Eigentlich ist der Begriff Mobbing seinerseits ein Werkzeug der Abwertung: weil er Konfliktgegner beiläufig als Pöbel bezeichnet.
Als Mobbing bezeichnet man abwertendes und feindseliges Verhalten gegenüber Mitgliedern sozialer Gemeinschaften. Der Begriff geht auf das englische Verb to mob = anpöbeln, bedrängen zurück. Dazu gehört the mob = der Pöbel. Verb und Hauptwort entstammen der lateinischen Wurzel mobilis = beweglich.
Die Beweglichkeit, auf die die Sprache durch die Prägung des Begriffs verweist, bezieht sich sowohl auf das vordergründige Verhalten des Mobs, als auch auf dessen emotionales Erleben. Als Mob bezeichnet man Menschengruppen, die auf der Straße unterwegs sind; gelenkt von Sensationen, Manipulation und Affekten, deren Unruhe mit Heimatlosigkeit zu tun hat. Der Mob ist mobil, weil er dort, wo er sich gesellschaftlich befindet, nicht verwurzelt ist. Seine Bindung zur Gruppe, in der er auftaucht, ist lose. Statt echte Gruppe ist er eher Masse.
Aus der Unzufriedenheit mit einer solchen Existenz heraus ist der Mob bereit, seinen Unmut an Unterlegenen auszulassen.
Vom peuple sein und Pöbel sagen
Das Wort Pöbel ist dem französischen peuple = Volk entlehnt. Zu einer Zeit, als der deutsche Adel seinen Stand durch den Gebrauch der französischen Sprache unterstrich, wurde aus dem wertneutralen peuple das abschätzige Pöbel. Die französisch parlierende Baroness aus Hessisch-Kleinmünster betrachtete ihre Untertanen als gesichtslose Masse, deren geringer Stand ihrer Austauschbarkeit entsprach. Da dem eine Entwertung inneliegt, ist die Bildung des Begriffs Pöbel selbst eine Pöbelei. Gleiches gilt für das Wort Mob. Auch das Mitglied des Mobs auf der Kensington Road ist austauschbar. Es fehlt ihm ein fester Sitz im Oberhaus.
Die Abwertung anderer ist älter als die Sprache. Schon auf dem Affenfelsen saßen unglückselige Kreaturen, die dem Unmut der Stärkeren auch ohne besonderen Anlass als Zielscheibe dienten. Vom Affenfelsen aus hat die Kulturentwicklung das Werkzeug zur Druckentlastung auf Kosten Dritter in sämtliche Bereiche der sozialen Ordnung getragen. Es wirkt besonders dort, wo man sich der Gegenwart anderer schlecht entziehen kann.
Der Begriff Mobbing wird vor allem zur Beschreibung von Missständen in der Arbeitswelt verwendet. Er benennt Verhaltensmuster, die der Ausgrenzung oder Herabsetzung von Kollegen, Mitarbeitern oder Vorgesetzten dienen.
Mobbing in der Arbeitswelt
Formen des Mobbings
Man stelle sich vor, ein Ehepartner könne sich vom anderen nur trennen, wenn er pro Ehejahr ein halbes Monatsgehalt Abfindungen zahlt. Eine solche Regelung hätte Nebenwirkungen:
Analoge Effekte sind in der Arbeitswelt anzutreffen.
Ob Abfindungsregelungen Arbeitnehmern in der Summe nützen oder schaden, ist unklar. Eins ist jedoch sicher: Die Regelungen nützen dem Staat. Er entledigt sich arbeitsmarktpolitischer Verantwortung, indem er Lasten auf andere überträgt, und er verdient durch die Besteuerung der Abfindungen auch noch mit.
Wäre es nicht besser, die Disziplin von Arbeitnehmern, die langfristige Arbeitsverhältnisse durchhalten, von der Solidargemeinschaft als Ganzes honorieren zu lassen, z.B. durch verlängerten oder höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld? Die Zahl derer, die wegen Mobbings Ärzte aufsuchen, könnte halbiert werden.
Selbstverständlich ist ausgrenzendes Verhalten nicht auf die Arbeitswelt beschränkt. Eine große Rolle spielt Mobbing in der Schule. Kinder und Jugendliche werden besonders leicht Täter oder Opfer wechselseitiger Abwertungen, weil ihre altersentsprechenden psychologischen Muster die Bedingungen dazu erfüllen.
Mobbing in der Schule
Für Kinder und Jugendliche ist Zugehörigkeit wichtiger als für Erwachsene. Weder ihre Fähigkeit zur Wahrnehmung eigener Motive noch ihr Einfühlungsvermögen in die Erlebnisweise anderer ist voll entwickelt.
Wohlgemerkt: Auch bei Erwachsenen ist das Einfühlungsvermögen oder die Einfühlungsbereitschaft in das Erleben anderer oft rudimentär. Während das Defizit beim Erwachsenen aber als Rückstand der seelischen Entwicklung aufgefasst werden kann, ist der Mangel beim Kind entwicklungspsychologisch angemessen.
Daraus ergeben sich Besonderheiten, die Mobbing in der Schule bahnen.
Besonderheiten von Kindern
Mit der Einführung sozialer Netzwerke im Internet hat das Mobbing eine neue Plattform bekommen. In Anbetracht bekannt gewordener Hässlichkeiten, scheint der Begriff Plattform dabei im doppelten Sinne zu passen. Feindseligkeiten, die als gesprochenes Wort in der Vergangenheit verschwänden, bekommen in Foren und Blogs beständige Gegenwart, sodass ihre kränkende Absicht dauerhaft und für alle sichtbar bleibt.
Mobbing im Internet
Je größer die Bedeutung sozialer Netzwerke für die Gestaltung von Freund- und Liebschaften ist, desto größer sind die Gefahren des Cyber-Mobbings.
Formen des Cyber-Mobbings
Die Praxis der anonymen Bewertung von Einzelpersonen (z.B. Lehrer, Ärzte, Psychologen etc.) gibt die Bewerteten dem Gutdünken selbsternannter Bewerter preis, die für die Qualität ihrer Bewertungen nicht einstehen müssen. Diese Asymmetrie ist bereits im Ansatz abwertend und birgt den Keim weiterer Abwertungen in sich.
Abwertungen sind ein grundsätzliches Problem des zwischenmenschlichen Bezugs. Daher droht die Gefahr, gemobbt zu werden, nicht nur in Arbeitswelt, Schule und Internet. Sämtliche Register des Mobbings, angefangen beim Entzug von Zuwendung und Bestätigung bis hin zu emotionaler Erpressung, verbaler Erniedrigung und Gewalttätigkeit werden auch im Familienkreis gezogen. Häufig werden kindliche Schwächen und Verhaltensmuster verspottet. Als soziologische Ursache dafür sind hierarchische Gesellschaftsstrukturen und theologische Vorgaben mitverantwortlich.
Mobbing in der Familie
Die psychologische Kernursache liegt in der Struktur der menschlichen Existenz. Man hat als Person zu leben. Als Person hat man die eigenen Belange zu besorgen. Als Anwalt der eigenen Belange bündelt das Individuum seinen bewussten Horizont auf egozentrische Interessen. Bei der Vertretung dieser Interessen übersieht es schnell, dass seine Existenz tief mit der der anderen verzahnt ist; und auch das Wohl des Anderen daher zum Eigeninteresse des Einzelnen gehört.
Familiäre Risiken
Familiäre Kommunikationsmuster, die gezielt oder fahrlässig Abwertung und Ausgrenzung betreiben, haben weitreichende Folgen. Gerade für Kinder sind Bindungen zur Familie schicksalhaft. Sie können sich dem Einfluss entwertender Botschaften kaum entziehen. Die Verinnerlichung solcher Botschaften bildet eine wesentliche Grundlage neurotischer Störungen. Schwere Persönlichkeitsstörungen kommen ohne entsprechende Abwertungen in der Kindheit kaum vor. Da neurotische Störungen Mobbing auch jenseits der Familie begünstigen, beugen gesunde familiäre Beziehungen der Gefahr vor, andernorts Opfer oder Täter zu werden.
Im politischen Geschäft gehört Mobbing zur Tagesordnung; in autoritären Systemen sowieso, aber auch in der Demokratie. Vertreter unterschiedlicher Sichtweisen haben nur wenig Skrupel, den politischen Gegner abzuwerten, wenn es darum geht, die eigenen Chancen zu verbessern. Und darum geht es ständig.
Mobbing in der Politik
Formen politischen Mobbings
Mobbing ist in der Politik selbstverständlich. Allerdings gilt es dort oft nicht als Mobbing, sondern als Ausdruck kämpferischen Engagements oder gar einer lebendigen politischen Kultur. Die Gemobbten lassen Abwertungen kaum je sichtbar an sich heran. Meist gehen sie zum Gegenmobbing über. Der Schaden des politischen Mobbings ist beträchtlich. Es führt zu einer Polarisierung der Standpunkte und zu einem Verfehlen der solidarischen Mitte.
Die Praxis der wechselseitigen Entwertung...
Rechtsradikalität ist eine Verirrung des Geistes, weil sie das Wesen des Menschen grob verkennt. Wesentlich ist der Mensch nicht Mitglied einer Gruppe, sondern Ausdruck seiner selbst. Indem der Rechtsradikale seinen Wert in einer speziellen Gruppenmitgliedschaft verankern will, verkennt er selbst sein Wesen und reduziert sich ungewollt zum bloßen Exemplar. Es ist daher nicht abwegig, Rechtsradikalität als Symptom einer seelischen Erkrankung aufzufassen, nämlich als eine Störung der Selbstwertregulation, und nicht bloß als moralisches Übel.
Um die Gemeinschaft vor schädlichen Einflüssen zu schützen, ist die Zurückweisung rechtsradikaler Positionen auf politischer Ebene notwendig. Mobbing ist aber keine Zurückweisung abwegiger Ideen, sondern eine persönliche Entwertung derer, die abwegige Ideen vortragen. Da dem Auftreten Rechtsradikaler stets Hass zugrunde liegt, ist die Versuchung groß, der abwertenden Haltung Rechtsradikaler nicht kritisch, sondern seinerseits durch persönliche Abwertung entgegenzutreten. Dann wird aus inhaltlich begründeter Kritik emotional bedingtes Mobbing.
In vielen Glaubensgemeinschaften ist die Abwertung Andersdenkender so fest verankert, dass sie ohne Abwertung den Zusammenhalt verlören. Das gilt vor allem für konfessionell-religiöse Gruppen der abrahamitischen Tradition. Programmatisch entwertet werden Gruppenfremde dort ebenso wie Abweichler in den eigenen Reihen; denn jeder, der die Dogmen hinterfragt, hinterfragt die Position derer, deren Position auf den Dogmen beruht. Das gilt für den Pascha von nebenan ebenso wie für den Papst im Lateranpalast.
Mobbing in Glaubensgemeinschaften
Der drohende Gott der Tradition verkörpert den Willen der einen, andere durch Abwertung zu beherrschen. Verschleierten Frauen tiefe Gläubigkeit zuzuschreiben, ist ein probates Mittel, religiös verankerte Abwertung zu verdecken. Niemand weiß, wie viele der vermeintlich Tiefgläubigen tatsächlich bloß eingeschüchtert sind. Und selbst wenn sie gläubig sind, wurde ihnen der Glaube nicht selten durch Druckmittel eingeflößt, die in anderen Kontexten als Mobbing gelten.
Eine andere Form systematischer Abwertung betreibt das hinduistische Kastensystem. Es weist großen Teilen der Bevölkerung per Geburt niedrige soziale Ränge zu, die im Alltag Benachteiligungen und Entwertungen begründen.
Engagierte Berichterstattung... Als das wird so mancher Redakteur beim Rundfunk seine Parteilichkeit verklären, mit der er über Menschen spricht, die dem öffentlich erwünschten Meinungsbild widersprechen. In jüngster Zeit hat solcherlei Engagement deutlich zugenommen. Vor allem bei gesellschaftspolitischen Fragen, um die mit zunehmender Verbissenheit gestritten wird, wird an der Position des Gegners kein gutes Haar gelassen. Selbst bei Sendern, denen einst Ausgewogenheit am Herzen lag, ist das Engagement zuweilen kaum vom Lobpreis für die Position der einen und der pauschalen Abwertung jener zu unterscheiden, die die Dinge anders sehen.
Die eigene Parteilichkeit der Abgewerteten wird durch das mediale Mobbing weiter angestachelt. Niemand, dem der Zugang zu medialen Sprachrohren fehlt, sitzt gerne vor dem Bildschirm und hört, dass er als Ausgegrenzter, ja als moralisch Aussätziger zu gelten hat, weil er eine abweichende Meinung vertritt oder Probleme sieht, die aus Sicht der Redakteure zu vernachlässigen sind.
Zu hoffen ist, dass die Herausgemobbten über genügend Selbstwertgefühl verfügen, um das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass es so ist, denn das Selbstwertgefühl vieler, die die Abwertung trifft, steht auf tönernen Füßen.
Das Grundmuster des Mobbings ist Abwertung und Ausgrenzung. Ausgrenzung ist verweigerte Zugehörigkeit und greift daher tief ins Gleichgewicht fundamentaler seelischer Bedürfnisse ein. Seelische und psychosomatische Gesundheit ist nur für Personen möglich, die sich angenommen und wertgeschätzt fühlen. Nur psychologisch sehr reife Menschen nehmen sich selbst so unbefangen an, dass sie für Abwertungen von außen unempfänglich sind.
Da fast jeder auf die Einbettung in soziale Strukturen angewiesen ist, kann grundsätzlich jeder durch Abwertung und Ausgrenzung psychisch erkranken; es sei denn, er hat sich durch die vollständige Des-Identifikation von sozialen Rollen dagegen gewappnet. Aber wer hat das schon?
Gesundheitliche Folgen unbewältigten Mobbings
In der ärztlichen Praxis haben Erkrankungen, die durch Mobbing mitverursacht werden eine große Bedeutung. Der Einfluss abwertender Kommunikationsmuster auf funktionale Störungen der körperlichen und seelischen Gesundheit wird unterschätzt. Abwertungen sind so allgegenwärtig, dass sie oft als unausweichliche Normalität hingenommen werden. Ihr kränkender Einfluss wird dadurch nicht behoben.
Zum Verständnis der Psychologie des Mobbings lohnt es, sich die Bedeutung des Begriffs ins Gedächtnis zu rufen. Mobbing entstammt der lateinischen Wurzel mobilis.
Somit hat Mobbing etwas mit Beweglichkeit zu tun, jedoch nicht mit Beweglichkeit im positiven Sinne, sondern mit der, die im Wesen jenes Mobs zum Ausdruck kommt, der von unreflektierten Affekten und ungefilterten Außenreizen gelenkt wird. Die Beweglichkeit, die hier anklingt, ist keine Folge selbständiger Mobilität, sondern Resultat innerer Haltlosigkeit. Diese Haltlosigkeit ist es, die Menschen bevorzugt zu Opfern oder Tätern des Mobbings macht.
Der Halt an Status und Besitz betrifft nicht nur "die da oben". In jedem Verein, in jedem Freundeskreis und Arbeitsteam gibt es Zugehörigkeiten, Ränge und Besitzverhältnisse, die unter Umständen mit harten Bandagen verteidigt werden.
Status und Besitz sind stets von Verlust bedroht. Ein Selbstwertgefühl, das allein darauf ruht, hängt weitgehend von äußeren Ereignissen ab. Was nur durch Status und Besitz gehalten wird, stürzt haltlos in die Tiefe, sobald der Besitz verlorengeht.
Ein Selbstwertgefühl, das einem sozialen Rang entspricht, ist immer relativ. Es bedingt sich nachgerade dadurch, dass ein Anderer untergeordnet ist. Die Bereitschaft, andere abzuwerten, liegt dieser Lösung des Selbstwertproblems bereits im Ansatz inne.
Ideelle Wertesysteme beruhen auf Mythen und Bildern, durch die sich Menschengruppen definieren. Die Abgrenzung als besondere Gruppe ist von einem elitären Selbstbewusstsein getragen und in der Regel von der Abwertung anderer Gruppen begleitet.
Je starrer das Wertesystem der Gruppe ist, desto größer ist der Gruppendruck. Während die Gruppe als äußerer Haltgeber wirkt, nützt sie gegen innere Haltlosigkeit wenig. Im Gegenteil: Die Gruppe verpflichtet das Mitglied der gemeinsamen Idee und lockert seinen Bezug zu sich selbst. Mobbing nach innen und außen ist fester Bestandteil ideologisch umgrenzter Gruppen. Dass es konfessionellen Arbeitgebern gestattet ist, Andersdenkende auszugrenzen, kann als staatlich gestütztes Mobbing betrachtet werden.
Die Identifikation mit der eigenen Subjektivität verleiht ein Selbstwertgefühl, das kaum von äußeren Umständen abhängt. Der Halt, den ein solches Selbstwertgefühl gibt, schützt in großem Maße davor, beim Mobbing selbst zur Tat zu schreiten; denn einer autarken Bejahung des eigenen Selbst entspricht eine grundsätzliche Wertschätzung anderer.
Wer über ein unabhängiges Selbstwertgefühl verfügt, verschafft sich dadurch Respekt. Deshalb wird er seltener Zielscheibe von Abwertungen; und wenn es ihm doch passiert, kann er sie besser parieren.
Bedingtes und unbedingtes Selbstwertgefühl
Ein Selbstwertgefühl ist bedingt, wenn es durch objektivierbare Faktoren getragen wird. Objektivierbar sind Status, Besitz, Gruppenmitgliedschaft und ideelles Wertesystem.
Ein Selbstwertgefühl ist unbedingt, wenn es in einem unbedingten Faktor verwurzelt ist. Unbedingt ist Subjektivität an sich.
Bestimmte Persönlichkeitsstrukturen erhöhen das Risiko, Zielscheibe von Abwertungen zu werden. Dazu gehören vor allem Persönlichkeiten, deren Selbstwertgefühl von der Bestätigung durch andere abhängt, die sich bei Konflikten zurückziehen... oder die übermäßig ansprüchlich sind. Genannt werden können...
Abhängige, depressive und vermeidende Persönlichkeiten gehen oft den unteren Weg. Durch diese Nachgiebigkeit verschaffen sie sich einen problematischen Ruf. Da sie um die offensive Klärung von Konflikten meist einen Bogen machen, fehlt ihnen in den Augen anderer der Biss, der diese davor abschreckt, ihren Unmut beliebig an ihnen auszulassen. Mit denen, die immer nett und lieb sind, kann man eben alles machen. So werden übermäßig anpassungsbereite Persönlichkeiten einerseits zur Zielscheibe von Aggressionen, die ihnen eigentlich gar nicht gelten. Andererseits sind sie wehrlos den übergriffigen Ansprüchen solcher Zeitgenossen ausgesetzt, die Grenzen nur beachten, wenn dort scharf geschossen wird.
Die schizoide Persönlichkeit sendet darüber hinaus Signale ans Umfeld, das dieses möglicherweise als Zurückweisung deutet. Die Grenzen, die der Schizoide anderen zum Selbstschutz setzt, reizen die aus seinem Leben Ausgegrenzten, je nach deren eigener Persönlichkeitsstruktur, zum Angriff. So kann die Lage eskalieren, und da der Schizoide eben schizoid ist, kann er nur selten auf den Beistand Verbündeter bauen, wenn er allein im Schussfeld steht.
Histrionische und narzisstische Persönlichkeiten haben ständig Hunger auf Anerkennung. Statt still auf Sättigung zu warten, ist ihr Hunger oft fordernd-aggressiv. Das kann bei einem starken Umfeld oder bei einem Kollegenkreis, der in der Not zusammenhält, zu einer Abwehr führen, die in Abwertung umschlägt.
Die paranoide Persönlichkeit ist stets bereit, dem Umfeld böse Absichten zuzuschreiben. Selbst wenn ihre Empfindlichkeit damit nicht selten Böses erspürt, das andere gar nicht bemerken, ist ihr Urteil oft ungerecht. Es übersieht die eigene Bosheit, die im selbstgerechten Hinweis auf jede noch so leise Bosheit anderer zum Ausdruck kommt. So kann die Vorwurfslust des Paranoiden bei einem wehrhaften Umfeld auf genau die Ablehnung stoßen, die der Paranoide dann erst recht als feindselig empfindet. Ob er das zurecht empfindet oder nur erst recht, ist für Außenstehende, von denen er die Bestätigung seines Eindrucks erwartet, schwer zu entscheiden.
Mobbing und Krankschreibung
Ein vielschichtiges Thema
Der Begriff Mobbing unterstellt ein grundsätzlich asymmetrisches Verhältnis. Der Gemobbte ist Opfer, sein Widersacher Täter. Oft sind die Verhältnisse so, dass dieses Bild gilt und eine Krankschreibung als heilender Ansatz sinnvoll ist.
Zuweilen ist es jedoch kompliziert. So mancher Gemobbte trägt selbst zur Eskalation des Konfliktes bei; nicht nur indem er sich aus lauter Ängstlichkeit in sozialen Gemeinschaften schlecht platziert, sondern auch weil er Ansprüche ans Umfeld stellt, über deren Realitätssinn keine Einigkeit besteht. Zuweilen entspricht der Wunsch nach Krankschreibung keiner medizinischen Notwendigkeit, sondern ist eine Waffe des Opfers, durch die es sich an seinen Widersachern rächen will. Dann ist unklar, wer eigentlich der Gemobbte ist.
Nicht selten werden Gemobbte wegen häufiger Fehlzeiten gemobbt. Ob berechtigt oder nicht, sei dahingestellt. Eine Krankschreibung wegen Mobbings schüttet hier womöglich Öl ins Feuer.
Wohlgemerkt: Mobbing ist nie berechtigt. Mit berechtigt ist der Eindruck des Umfelds gemeint, dass das Opfer die Möglichkeit der Krankschreibung missbräuchlich ausnützt.
Passive Aggression
Passive Aggression ist ein wichtiges Werkzeug des Mobbings.
Personen, die offene Konflikte vermeiden und daher rasch zu Opfern werden, nutzen passive Aggression gehäuft als Mittel der Abwehr. Legion heißt die Zahl der Gemobbten, die zum passiv-aggressiven Gegenmobbing schreiten... und ihre Arbeitskraft nach einer als unannehmbar eingestuften Kränkung monatelang der Arbeitswelt vorenthalten. Per Krankschreibung bestraft der Gekränkte das verlassene Umfeld durch Arbeitsüberlastung ohne Lohnausgleich.
Die passiv-aggressive Persönlichkeit wird zum einen durch ihr ausweichendes Verhalten Opfer fremder Aggression, zum anderen wird sie durch die unterschwellig aggressive Komponente ihres Verhaltens rasch zum Täter. Leicht schaukelt sich ein Wechselspiel beider Komponenten auf.
Während jeder Mobbing zum Opfer fallen kann, riskiert nicht jeder, Täter zu werden. An der Abwertung anderer kann nur der ein Interesse haben, der unter Selbstwertzweifeln leidet. Wer sich seines Wertes sicher ist, kann von der Abwertung anderer nicht profitieren. Im Gegenteil: Die Entwertung anderer ist ihm ein Dorn im Auge. Sie selbst zu betreiben, ist unter seiner Würde.
Typische Opfer und typische Täter des Mobbings haben im Grundsatz das gleiche Problem. Es fehlt ihnen an der Wertschätzung des eigenen Selbst. Dabei geht es wohlgemerkt um die Wertschätzung des eigenen Selbst, nicht der der eigenen Person. So ist die narzisstische Persönlichkeit vom Wert der eigenen Person zutiefst überzeugt. Den Wert ihrer selbst kennt sie nicht.
Während die Mehrzahl der Opfer vorwiegend defensive Verhaltensmuster wählt, praktizieren Täter grundsätzlich aggressive Varianten. Häufige Täterpersönlichkeiten sind:
Der narzisstischen Persönlichkeit gelingt es entweder tatsächlich durch besondere Fähigkeiten hervorzustechen. Dann muss sie andere nicht eigens entwerten. Im Gegenteil: Sind andere bereit zur Anerkennung kann der Narzisst seine Anerkenner seinerseits wohlmeinend anerkennen. Anders kommt es, wenn es der narzisstischen Persönlichkeit an Fähigkeiten fehlt, die spontane Bewunderung wahrscheinlich machen, oder wenn sie auf ein missgünstiges oder neidisches Umfeld stößt, das ihr Anerkennung vorenthält. Dann kann der Narzisst gekränkt in die untere Schublade greifen. Er findet dort Waffen, die besonders verletzend sind.
Der Neigung des Paranoiden, anderen vorwiegend Übles zuzuschreiben, entspringt per se die Gefahr, das tatsächlich oder vermeintlich Üble mit üblen Mitteln zu bekämpfen.
Für die dissoziale Persönlichkeit haben andere sowieso keinen Wert. Nur wenn es zu seinem Vorteil ist, gaukelt der Dissoziale anderen vor, dass es anders sei. Ansonsten sieht er keinen Anlass, andere seine Missachtung nicht spüren zu lassen.
Während, je nachdem welche Persönlichkeiten im Bezugsfeld aufeinandertreffen und welche Koalitionen dabei entstehen, auch die typischen Täterpersönlichkeiten Opfer werden können, birgt die Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung ein gesteigertes Risiko in sich, zugleich Täter als auch Opfer zu sein. Befindet sich eine emotional-instabile Person in der Erwartung, im Gegenüber nur Gutes zu finden, neigt sie dazu, sich dem vermeintlich Nurguten ungeschützt hinzugeben. Sie grenzt sich nicht ab und wird Opfer. Kippt der Modus ihrer Wahrnehmung ins Negative, wird aus Naivität Wut und Verachtung, die dem Umfeld ungezügelt entgegenschlägt. Aus dem Opfer wird ein blindwütiger Täter.
Treten im Rahmen von Mobbing Symptome auf, stehen passive und aktive Ansätze zur Verfügung.
Bei ausgeprägter Symptomatik, vor allem bei Ängsten, Depressionen und Schlafstörungen, kann bei entsprechendem Behandlungswunsch an die Verordnung von Psychopharmaka gedacht werden. Da es sich bei der Symptomatik aber nur selten um eigenständige Krankheitsbilder handelt, sondern vielmehr um die Folgen unbewältigter Konflikte, ist die Pharmakotherapie als symptomatisch zu betrachten.
Als passiver Ansatz ist auch die Krankschreibung anzusehen, die für jene Patienten, die Mobbing am Arbeitsplatz erleiden, ein nützliches Mittel zur Entlastung ist. Kann durch klärende Gespräche mit mobbenden Vorgesetzten keine Lösung gefunden werden, führt die Krankmeldung nicht selten sogar zur kausalen Lösung; wenn der Vorgesetzte erkennt, dass er ungestraft nicht beliebig mit seinen Mitarbeitern umspringen kann. Auch mobbende Kollegen kann die zusätzliche Arbeit, die im Falle einer Krankschreibung des Opfers auf ihren Schultern landet, zu mehr Diplomatie und Zurückhaltung ermuntern; oder aber sie bewirkt das Gegenteil.
Das beste Mittel im Umgang mit Abwertungen aller Art ist der Erwerb eines Selbstwertgefühls, das von der Zuwendung anderer unabhängig ist.
Deshalb sind Psycho- und Verhaltenstherapie die Mittel der ersten Wahl. In der Psychotherapie kann der Patient jene eigenen Anteile erkennen, durch die er sich in die Position des Opfers bringt. Durch Betrachtung und Annahme der eigenen Muster steigert er generell sein Selbstbewusstsein. Er kann Verhaltensmuster entwickeln, durch die er sich im Konfliktfall besser behaupten kann.
Zu den aktiven Ansätzen sind auch klärende Gespräche unter Vermittlung von Mediatoren bzw. Teamsupervisoren zu rechnen.