Vernunft ist eine geistige Aktivität. Sie ist praktiziertes Vernehmen. Beim Vernehmen wird das Vernehmbare, also der erkennbare Teil der Wirklichkeit, als Erkenntnis ins Weltbild der Person übernommen. Darauf verweisen die Vorsilbe ver- und das Verb nehmen.
Vom An- und Vernehmen
Akzeptanz ist ein Gebot der Vernunft. Erkennbares zu vernehmen bedeutet zugleich, die Wirklichkeit zu akzeptieren, wie sie ist. Zur Wirklichkeit, die zu akzeptieren ist, gehört die innere Reaktion, die auf äußere Ereignisse antwortet. Eine seelische Reaktion zu akzeptieren, heißt nicht, sie stets in Taten umzusetzen. Oft reicht es, ihrer Existenz Respekt zu zollen. Nur wer die Existenz all seiner Elemente wahllos anerkennt, ohne darüber zu Gericht zu sitzen oder sie mit der äußeren Wirklichkeit zu verwechseln, kann überhaupt vernünftig sein.
Ver- heißt verschieben, überführen, von dort nach da übertragen. Das Verb nehmen im Prozess der Vernunft besagt, dass der Vernünftige das Vernehmbare nicht nur anschaut, sondern das von ihm annimmt, was seine Wahrnehmung als wahr erkennt. Die Wissenschaft bezeichnet diesen Vorgang auch als Apperzeption (von lateinisch ad = hinzu und percipere = wahrnehmen). Die Apperzeption fügt sinnlich oder logisch Wahrnehmbares einem Sinngefüge zu.
Das Weltbild, zu dem auch das Selbstbild gehört, dient der Orientierung des Individuums in der Wirklichkeit. Es ist ein Lageplan, der aus Erfahrungen und Vermutungen aufgebaut wird. Zusammen mit dem momentan Wahrnehmbaren bildet das Weltbild die Grundlage der Entscheidungen. Vernunft ist nur dann Vernunft, wenn das Vernehmbare, das ins Weltbild übernommen wird, als das Wahrgenommen wird, was es ist. Ein Trugbild ist ein Teil der Wirklichkeit. Sein Umgang damit entspricht aber nur der Vernunft, wenn es als Trugbild eingeordnet wird.
Verstand und Vernunft - Geschwister im Geiste
Vernunft ist die Bereitschaft, erkennbare Sachverhalte zu berücksichtigen.
Verstand ist die Bereitschaft, den Standpunkt zu wechseln, um Sachverhalte besser zu erkennen.
Auf dem Wechselspiel von Verstand und Vernunft fußt geistiger Fortschritt. Was der Vernunft widerspricht, widerspricht auch dem Geist. Der Geist hat zwar die Fähigkeit, unvernünftig zu sein, er ist aber nur Herr seiner selbst, wenn er sein Spiel erkennt. Erkennt er sein Spiel nicht, ist er der Spielball.
Der Vernünftige richtet sein Handeln am Vernommenen aus. Das Potenzial, vernünftig zu handeln, wächst mit Menge und Bedeutung verstandener Wirklichkeit. Dabei unterliegt der Verstand einem Paradox: Wer wenig versteht, glaubt, dass es viel ist. Wer viel versteht, weiß, dass es wenig ist. In der Folge fühlen sich vor allem jene, die wenig verstehen, dazu berufen, viel vom wenigen umzusetzen. So kommt es, dass der Mensch oft Dinge tut, deren Motiv, sie zu tun, oft unvernünftig ist.
Störungen der Vernunft sind häufig. Dafür sind verschiedene Faktoren verantwortlich. Sie können drei Kategorien zugeordnet werden:
Der Mensch ist in der Lage, einen Teil der Wirklichkeit zu erkennen. Dazu stehen ihm vier Wege offen.
Vier Wege der Erkenntnis
Prinzip | Beispiel | |
1 | Unmittelbarer Erkenntnisgewinn durch logische Denkakte | Da zwei mal zwei vier ist, ist vier durch zwei zwei. |
2 | Mittelbarer Erkenntnisgewinn durch Verwendung der Sinnesorgane | Ich habe gesehen, wie der Stein im See versank. |
3 | Mittelbarer Erkenntnisgewinn durch technische Methoden | Die C14-Methode ergab, dass schon der Wasseraffe Krabben aß. |
4 | Lernen durch Informationsübertragung von Mensch zu Mensch | Es heißt, dass man mit der schwarzen Mamba keine Scherze treiben sollte. |
Obwohl die menschlichen Möglichkeiten, die Strukturen der Wirklichkeit zu vernehmen, beträchtlich sind, können wir davon ausgehen, dass es jenseits unseres sinnlichen und intellektuellen Horizonts Bereiche gibt, die unserer Vernunft verschlossen bleiben. Ein vernünftiger Mensch wird sich im Klaren sein, dass seine Vernunft an Grenzen stößt.
Die physiologische, also biologisch vorgegebene Vernunftgrenze des Menschen ist beim Kind mangels Erfahrung enger. Zusätzlich verengt wird sie durch...
Krankheiten, die die Vernunftfähigkeit herabsetzen:
Psychotrope Substanzen
Der Stellenwert von Rauschzuständen durch psychotrope Substanzen hängt von den Umständen ihres Einsatzes ab. Im Grundsatz kann jede Substanz die Grenzen der Vernunft erweitern, indem sie Erfahrungshorizonte öffnet, die ohne Substanz nicht oder nur schwer erreichbar wären. Ist die Erfahrung aber gemacht und wird der Konsum zur Gewohnheit, um unangenehme Erfahrungen zu verdrängen, übersteigt der Schaden schnell den Nutzen. Das zu ignorieren, ist praktizierte Unvernunft. Die Verdrängung unangenehmer Erfahrungen durch vorübergehend angenehme Substanzwirkungen führt in den Kreislauf der Sucht. Jede Sucht heißt: Ich will die Wirklichkeit nicht so vernehmen, wie sie ist. Jedes Ausblenden der Wirklichkeit führt dazu, dass der Umgang mit ihr erschwert wird.
Bei seelischen Problemen, die psychologische Abwehrmechanismen einsetzen, ist der Unterschied zwischen dem Unvermögen, vernünftig zu sein und der mangelnden Bereitschaft dazu, oft kaum erkennbar.
Ein mächtiger Gegner der Vernunft ist die Weigerung, Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, die eigentlich unübersehbar sind. Wichtige Abwehrmechanismen, die diesem Vorsatz dienen sind:
Zwei Formen der absichtlichen Unvernunft sind weit verbreitet: die individuelle und die kollektive. Absichtlich heißt dabei: Vom tatsächlich Vernehmbaren wird abgesehen, um Ziele zu erreichen oder Zustände aufrechtzuerhalten, die man durch das Vernehmbare gefährdet sieht. Dem, der Vernunftgründe absichtlich zurückweist, ist seine Absicht oft nicht bewusst. Sie wird verdrängt, weil die Erkenntnis der Absicht die Ausführung des Unvernünftigen erschweren würde.
Die individuelle Weigerung, Vernehmbares zur Kenntnis zu nehmen, ist eine Strategie des Egos. Das Ego versucht jenes Bild von sich und der Welt aufrechtzuerhalten, von dem es am meisten zu profitieren glaubt. Glaubt es, dass ihm eine vernehmbare Erkenntnis schaden könnte, versteift es sich in Unvernunft. Zur Vernunft ist das Ego meist nur bereit, wenn es unter den Folgen seiner Unvernunft zu leiden hat. Viele lernen nur, wenn sie vom Schicksal Prügel beziehen. Allerdings ist selbst das nicht sicher. An manchen schlägt sich das Schicksal die Finger wund, weil ihr Ego nicht von der unbewussten Absicht lassen kann, über die Wirklichkeit zu triumphieren.
Als Abwehrmechanismen bezeichnet man eine Palette psychischer Manöver. Sie springen an, wenn eine potenzielle Erkenntnis über die Struktur der Wirklichkeit Ängste auslöst, zum Beispiel die Befürchtung, eine soziale Position zu verlieren.
Nadja verdrängt offensichtliche Hinweise darauf, dass Gunter fremdgeht. Groß ist die Furcht, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und die Beziehung abzubrechen.
Ließe Roland den Schnaps stehen, drohte er zu erkennen, dass er selbst am Scheitern der Beziehung mit Bettina schuld ist. Er fürchtet aber, dass ihn solcherlei Vernunfterkenntnis in eine Selbstwertkrise stürzen könnte, von der er sich nicht mehr erholt. Lieber als Schamgefühle zu durchleben, bleibt Roland dumm.
Als Nadja ihre Abschlussprüfung in der Tasche hatte und ihr Hajo per WhatsApp schrieb, dass er sich mit ihr treffen wolle, erschien ihr Gunters Treulosigkeit unübersehbar.
Oft bleibt die Vernunft aber dauerhaft in einem Netzwerk aus der Angst vor der Wahrheit und abwehrenden Mechanismen stecken.Für die kollektive Verweigerung der Vernunft sind meist Weltbilder verantwortlich, die sowohl der Wirklichkeit widersprechen als auch davon ausgehen, dass der Widerspruch gegen das Gebot der Vernunft und die Weigerung, Fakten zur Kenntnis zu nehmen, aus moralischen und/oder religiösen Gründen erforderlich ist.
Typische Vertreter solcher Weltbilder sind konfessionelle Religionen, die den Glauben an ihre Lehrsätze kategorisch über die Erkenntnis stellen. Typisch sind auch geschlossene politische Weltanschauungen, die Menschen umfassendes Heil versprechen und deren Binnenstruktur alles von sich weist, was ihre Richtigkeit in Frage stellt. Radikal rechtes Gedankengut kann sich ebenso wie radikal linkes nur über Wasser halten, wenn es den Anker der Vernunft über Bord wirft.
Während individuelle Zurückweisungen der Vernunft mal jenen, mal diesen Bedürfnispol des Psychologischen Grundkonflikts bedienen, steht das Bedürfnis nach Zugehörigkeit bei der kollektiven Verweigerung im Vordergrund. Man verleugnet die Vernunft, weil man sonst aus der Gemeinschaft der Unvernünftigen verstoßen würde; oder ihrem Hass zum Opfer fiele. Die Behauptung, Juden seien minderwertig, als Unfug zu erkennen, hätte Millionen keinerlei Mühe gemacht, hätte sie die Erkenntnis nicht demselben Hass preisgegeben, der den Unfug allen Vernunftgründen zuwider erfand.
Grundregel
Nicht vernünftig sein zu wollen, zielt auf persönliche Vorteile ab, die man sich durch Unvernunft verschaffen will. Darf man nicht vernünftig sein, geht es um soziale Nachteile, die man zu vermeiden versucht.
Nicht vernünftig sein zu dürfen setzt Machtstrukturen und -gefälle voraus, die die Unvernunft der Zustände gewaltsam aufrechterhalten, weil es den jeweils Mächtigen Vorteile bringt. Um die Vernunft Beherrschter zu behindern, setzt politische Macht zwei Werkzeuge ein:
Durch Sanktionen werden Einzelne eingeschüchtert, deren Vernunft Tatsachen benennt, die andere nicht hören wollen. Unmittelbare Repressalien wenden vor allem Diktaturen an, verdeckte Benachteiligungen sind aber auch in Demokratien keine Seltenheit. Redakteure tun im Interesse ihres beruflichen Fortkommens gut daran, geäußerte Sichtweisen mit jenen einflussreicher Kreise abzugleichen. Politiker aller Parteien üben sich in Parteidisziplin. So manches, was ihre Vernunft eigentlich vernehmen könnte, könnte ihrer Wiederwahl schaden. Sichtweisen, die der Zeitgeist nicht wahrhaben will, finden kein Gehör.
Bei der Desinformation wird vernünftiges Handeln und Reden nicht mit Strafe bedroht. Den Beherrschten werden vielmehr jene Informationen vorenthalten, auf deren Grundlage sie die Wirklichkeit korrekt vernehmen könnten. Desinformativ ist auch, ausgewählte Informationen so in den Vordergrund zu schieben, dass die Sichtweise der Informierten in erwünschter Weise ausgerichtet wird. Strategisch betriebene Desinformation ist ein Bestandteil politischen Handelns, auf dessen Einsatz kaum je eine Regierung verzichtet.
Macht wird nur dann vernünftig angewendet, wenn sie selbst die Wirklichkeit zur Kenntnis nimmt und ihre Kenntnisnahme durch andere nicht behindert. Was Tatsachen unkenntlich macht, um zu verhindern, dass andere sie vernehmen, fördert den Einfluss der Unvernunft.
Dass Nadja die Signale bezüglich Gunters Untreue zunächst nicht zur Kenntnis nimmt, kann Folge einer Fehleinschätzung oder durchaus vernünftig sein. Vernünftig ist Nadjas Abwehr der Erkenntnis, wenn sie den Verlust Gunters erst überstehen kann, sobald Hajo sein Interesse signalisiert. Dann beruht die Abwehr der Erkenntnis zwar auf unbewusst, aber doch korrekt vernommener Wirklichkeit und ist somit als vernünftig anzusehen. Nimmt Nadja die Demütigung jedoch in Kauf, weil sie ihre Fähigkeit unterschätzt, auch ohne Gunter auszukommen, dann beruht ihre Abwehr auf einer Fehleinschätzung und ist somit unvernünftig.
Da Vernunft die Wahrscheinlichkeit steigert, realitätsgerechte Entscheidungen zu treffen und somit vorteilhafte Entwicklungen zu bahnen, ist ihr Einsatz beim Vollzug des persönlichen Alltags, in den Wissenschaften, der Politik und erst recht in religiösen Dingen anzuraten.
Vernunft besteht aus zwei Komponenten:
Erst die Berücksichtigung der bekannten Regel und dessen, was momentan gegeben ist, schöpft die Möglichkeiten der Vernunft, angemessene Entscheidungen zu treffen, umfassend aus. Während Regeln im Prinzip zeitlos sind oder sich ihre Definition nur langsam ändert, ist das momentan Gegebene niemals ganz vorhersehbar.
Ein unverzichtbares Werkzeug der Vernunft ist daher Achtsamkeit. Nur sie ist in der Lage, das aus der Wirklichkeit zu vernehmen, was zur vernünftigen Anwendung von Regeln notwendig ist. Um der Vernunft im Alltag Vorschub zu leisten, gilt es, dem Alltag gebührend Beachtung zu schenken. Der Vernünftige lebt im Hier-und-Jetzt. Sein Geist kehrt immer wieder dahin zurück. Der Unvernünftige lebt in Vorstellungswelten, die er sich selbst zurechtzimmert.
Dass Vernunft oberstes Gebot beim systematischen Erwerb von Wissen und technischem Know-how ist, braucht man kaum eigens zu erwähnen.
Unterschiede
Das Thema der klassischen Wissenschaften sind die Objekte. Das Ego ist ein virtuelles Objekt. Die Psychologie befasst sich mit dem Ego. Sie ist daher eine klassische Wissenschaft.
Religion ist die Wissenschaft von der Freisetzung des Subjekts. In der Religion geht es um die Frage, wie sich das Subjekt aus der Identifikation mit Objektivem lösen kann. Da Religion Wissenschaft ist, sind wissenschaftliche Regeln der Wahrheitsfindung auch bei spirituellen Fragen gültig. Wissenschaftlich wird Wahrheit auf zweierlei Wegen gefunden:
Durch Lehrsätze, deren Infragestellung als sündig gilt, wird Wahrheitsfindung behindert.
Je mehr Macht sich Gruppen oder Einzelne über Gesellschaften verschaffen, desto mehr wird die Vernunft durch Gruppendruck und Strafandrohung gegenüber Vernunftwilligen behindert. Da es bei der Vernunft um ein Vernehmen von Tatsachen geht, neigt jede Macht, die parteiliche Interessen vertritt, dazu, Tatsachen zu vertuschen oder verzerrt darzustellen, um die Vernunftfähigkeit des Publikums zu untergraben. In der Parteilichkeit ist die Bereitschaft, Vernunftgründe zu entkräften, die der parteiischen Zielsetzung im Wege stehen, im Ansatz verankert.
Da Unvernunft zu Fehlentscheidungen führt, hat jede Gesellschaft, die Parteien über sich bestimmen lässt, einen Preis zu zahlen. Er ist umso niedriger, je mehr Demokratie verwirklicht ist. Vollgültige Demokratie ist direkte Demokratie.
Im Vergleich zur direkten ist die indirekte Demokratie unvernünftig, weil die Dominanz der Parteien vernunftwidrige Entscheidungen fördert. Grundsätzlich kann das Volk als Ganzes vernunftwidriger entscheiden als es ein Einzelner täte. In der Regel ist es aber umgekehrt. In der Regel ist ein Volk als Ganzes vernünftiger als eine Gruppe von Repräsentanten, da es mehr relevante Wirklichkeit vernimmt, als jeder Ausschnitt.
Im Gegensatz zur Wissenschaft, gesteht man Religionen zu, sich durch programmatische Unvernunft über die Wirklichkeit hinwegzusetzen.
1 Korinther 1, 21-23:*
Denn da die Welt mit ihrer Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott, durch die Torheit der Heilsbotschaft die zu retten, die glauben...
Tatsächlich kann man erst nach Abschalten der Vernunft daran glauben, dass ein gottgefälliges Leben, also doch wohl eins, das sich an Wahrheit ausrichtet, ausgerechnet durch Torheit zu erreichen wäre. Solch ein Vorgehen wäre Glücksspiel, weil dem Toren die Vernunft fehlt, aus den tausend Torheiten, die er begehen könnte, genau jene herauszufinden, die angeblich Gott gefällt. Daher verwenden die Toren dieser Welt bei der Wahl ihrer Torheiten kaum je Mittel der Vernunft. Statt vernunftgemäß zwischen wahr und unwahr zu entscheiden, halten sie jene Torheit für wahr, die sie von ihren Vätern mitgeteilt bekamen.
Unvernunft ist in religiösen Fragen ausgesprochen schädlich. Religion ist jene Wissenschaft, die Techniken, Wege und Möglichkeiten untersucht, durch die das Ich nicht nur Wahres von außen erkennt, sondern sich mit dem Wahren verbinden und es so zu seinem Wesen machen kann. Religion ist zugleich angewandte Wissenschaft, die die entdeckten Mittel einsetzt, um das Ziel zu erreichen.
Wege
Leben in klösterlicher Gemeinschaft, Abkehr von weltlichen Belangen, Verzicht auf Luxus, Konzentration auf das Wesentliche, Anerkennung der Ebenbürtigkeit aller anderen, Ausrichtung sozialer Gemeinschaft in wechselseitiger Wertschätzung
Religion befasst sich mit dem Wesen des Subjekts und seiner Position in der Wirklichkeit. Sie befasst sich mit Wahrheiten, die sich nicht auf Objektives beschränken, sondern über jede Bedingung hinaus gültig sind. Dabei ist klar, dass Aussagen über das unbedingt Gültige Vermutungen und Fingerzeige sind, dass sie das unbedingt Gültige aber nicht vollständig erfassen. Was durch die Vernunft vernommen wird, sind die Fingerzeige, die das unbedingt Gültige als Ausdruck seiner selbst verwirklicht hat. Sie zeigen auf etwas hin, was die Vernunft übersteigt. Trotzdem wird niemand durch Torheit gerettet, sondern von der Vernunft geführt.
* Die Heilige Schrift / Familienbibel / Altes und Neues Testament, Verlag des Borromäusvereins Bonn von 1966.