verstandenen Gegenstands. Sein Verstehen ist ein Dastehen als verstandener Gegenstand.
Unterschiede
Zu unterscheiden sind Gewahrsein und Bewusstsein.
Im Gewahrsein ist dem Subjekt Verwirklichtes gegenwärtig.
Das Gewahrsein ist reines Erkennen. Das Bewusstsein ist eingefärbt. Es kann nur dann ungetrübt erkennen, wenn dem zugefügten Wissen Wahrheit und nicht Deutung entspricht.
Das Verständnis des komplexen Verhältnisses zwischen Subjekt und Objekt kann durch eine Analogie aus der Naturwissenschaft gefestigt werden: dem Welle-Teilchen-Dualismus der Quantenphysik. Zu verstehen, dass Objekte der Quantenphysik sowohl als Teilchen als auch als Wellen aufzufassen sind, ist den Physikern nicht leichtgefallen. Uns Laien ergeht es nicht anders. Trotzdem deutet alles darauf hin, dass die Theorie der Wirklichkeit entspricht. Objekte werden nicht nur wahrgenommen. Ihre Eigenschaften werden durch Wahrnehmung mitbestimmt.
Auch der Mensch ist Ausdruck einer analogen Dualität. Als Person ist er Partikel. Als Partikel ist er erkennbar und damit Objekt. Seine Erscheinung als Partikel bringt aber nicht sein ganzes Wesen zum Ausdruck. Komplementär zu seinem Status als Person ist er zugleich deren Subjekt. Während er als Person in der Welt dualistischer Strukturen steht, steht er als Subjekt auch darüber und ist in die absolute Einheit verschränkt.
Kaum haben wir ein paar Gedanken über das Wesen des Subjekts formuliert, schon sind sie Zielscheiben des Zweifels. Da heißt es einerseits, Subjektivität sei form- und grenzenlos. Wie will man dann aber ausschließen, was sie nicht sein kann? Jeder Ausschluss ist doch eine Grenze!
Da heißt es außerdem: Wenn man ausschließt, was Subjektivität nicht sein kann, nähert man sich dem, was sie sein könnte. Ist es nicht absurd, das Grenzenlose als einen Rest zu definieren?
Das Problem, das in diesen Widersprüchen auftaucht, weist auf das besondere Wesen des Subjektiven hin. Nicht nur dann, wenn Begriffe und Formulierungen plausibel erscheinen, können wir etwas von seinem Wesen verstehen. Auch im Widerspruch gegen die Logik der Sprache taucht es auf. Die Unbegrenztheit des Subjektiven entzieht sich dem Versuch, sie mit Begriffen zu umgreifen. Man kann sie nicht durch Formulierungen, also Formbildungen, eingrenzen. Immerhin: Die Widersprüche, zu denen sie unser Denken verurteilt, sind ein Indiz dafür, dass wir beim Kampf um das rechte Verständnis der Subjektivität die richtige Burg umzingelt haben. Nur ein Gegner, der uns wirklich überlegen ist, kann unseren Verstand derart foppen.
Sobald wir uns mit dem Wesen der Subjektivität befassen, haben wir mit unserer Sprache ein Problem. Das hängt mit dem Platz zusammen, der uns in der Wirklichkeit zukommt. Wir betrachten die Welt nicht aus ihrem Zentrum heraus. Wir betrachten sie von irgendwoher. Da die Welt von dort aus unzusammenhängend erscheint, hat sich der Geist darauf spezialisiert, passende Teile zu sortieren. Der Geist in der Zerstreuung sucht die Einheit aus der er stammt. Der Verstand des Zerstreuten hat eine Vorliebe für das, was zusammenpasst. Er bevorzugt Integration, Harmonie und Logik. Vor Asymmetrie und Absurdität schreckt er zurück. Die Wirklichkeit passt aber nicht nur zusammen. Sie drückt sich auch in dem aus, was auseinanderfällt. Zusammengehörigkeit umfasst auch, was sich radikal widerspricht. Jeder Begriff zerbricht, sobald er nach der Wirklichkeit greift.
Ein Blick auf das, womit unser Geist jenseits dieser Alltagslogik umgeht, gewährt uns der Traum. Im Traum ist der Verstand vom Korsett der Sinne und deren oberflächlicher Betrachtung befreit. Im Traum nähern wir uns der Subjektivität, zu deren Zentrum hin das Vorurteil der Logik schwächer wird. Im absoluten Subjekt fehlt das Gefälle, das alles Wasser zum Ozean fließen lässt. Dort fließt Wasser auch bergauf. Aus seiner Sicht stehen Integration, Harmonie und Logik gleichberechtigt neben Zerfall, Asymmetrie und Absurdität. Das absolute Subjekt selbst ist eine Harmonie, die die Widersprüche der dualistischen Realität in sich vereint. Es sollte uns daher klar sein, dass die benutzten Begriffe in Richtung einer Wirklichkeit weisen, die die Begriffe umfasst; aber nicht umgekehrt.
Wir haben gesehen, dass es nur ein absolutes Subjekt geben kann. Gäbe es mehrere, wären es Objekte. Wenn das Subjekt aber kein Objekt ist, kann es nicht nur außerhalb der Objekte sein. Es stieße dann an deren Grenze. Also erstreckt sich das Subjekt in die Objekte hinein, ohne vom Objekt selbst begrenzt zu sein.
Zur Gestalt des Objekts gehört nicht nur seine Erkennbarkeit, sondern ebenso Form, Position und Begrenzung. Objekte können ineinander liegen, so wie verschieden große Puppen einer russischen Babuschka. Die einzelnen Puppen unterscheiden sich durch ihre Größe. Objekte unterscheiden sich überhaupt. Es kann zwar sein, dass sich zwei Objekte überlappen, sodass das eine Teil des anderen ist, zwei Objekte, die in allen Qualitäten gleich sind, sind in Wirklichkeit jedoch nur eins.
Das Subjekt erstreckt sich in die Objekte hinein. Das ist nicht so zu verstehen wie bei den russischen Puppen. Das Subjekt befindet sich nicht im Objekt als sei das ein Hohlraum und als verlasse es den Hohlraum bei Gelegenheit. Das Objekt ist vielmehr Ausdruck einer Subjektivität, die solange als sein eigentliches Wesen in ihm enthalten ist, bis das Objekt zerfällt. Vor der Existenz des Objekts, während seiner Existenz und danach ist das Subjekt, das sich als Objekt Ausdruck verschafft, vollständig. Die Begrenztheit des Objekts ist keine Begrenzung des Subjekts. Sie gehört zu den Möglichkeiten seines Ausdrucks. Jenseits des Subjekts gibt es keine Objekte.
Das Subjekt manifestiert sich als Objekt. Wäre es nicht in der Lage, sich als begrenztes Objekt Ausdruck zu verschaffen, wäre es kein Subjekt. In jedem Objekt verwirklicht es eine seiner Möglichkeiten. Indem es Formen zusammenbringt, ermöglicht es Formen einander zu begegnen. Durch die Begegnung der Formen entstehen komplexe Gestalten, die aus mehreren Objekten und deren Beziehungen zueinander bestehen. Auch diese Gestalten sind Objekte.
Der gemeinsame Inhalt aller Formen bleibt formlos. Abgesehen vom Subjekt ist alles leer. Objekte haben kein eigenes Wesen, das analog zu ihrer manifesten Form von einer Außenwelt abgegrenzt wäre. Das Wesen jeder Form ist das Potenzial des Subjekts.
Eigentlich ist das Subjekt nicht formlos. Durch die Vielfalt der Objekte, in die es sich erstreckt, drückt es ja gerade seine Formen aus. Formlos heißt also nicht stets ungeformt. Formlos heißt auf keine Form beschränkt.
Die übliche Sicht auf die Welt ist dualistisch. Sie betrachtet Ich und Nicht-Ich als grundsätzlich getrennte Kategorien, die einander als objektive Realitäten gegenüberstehen. Dualismus heißt hier: Aufspaltung der Wirklichkeit in zwei getrennte Bereiche. Die Untersuchung des Verhältnisses von Subjekt und Objekt hat ergeben, dass diese Sichtweise die Wirklichkeit nur zum Teil beschreibt.
Leere und Verlassenheit
Leere kann als Verlassenheit empfunden werden. Tatsächlich ist Verlassenheit aber ein möglicher Inhalt der Leere. Leere ist die Fülle an Möglichkeiten.Reine Subjektivität ist unbegrenzt. Reine Subjektivität reicht notwendigerweise in die Objekte hinein. Sie drückt Möglichkeiten durch Objektivierung aus. Eine solche Welt ist nicht nur aufgespalten. Ihre Aufspaltung wird durch einen tieferen Zusammenhang bewirkt. Eine solche Welt ist nicht nur dualistisch, sie ist im Dualismus kohärent. Das erkennbare Objekt steht dem erkennenden Subjekt nicht als fremde Kategorie gegenüber.
Obwohl das Objekt außer dem Subjekt keinen weiteren Inhalt hat, gibt es zwischen beiden Unterschiede. Das Objekt existiert als Ausdruck des Subjekts. Das Objekt hat kein eigenständig abgegrenztes Sein. Sein Sein liegt im Subjekt. Die Existenz des Objekts ist an Raum und Zeit gebunden, weil beide die Bedingungen seiner Begrenztheit sind. Das Sein des Objekts liegt aber jenseits davon.
Um das zu verstehen gilt es, Sein und Existenz zu unterscheiden. Der Begriff Existenz entstammt der lateinischen Wurzel ex-sistere = heraustreten, zum Vorschein kommen. Die Existenz des Menschen oder einer Sache ist ein Sonderfall des Seins. Existenz manifestiert sich durch jenen Vorgang, durch den das Sein als Form in ein Feld hinaustritt, in dem es dann als seiendes Etwas existent wird. Die Realität des seienden Etwas liegt in der Begegnung mit anderen Dingen. Erst indem das Sein sich zu Formen reduziert, bringt es Formen zur Begegnung. Indem es Subjektivität durch Formen zu Perspektiven verengt, schafft es Erkenntnismöglichkeiten, die erst durch Verengung entstehen. Das Resultat sind relative Subjekte. Während der objektivierte Pol des relativen Subjekts bloß in der Raumzeit existiert, umfasst der subjektive Pol sowohl die raumzeitliche Existenz als auch das ungeformte Möglichsein.
Die Analyse hat gezeigt, dass der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt weitreichender ist als man es beim üblichen Gebrauch der Begriffe bedenkt. Weder kann das Subjekt als ich-bewusstes Objekt begriffen werden noch kann es überhaupt mehrere Subjekte geben. Das hat praktische Konsequenzen; sowohl für die therapeutische Arbeit mit psychisch Kranken als auch für das Selbstverständnis einer jeden Kultur, die auf dieser Sichtweise aufbaut.
In der Psychiatrie sind drei Denkansätze zu unterscheiden:
Die biologische Psychiatrie betrachtet seelische Phänomene als Ausdruck körperlicher Bedingungen. Sie geht von einem naturwissenschaftlichen Weltbild aus. Sie sieht die Grundlage aller Wirklichkeit in ihrer materiellen Komponente: der physikalischen Realität.
Die Psyche ist in den Augen der biologischen Psychiatrie eine Eigenschaft komplexer materieller Strukturen und somit ebenso physikalisch wie die Materie, als deren Begleiterscheinung sie verstanden wird. Die physikalische (griechisch phyein [φυειν] = hervorbringen, entstehen) Welt ist die entstandene Realität, die als Natur erkennbar ist. Sie umfasst materielle Objekte und deren Eigenschaften. Begriffe wie hervorbringen und entstehen denken einen unentstandenen Bereich der Wirklichkeit, dem die Realität entspringt, zwar mit, die biologische Psychiatrie klammert ihn jedoch aus, da darüber kein objektives Wissen ermittelt werden kann.
Die biologische Psychiatrie definiert eine gesunde Norm seelischer Erfahrung. Sie geht davon aus, dass dieser Norm eine ordnungsgemäße Struktur des Gehirns sowie ein ordnungsgemäßes Funktionieren von Stoffwechselprozessen zugrunde liegt. Symptome sind für sie Folge gestörter Strukturen und Abläufe im Gehirn. Dementsprechend sucht sie nach Heilmitteln, die auf materielle Strukturen einwirken. Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt auf der Entwicklung pharmakologisch wirksamer Substanzen, die in den Stoffwechsel zwischen den Hirnzellen eingreifen. Dabei hofft die biologische Psychiatrie die physikalischen Grundlagen der Hirnfunktion eines Tages so umfassend zu verstehen, dass sie Substanzen zur Heilung aller seelischen Leiden entwickeln kann.
Der psychologische Ansatz erkennt die Bedeutung körperlicher Faktoren an. Im Gegensatz zur biologischen Psychiatrie glaubt er aber nicht, dass man das gesamte seelische Erleben auf körperliche Prozesse zurückführen kann. Die Psychologie ordnet der Psyche eine eigenständige Bedeutung zu. Sie glaubt, dass seelische Phänomene nicht nur Ausdruck physikalischer und biochemischer Ereignisse sind. Sie betont, dass der Psyche eine eigene Gesetzmäßigkeit inneliegt, deren Störung zu Symptomen führt; und die ihrerseits auf die materielle Struktur einwirken kann. Die Psychologie erweitert den naturwissenschaftlichen Ansatz um eine geisteswissenschaftliche Dimension. Sie geht davon aus, dass ein großer Teil des seelischen Leids dieser Dimension entspringt.
Beiden Denkmodellen ist gemeinsam, dass sie das Individuum als abgegrenztes Etwas betrachten, dessen Eigenständigkeit allein auf seiner Abgrenzung beruht. Die biologische Psychiatrie sieht es als materiellen Organismus, dessen psychischer Oberton den Bestand der materiellen Struktur betreibt. Die Psychologie beschreibt es als psychosomatische Einheit. Für beide steht das Individuum der Welt als umgrenztes Etwas gegenüber; so wie ein Objekt dem anderen.
Eine bekannte Ausnahme ist die analytische Schule nach C.G. Jung. Jung schreibt Teile des Unbewussten einem kollektiven Feld zu, in dem archetypische Muster liegen, die allen Menschen gemeinsam sind. Mit seiner Lehre von der Synchronizität inner- und außerseelischer Ereignisse weicht Jung weit von der dualistischen Sichtweise ab.
Beide Theorien bezweifeln keineswegs, dass die Einheit Mensch als offenes System mit der Welt im Austausch steht. Die Welt wirkt auf den Menschen ein. Der Mensch beeinflusst das Material der Welt zu seinem Vorteil. Beide Theorien sind jedoch dualistisch. Sie unterscheiden grundsätzlich zwischen innen und außen, zwischen Ich und Nicht-Ich. Das Ich begegnet der Welt als dem, was es selbst nicht ist. Es ist eine Person unter vielen, einer von vielen Spielern auf dem Feld. Das Ich existiert in der Welt als selbständiger Partikel, der sein Schicksal gegen die Welt zu bestimmen hat.
Der ganzheitliche Ansatz geht über die dualistische Sichtweise hinaus. Er glaubt, dass seelisches Leid am besten zu lindern ist, wenn man das Ich und die Welt als ineinander verschmolzenen Ausdruck einer umfassenden Wirklichkeit betrachtet, deren Elemente sinnvoll aufeinander bezogen sind.
Der psychologische und erst recht der biologische Ansatz der Psychiatrie betrachtet den Menschen als Objekt. Beide unterscheiden zwischen einer Vorgabe - wie der Mensch sein sollte - und krankhaften Normabweichungen. Ihr Ziel ist es, den Kranken einer als gesund geltenden Norm anzupassen.
Der ganzheitliche Ansatz betrachtet den Menschen als Subjekt. Auch er definiert zwar eine Vorgabe, die als gesund gilt, nämlich man selbst zu sein, die Vorgabe ist jedoch von anderer Qualität als die der anderen Ansätze. Die Vorgabe der ganzheitlichen Betrachtung beruht nicht auf einer vergleichbaren Norm, sondern auf der Einzigartigkeit des Subjektiven an sich. Deshalb versucht sie nicht anzupassen, sondern gemeinsam mit dem Patienten zu verstehen, wie dessen Einzigartigkeit Sinn macht. Der ganzheitliche Ansatz ermutigt den Patienten, sein Selbstsein von aller Trübung zu entbinden. Er passt nicht an Formen an, sondern setzt Formen frei.
Die Annahme, dass es nur ein Subjekt gibt und dass der Wesenskern des Menschen dessen Ausdruck ist, hat weitreichende Folgen für jedes kulturelle Selbstverständnis, das darauf fußt:
Sie liefert die weltanschauliche Grundlage für einen ökologisch ausgerichteten Bezug zwischen Mensch und Natur, der auch anderen Lebensformen einen Wert beimisst, die den ihrer Nutzbarkeit für den Menschen übersteigt.
Sie kann spirituelle Grundlage eines religiösen Konzeptes sein, das ohne archaische Mythologien und spaltende Dogmen auskommt und stattdessen auf einem kulturübergreifenden mystischen Menschen- und Gottesbild beruht.
Selbst wenn eingestanden werden muss, dass die Annahme der Einzigartigkeit des Subjekts und seines grundlegenden Charakters für die Struktur der Wirklichkeit auf logischen Schlussfolgerungen beruht und nicht beobachtbar ist, ist die Lücke, die der Glaube daran zu überspringen hat, bei weitem kleiner, als die Lücke bei anderen kosmologischen Theorien. Das gilt auch für viele Theorien hergebrachter Religionen.
Erst durch sein Interesse an der Religion hält der Einzelne Ausschau nach der existenziellen Verantwortung für sich selbst. Religiöse Fragen sind daher weder aus einer umfassenden Betrachtung des Menschen noch aus der menschlichen Kultur als Ganzes wegzudenken. Mehr noch: Religion ist der Kern jeder Kultur.
Stimmt es, dass es nur ein Subjekt gibt, kann keine Religion als endgültig gelten, die die dualistische Spaltung zwischen Gott und Welt nicht hinter sich lässt. Das trifft insbesondere für konfessionelle Glaubensformen zu, die Religiosität als Gehorsamsverhältnis zwischen einer entrückten Gottesperson und ihr unterworfener "Subjekte" beschreiben. Solche Religionen verkennen die Struktur der Wirklichkeit. Sie setzen das Wesen Gottes auf das eines mächtigen Objekts herab; denn wenn Gott etwas vom Menschen Getrenntes wäre, das ihm bloß gegenüberstünde, wäre er für den Menschen ein Objekt der Betrachtung. Zeitgleich entwerten sie den Menschen zum bloßen Befehlsempfänger.