Bipolare Störung


  1. Definition
  2. Einteilung
  3. Abgrenzungen (Differenzialdiagnosen)
    1. 3.1. Interne Unterscheidung
    2. 3.2. Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen
  4. Ursachen: Biologische und psychologische Erklärungen
    1. 4.1. Biologisches Modell
    2. 4.2. Psychodynamisches Modell
  5. Innerseelische Prozesse
    1. 5.1. Aufschaukeln der Bipolaren Störung
    2. 5.2. Entscheidungen
  6. Lösungsansätze
    1. 6.1. Stimmungstagebuch
    2. 6.2. Medikamentöse Behandlung
Je egozentrischer eine Persönlichkeit ist, desto größer ist die Gefahr, dass ihr Bipolarität zum Verhängnis wird. Wer in der Schwermut weitermacht, so gut es eben geht, und wer seinen Hochmut zu zügeln weiß, steuert das Schiff durch Wellen, in denen andere kentern.

Zugehörige Begriffe

  • Manisch-depressive Erkrankung (MDE)
  • Zykloide Psychose
  • Bipolare Psychose

1. Definition

Die Bipolare (lateinisch bis = zwei) Störung zeichnet sich durch Stimmungs­schwankungen zwischen dem depressiven und dem maniformen Pol aus. Da die Schwankungen das Gefühl betreffen, wird auch von Bipolarer affektiver Störung gesprochen. Affekt ist von lateinisch afficere = hinzutun abgeleitet. Der Begriff verweist darauf, dass die pathologische Qualität der Stimmung als etwas Gemachtes (facere = machen) erscheint, das dazukommt ohne dazuzugehören.

Auch die Stimmung Gesunder schwankt. Daher hängt die Abgren­zung zwischen gesund und krank von den individuellen Bewer­tungen sowohl des Untersuchers als auch des Betroffenen ab. Schwankungen, die der eine als Ausdruck lebendiger Reaktivität empfindet, bezeichnet ein Anderer als krank.

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Treten im Rahmen der Bipolaren Störung psychotische Symptome auf, wird auch von Bipolarer Psychose gesprochen.

2. Einteilung

Bipolare affektive Störungen werden in der Internationalen Klassifikation der Krank­heiten (ICD-10) nach drei Kriterien aufgeteilt:

  1. Polarität (depressiv, manisch, gemischt)
  2. Ausprägung (abwesend, leicht-mittelschwer, schwer)
  3. Vorliegen psychotischer Symptome: Wahn, Halluzinationen (ja/nein)

Bipolare Störungen gemäß ICD-10-Klassifikation der WHO

Bipolare Störung... ICD Merkmale
Maniform
Hypo­manische Episode F31.0 Gehobene oder gereizte Stimmung, Verhalten kontrolliert, sozial angepasst
Manische Episode ohne psychotische Symptome F31.1 Verhalten ungesteuert, sozial nicht mehr angepasst
Manische Episode mit psychotischen Symptomen F31.2 Flüchtige wahnhafte Verkennungen, z.B. Größenwahn
Depressiv
Depressive Episode (leicht-mittelschwer) F31.3 Vollzug alltags­praktischer Besorgungen erschwert, aber möglich
Depressive Episode (schwer / ohne psychotische Symptome) F31.4 Vollzug alltags­praktischer Besorgungen nicht mehr möglich
Depressive Episode (schwer / mit psychotischen Symptomen) F31.5 Zusätzlich Wahn oder Halluzinationen
Gemischt
Gemischte Episode F31.6 Gleichzeitig maniforme (z.B. Antriebs­steigerung) und depressive Symptome (z.B. Stimmungstief) oder rascher Wechsel zwischen beiden Polen
Symptomfrei
Bipolare Störung, remittiert F31.7 Symptomfreier Zustand bei bekannter Bipolarer Störung

Den gemischten Episoden kann auch die agitierte Depression zugeordnet werden. Die agitierte Depression zeichnet sich durch innere Unruhe und Getriebenheit aus. Sie ist von der gehemmten Depression zu unterscheiden. Bei der gehemmten Depression ist der Antrieb vermindert.

3. Abgrenzungen (Differenzialdiagnosen)

Seelische Erlebnisweisen sind individuell. Deshalb sind sich Psychiater oft uneins, wel­cher diagnostischen Kategorie ein Zustandsbild zugeordnet werden sollte. Das betrifft auch die Bipolare Störung. Sie wird sowohl gegenüber anderen Diagnosen abgegrenzt als auch intern unterschieden.

Rapid cycling
Als Sonderform der Bipolaren Störung ist das Rapid cycling bekannt. Dabei wechseln sich mindestens vier depressive und / oder maniforme Phasen innerhalb eines Jahres ab. Der Phasenwechsel kann sogar in Tagen oder Stunden erfolgen. Dann spricht man von Ultra-rapid-cycling bzw. Ultra-ultra-rapid-cycling.
3.1. Interne Unterscheidung

Heute werden Bipolare Störungen in zwei Typen unterteilt:

Der Unterschied liegt in der Ausprägung maniformer Symptome. Kommen echte Manien vor, spricht man von Bipolar I. Finden sich lediglich hypomane Zustände, spricht man von Bipolar II.

Hypoman enthält das griechische hypo [υπο] = unterhalb. Hypomanien sind Stimmungsvarianten, die echten Manien qualitativ ähneln, aber weniger ausgeprägt sind; und meistens keine schädlichen Folgen haben. Ihr Intensitätsniveau liegt unterhalb des Grades echter Manien.

Die Häufigkeit der Bipolar-I-Störung wird mit circa 1% ange­geben. Für die Bipolar-II-Störung werden teils deutlich höhere Zahlen genannt.

Hypomane Nachschwankung oder eigenes Krankheitsbild

Die Unterteilung in Bipolar I und II ist eine neue Entwicklung. Hypomane Phasen wurden bis dahin nur wenig beachtet oder man ging man vom Konzept der hypomanen Nachschwankung aus. Nach schweren Depressionen erleben viele Patienten kurze hypomane Phasen. Diese Phasen kann man entweder als psychologisch nachvollziehbare Reaktion auffassen - im Sinne einer euphori­schen Aufbruchsstimmung nach überwundenem Leid - oder man deutet sie als bloße Stoffwechselanomalie und damit als Symptom eines sinnlosen Krank­seins.

Da es keine Messmethoden gibt, um zwischen gut gelaunt, euphorisch und maniform exakt zu unterscheiden, ist verstehbar, warum über die Häufigkeit besonders der Bipolar-II-Störung keine Einigkeit besteht.

Bipolare Störungen beginnen oft früher als unipolare Depressionen. Während von unipolaren Depressionen mehr Frauen betroffen sind, ist die Verteilung bei Bipolaren Störungen ausgeglichen. Das kann mit unterschiedlichen Grundmustern der weiblichen und männlichen Psychologie zusammenhängen.
3.2. Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen

Im Grundsatz können alle seelischen Störungen mit lebhafter affektiver Komponente Ausdruck einer Bipolaren Störung sein... oder mit ihr verwechselt werden. Deshalb ist im konkreten Fall oft schwer zu entscheiden, welcher Kategorie man die Symptome zuordnet. Manchmal ist die Abgrenzung gegenüber folgenden Krankheitsbildern besonders schwierig:

4. Ursachen: Biologische und psychologische Erklärungen

Zu den Ursachen der Bipolaren Störungen zählen die gleichen, die für Depressionen und Manien zu nennen sind.

Welche Ursachen als wesentlich anzunehmen sind, ist in der Psychiatrie umstritten. Dabei sind die Sichtweisen der beiden großen psychiatrischen Lager zu unterscheiden.

4.1. Biologisches Modell

Die biologische Psychiatrie geht von einem materialistischen Weltbild aus. Sie deutet psychische Prozesse als Folge stofflicher und organischer Veränderungen. Die Leitidee der biolo­gischen Psychiatrie beruht auf dem Konzept der Transmit­terstörung. Sie erklärt Depressionen, Manien und Bipolare Erkrankungen als Störungen des Stoffwechsels, die die Psyche schicksalhaft von außen treffen. Einen bedeutsamen Zusammen­hang mit der Persönlichkeit sieht die biologische Psychiatrie nur insoweit, als dass der Kranke lernen muss, mit seinem Kranksein umzugehen. Einem ursächlichen Zusammen­hang zwischen Krankheit und Individualität weist sie keine oder nur eine nachrangige Bedeutung zu.

Auslöser

Das Fehlen eines erkennbaren Auslösers für depressive oder maniforme Phasen wird meist als Hinweis darauf gedeutet, dass es sich um ein reines Stoffwechselgeschehen handelt und psychologische Faktoren zu vernachlässigen sind. Oft ist das zu kurz gedacht. Fühlt man sich in die Individualität des Patienten ein, lassen sich Erlebnisketten entdecken, die die vermeintlich unerklärbare Gefühlsschwankung verständlich machen.

Je weniger jemand von sich selbst erkennt, desto größer ist die Gefahr, dass er psychisch krank wird. Deshalb fehlt es schwer Kranken oft an jenem heilsamen Selbstverständnis, das ihnen ihr Kranksein erklären könnte; und ihnen damit den Weg aus dem Kranksein weist.

4.2. Psychodynamisches Modell

Die psychodynamische Psychiatrie erkennt die biologische Kom­ponente der Krankheitsentstehung an. Darüber hinaus interes­siert sie sich aber für den Sinnzusammenhang zwischen Krank­heit, Persönlichkeit, Weltbild und individueller Entscheid­ung. Dementsprechend sind ihre Erklärungsmodelle komplexer und das therapeutische Vorgehen setzt mehr auf persönliche Lösungsstrategien.

Die Berücksichtigung des individuellen Sinnzusammenhangs hat bei der Behandlung der Bipolaren Störung Vorteile: