Sadomasochismus


  1. Ursprung des Begriffs
  2. Formen der sadomasochistischen Beziehungsasymmetrie (SMBA)
  3. Innerseelische Vorgänge
    1. 3.1. Psychologie des Sadismus
    2. 3.2. Psychologie des Masochismus
    3. 3.3. Scham und Verantwortung
  4. Rituale
    1. 4.1. Gehorsam
    2. 4.2. Fesselung
      1. 4.2.1. Korsagen
    3. 4.3. Schmerz
  5. Anthropologische Grundlagen
    1. 5.1. Das biologische Erbe
      1. 5.1.1. Geschlechtsspezifische Rollen
    2. 5.2. Dualismen des Daseins
      1. 5.2.1. Subjekt - Objekt
      2. 5.2.2. Ego - Selbst
      3. 5.2.3. Form - Inhalt
    3. 5.3. Grenzüberschreitungen
    4. 5.4. Vereinnahmung und Transzendenz
    5. 5.5. Kulte des Gehorsams
  6. Diagnostische und therapeutische Konsequenzen
    1. 6.1. Spiel oder Krankheit
    2. 6.2. Therapie
      1. 6.2.1. Medikamente
      2. 6.2.2. Psychotherapie
Herrschaft ist nur rechtmäßig, wenn sie dem Wohl des Beherrschten dient.

Die Spannbreite sadomasochistischen Verhaltens reicht vom harmlosen Rollenspiel bis zu schwerer Psychopathologie.

1. Ursprung des Begriffs

Der Begriff Sadomasochismus geht auf zwei Schriftsteller zurück: de Sade und Sacher-Masoch. Beide beschreiben in ihren Werken Sexualpraktiken und erotische Phantasien, die in Anlehnung an ihre Namen später sadistisch bzw. masochistisch genannt wurden.

Lebensstil, Variante oder Störung
Die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) stuft Sadomasochismus (SM) als Störung der Sexualpräferenz (F65.5) ein. Die pauschale Bewertung des SM als Krankheit ist umstritten. Krankhaft ist er, wenn er Schaden verursacht. Er schadet...

Werden sadomasochistische Muster einvernehm­lich ausgeübt, werden sie meist als Elemente des individuellen Lebensstils aufgefasst. Sadistische Neigungen sind aber auch Grundlage schwerer Delinquenz.

2. Formen der sadomasochistischen Beziehungsasymmetrie

Einvernehmlichkeit

Einvernehmlichkeit ist relativ. So mancher hat im Bett Praktiken zugestimmt, nicht weil er Lust an Unterwerfung hätte, sondern aus Furcht, dass sein Partner ihn bei Widerstand verlässt. Dann ist zwar formal Einvernehmlichkeit gegeben, krankhaft ist SM hier aber trotzdem; weil die Bereitschaft, sich für anderweitige Zwecke sexuell demütigen zu lassen, Schaden verursacht.

Sadomasochismus ist vor allem als sexuelle Vorliebe bekannt. Im Rahmen erotischer Begegnung kommt er als freiwilliges Beziehungsarrangement vor. Oder sadistische Sexualprakti­ken werden dem Unterworfenen gegen dessen Willen aufgezwängt.

Die polare Beziehungsasymmetrie zwischen Herrscher und Sklave ist aber nicht nur ein Motiv erotischen Lustgewinns. Jenseits unmittelbar sexueller Praktiken spielt die Polarisierung von Macht und Ohnmacht auch in anderen Bereichen eine Rolle. Man findet sie...

Pädophilie

Psychodynamisch gibt es zwischen Pädophilie und Sadomasochismus Ähnlich­keiten. Auch die pädophile Missbrauchsbeziehung ist von einer eindeutigen Beziehungsasymmetrie geprägt. In der Regel ist das Kind dem Täter wehrlos ausgesetzt. Oft versteht es nicht einmal, was ihm geschieht. Das ist kein Zufall: Auch den pädophilen Täter reizt es, Lust ohne Angst vor Zurückweisung zu erleben und die sexuelle Beziehung vollständig zu kontrollieren. Je weniger das Kind über sich selbst bestimmen kann, desto eher wird ihm das gelingen.

Da die Herabsetzung zum Objekt einer sexuellen Begierde, der das Kind aus seinem Einwicklungsstand heraus keine entsprechende Eigenaggression entgegensetzen kann, der seelischen Entwicklung des Kindes schadet, kann die praktizierte Pädophilie als pathogene (griechisch leiderzeugend) Form des sadomasochistischen Themas eingestuft werden; wobei die Machtausübung des Täters, je nach Fügsamkeit des Kindes, unter Umständen unsichtbar bleibt.


Das Urteil ist eine Form der Aggression. Wer ur-teilt, teilt auf. Er hat die Macht zu spalten und das Gespaltene in Töpfe einzuordnen. Da das Kind kaum je andere sexuelle Erfahrungen gemacht hat, ist der pädophile Täter sicher, dass es ihn nicht mit anderen Personen vergleichen kann.

3. Innerseelische Vorgänge

Das seelische Motiv der sadomasochistischen Beziehungsasymmetrie (SMBA) kann am Beispiel der sexuellen Variante aufgezeigt werden. Ist das Arrangement freiwillig, dient es der wechselseitigen Entängstigung. Ziel ist, erotische Lust mit verringertem Angst- oder Schulddruck zu erleben. Die Angst, um die es dabei geht, ist die Angst vor Zurückweisung oder Entwertung. Maßgeblich für das Verständnis der Motive der SMBA sind die Gesetzmäßigkeiten des psychologischen Grundkonflikts und der narzisstischen Selbstwertregulation. Beide Dynamiken greifen wechselseitig aufeinander zu.

3.1. Psychologie des Sadismus

Wie jeder Mensch, so unterliegt auch der Sadist dem psycho­logischen Grundkonflikt. Wie jeder Mensch versucht auch er, sein Selbstwertgefühl stabil zu halten. Deshalb fürchtet er sich vor Zurückweisung und Entwertung. Da Sexualität ein Erlebnisfeld ist, in dem man miteinander intim wird, sich also seelisch und körperlich entblößt und damit aussetzt, ist die Furcht vor beiden Gefahren hier besonders groß. Das erklärt, warum die Bereitschaft zur SMBA innerhalb sexueller Beziehungen meist sichtbarer wird als anderswo; und warum sich eine Subkultur rund um dieses Thema rankt.

Intimität und Vertrauen

Der Begriff intim entspringt dem lateinischen intimus = innerst, vertraut. Bei der intimen Beziehung öffnet man dem Partner sein Innerstes; was gerade beim weiblichen Partner wörtlich zu nehmen ist. Da das Öffnen des Innersten Wagnis ist, braucht man zur Intimität Vertrauen:

Am besten gelingt Intimität, wenn man sowohl dem Anderen als auch sich selbst vertrauen kann.

Der Sadist, also der dominante Partner in der SM-Beziehung, entkräftet seine Angst vor Zurückweisung und Abwertung, indem er vom Partner Unterwerfung fordert. Er kann sich seinen erotischen Impulsen überlassen...

Sind solche Bedingungen erfüllt, ist die Angst, die seine Fähig­keit zum Lustgewinn beschränken könnte, aus dem Bewusstsein des Sadisten verdrängt. Ungehemmt kann sich sein Penis aus der Deckung wagen.

Spielt die Frau die dominante Rolle, wagt sich zwar kein Penis, dafür aber ihre Begierde und ihr Herrschaftsanspruch aus der Deckung.

Ich stehe auf...

... Sado-Maso. So sagt mancher, wenn er seine sexuelle Vorliebe beschreibt. Mit dem Wort stehen meint der Mann die Funktion seines Geschlechtsorgans. Die Erektion ist ein sensibles Phänomen. Der angeschwollene Penis macht sich ebenso sichtbar, wie er sich durch Sichtbarmachung der Bewertung, Verletzung und Zurückweisung aussetzt. So mancher Mann hat vor Zurückweisung so viel Angst, dass die Erektion nur zustande kommt, wenn er mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen kann, dass ihn sein Gegenüber weder beurteilen, bewerten noch zurück­weisen wird... oder dass er die Macht hat, eine Zurückweisung zu brechen.

Es heißt: Ich stehe auf.... Das zeigt die Bedeutung, die Männer der Erektionsfähigkeit ihres Penis zuweisen. Sie identifizieren sich mit dem Organ, sodass dessen Versagen als Versagen der ganzen Person empfunden wird.

Ich stehe auf heißt aber auch Ich erhebe mich. Kaum jemand bezweifelt, dass zur Männlichkeit der Mut gehört, sich zu stellen. Die Erektion symbolisiert Männlichkeit nicht nur auf organismischer Ebene. Erektion als Ansatz zu sexueller Aktivität ist von je her mit der Bereitschaft verbunden, sich Widersachern ebenso wie den Widrigkeiten des Lebens zu stellen.

3.2. Psychologie des Masochismus

Auch der Masochist hat Angst, dass er entwertet oder abge­wiesen wird; meist wird die Angst vor Zurückweisung bei ihm aber stärker als die vor Abwertung sein. Auch den Masochisten hindert Angst daran, in einer sexuellen Begegnung Lust zu erleben. Was, wenn er sich öffnet und es gelingt ihm nicht, das Gegenüber durch seinen erotischen Reiz zu erregen? Was, wenn der Andere nicht auf ihn steht? Muss er dann nicht fürchten, vor sich selbst und dem Anderen als wertlos da zu stehen?

Die Strategie des Masochisten passt als Gegensatz zu der des dominanten Partners. Er dämpft die Angst vor beiden psychologischen Gefahren der Intimität...

Narzisstische Tauschgeschäfte
Während sich der Sadist gleichermaßen vor Zurückweisung und Abwertung fürchtet, ist die Angst des Masochisten vor der Zurückweisung größer. Deshalb ist er bereit, innerhalb der SM-Beziehung die untergeordnete Rolle zu spielen.

Zunächst wird das sein Gefühl der Minderwertig­keit verstärken. Er bügelt die Lücke aber aus, indem er sich mit dem Aggressor identifiziert. Wenn mich ein so mächtiger Mensch wie mein Partner als dienstbereites Gegenüber wählt, muss an mir selbst etwas wertvoll sein.

Während der dominante Partner Lust erlebt, weil sein Ego scheinbar mächtig wird, erlebt der devote Lust, weil er sich durch die vordergründige Verleugnung des Egos außer Gefahr bringt, als solches abgelehnt zu werden. Die interpersonelle Komponente dieser Strategie ist eine Spielart der Bestechung.

Macht der Verführung

Zum Rollenspiel der sadomasochistischen Beziehung gehört die Asymmetrie der Macht. Vordergründig sind die Machtverhältnisse klar verteilt. Tatsächlich sind die Dinge oft verwickelt. Durch Unterwerfung übt der devote Partner erotische Macht über den dominanten aus. Der ist von der Verlockung so gefesselt, dass er sich unter Umständen kaum noch abwenden kann. Wer gehorcht also wem? Der Masochist dem Sadisten, der Sadist seiner Begierde oder die Begierde der Unterwerfung?

3.3. Scham und Verantwortung

In der sadomasochistischen Beziehung spielen Schamgefühle eine große Rolle. Beide, Demütiger und Gedemütigter, haben mit Schamgefühlen zu tun. Die Angst vor Zurück­weisung, die am Anfang der SMBA steht, bezieht ihre Kraft aus der Tatsache, dass beide Akteure Zurückweisung als eine Abwertung empfänden, die unannehmbare Schamgefühle auslöst.

Durch das sadomasochistische Beziehungsarrangement ist das Problem der Scham­angst aber nicht aus der Welt. Wenn die psychologischen Strukturen der Partner symbiotisch ineinandergreifen, mag zwar die Gefahr der Zurückweisung gebändigt sein, der Dynamik der Beziehung können aber neue Schamgefühle entspringen.

Symmetrische Asymmetrie

Eine sadomaso­chistische Beziehung ist spielerisch, wenn sie dem Wohl beider Partner die gleiche Bedeutung zumisst.

Sie ist destruktiv, wenn der dominante Partner seine Verantwortung für das Wohl des devoten aufgibt.

Verdrängung, Verleugnung und Eskalation

Sekundäre Schamgefühle, die dem Sadisten beim Versuch drohen, die primä­re Schamangst, nämlich die Angst, sich durch Zurückweisung unerträglich entwertet zu fühlen, durch Herrschaft abzuwehren, werden entweder bewusst oder ihrerseits verdrängt.


4. Rituale

Zur Praxis des sexuellen Sadomasochismus gehören typische Rituale. Sie beleuchten die psychologischen Motive, die das Wechselspiel bestimmen.

4.1. Gehorsam

Durch die Bereitschaft zu Dienst, Disziplin und Gehorsam signalisiert der devote Partner dem dominanten, dass er keine Gefahren fürchten muss, die einer eigenwilligen Daseinsaktivität des Unterworfenen entspringen. Der Sadist geht davon aus, dass er über die Ressourcen des Anderen jederzeit verfügen kann, ohne je auf Widerstand zu stoßen. Er lebt mit der Vorstellung, dass er angstfrei er selbst sein kann.

Auch jenseits des sexuellen Sadomasochismus gehört die Befreiung von der Last der Verantwortung zum Lohn des Gehorsams.

Durch Gehorsam und Unterordnung tritt der Masochist nicht nur seine Entscheidungs­freiheit ab, sondern damit auch die Verantwortung für alles, was er tut. So braucht er nicht zu fürchten, sich durch eigenständige Taten schuldig zu machen. Alles, was geschieht, liegt in der Verantwortung dessen, der die Situation beherrscht.

4.2. Fesselung

Die Fesselung des unterworfenen Partners wiederholt und verdeutlicht auf körperlicher Ebene, was Gehorsam auf der dialogisch-interpersonellen vollstreckt: Die Entmachtung des devoten Partners. Der Gefesselte könnte sich, selbst wenn er es versuchte, nicht mehr gegen die Vereinnahmung wehren.

Zeigen Kleider etwas an, kann man mit Kleidern nackter sein als ohne.
4.2.1. Korsagen

Üblicherweise werden Korsagen, Büsten- und Strumpfbandhalter, deren Aufgabe es ist, erotische Bereitschaft auszulösen und anzuzeigen, nicht mit dem sadomaso­chistischen Thema in Verbindung gebracht. Tatsächlich sind sie dessen milder Ausdruck.

Die Bänder und Schnüre der entsprechenden Dessous symbolisieren Fesselung und Gefesseltsein in zweierlei Hinsicht. Zum einen bedeuten sie eine symbolische Fesselung der Frau. Zum anderen betonen sie deren erotische Reize. Der Anblick symbolisch gefesselter Brüste und Schenkel fesselt den Mann nun seinerseits, sodass er erst recht von der Macht weiblicher Reize beherrscht wird. Das Beherrschtsein vom weiblichen Reiz verwirklicht masochistisches Unterworfensein im männlichen Pol der Beziehung.

Auch andere erotische Hilfsmittel, die die (Lust-)Objekthaftigkeit des weiblichen Körpers betonen, Seidenstrümpfe, durch­scheinende Negligés und Kosmetika, werden als Werkzeuge im Spannungsfeld der SMBA eingesetzt.

Der Begriff Negligé geht auf französisch négliger = vernachlässigen zurück. Das Negligé ist ein Kleidungsstück, das die Abwehr des optischen Zugriffs auf den weiblichen Körper vernachlässig und ihn somit den Blicken des Mannes überlässt.

Rituale und Intensität der SMBA

Ritual Grad der Asymmetrie
Symbolische Fesselung durch Kleidungsstücke +
Gehorsam ++
Faktische Fesselung +++
Zufügen von Schmerz ++++

4.3. Schmerz

Die Intensität der SMBA hängt vom Ausmaß der Intimangst der Beteiligten ab. Ist die Angst des Sadisten besonders groß, wird er besondere Beweise dafür fordern, dass ihn der devote Partner auf keinen Fall zurückweisen wird.

Schmerz signalisiert drohenden körperlichen Schaden. Der ist genau das, was der menschliche Organismus im Interesse der Erhaltung seiner eigenständigen Handlungsfähigkeit von je her zu vermeiden versucht. Wenn der devote Partner es dem dominanten erlaubt, ihm Schmerzen zuzufügen, und wenn er ihm dafür sogar noch dankbar ist, entängstigt er den Sadisten noch mehr, als es durch Gehorsam und Fesselung allein möglich wäre. Er sagt: Selbst wenn du mir gegenüber das Böse tust, werde ich dich noch lieben. Oder noch mehr: Ich liebe dich genau dafür, dass du mir gegenüber das Böse tust. Ich schenke dir totale Freiheit, die Befreiung aus den Begrenzungen aller üblichen Verhaltensregeln.

5. Anthropologische Grundlagen

Die anthropologischen Grundlagen der SMBA reichen über die individualpsychologische Ebene hinaus. Sie verweisen sowohl auf biologische als auch auf existenzielle Vorgaben des menschlichen Daseins.

5.1. Das biologische Erbe
Die psychologische Bedeutung der intimen Partnerschaft geht weit über ihre Funktionen im Rahmen der Fortpflanzung hinaus. Obwohl in den Bedingungen der geschlechtlichen Fortpflanzung eine Wurzel der SMBA zu erkennen ist, spielt das biologische Erbe beim Verständnis des Phänomens eine untergeordnete Rolle.

Kniefall

Es ist kein Zufall, dass die Galanterie als finales Antragsritual des höfischen Mannes den Kniefall erfand. Indem er vor ihr auf die Knie fällt, gibt er ihr zu verstehen, dass die Hingabe des weiblichen Körpers unter sein männliches Begehren keine Unterwerfung der Frau als Ganzes zur Folge hat.

Umkehr

Es mag sein, dass sich die Phantasie der Dominanz leichter in männlichen Köpfen einnistet; nicht selten ist sie aber auch in weiblichen zuhause. Der männliche Masochist, der bei seiner Domina für Schläge zahlt, ist Legende. Zu vermuten ist, dass bei der Umkehr der biologischen Vorgabe individual­psychologische Motive eine größere Rolle spielen.


Abwehr­mechanismen

Bei der Frau kann devotes Verhalten als Reaktionsbildung zur Abwehr bestimmter Risiken des weiblichen Musters aufgefasst werden. Wer keine Bedingungen stellt, braucht ihre abschreckende Wirkung nicht zu fürchten.

Devotes Verhalten des masochis­tischen Mannes kann ähnlich gedeutet werden: als Reaktionsbildung zur Abwehr eigener Dominanzansprüche.


Prosaisch aber wahr: Nicht alles, was zwischen Mann und Frau geschieht, wird von romantischer Liebe und Leidenschaft bestimmt. In vielen Kulturen wird der Brautpreis offen ausgehandelt. Bei uns bleibt der Handel eher verdeckt.

Die Herrschaft über den Partner wird öfter vom Mann beansprucht. Die Bereitschaft zur Unterwerfung signalisiert öfter die Frau. In traditionell patriarchalischen Gesellschaften wird dieses Verhältnis mehrheitlich als folgerichtig empfunden. Das hat mit biologischen Geschlechts­unter­schieden zu tun.

Dabei gilt zu beachten, dass die Rollenverteilung oft nur vordergründig ist. Tatsächlich sind Partnerschaften vielschichtig. Macht und Ohnmacht verstricken sich zu einem Knäuel, das nur schwer durchschaut werden kann.

Während die Frau sicher sein kann, dass es das eigene Kind ist, für dessen Gedeihen sie sich müht, kann der Mann darauf nicht vertrauen. Die Logik der evolutionären Gesetze fordert ihn daher auf, sicher­zustellen, dass es die eigenen Gene sind, in die er seine Kraft als Vater investiert; und nicht etwa die eines Kuckucks, der einen herrschaftsfreien Raum für sich nutzen konnte. Die Idee zur Lösung des Problems kam dem Mann schon in der Steppe:

Wenn er die Frau vollständig besitzen und kontrollieren kann, braucht er nicht zu fürchten, dass dereinst jemand über seine Torheit lacht. Die Gefahr eigener Entwertung wird durch Herrschaft gebannt.

Da der Mann die stärkeren Muskeln hat, fiel ihm die vordergründig dominante Rolle leicht.

Die Frau weiß, wer der Vater ihres Kindes ist oder zumindest ist es für sie nicht so wichtig. Es ist allemal ihrs. Trotzdem hat auch sie ein Interesse daran, den Mann an sich zu binden. In der Steppe kann es nicht schaden, wenn einer Hirsch oder Wildschwein nach Hause bringt, während Frau zuhause das plärrende Bündel bewacht; oder wenn er zumindest am Auto die Reifen wechselt.

Die Bereitschaft, dem Mann im Tausch gegen Schutz und Muskelkraft Herrschaft über einen Frauenleib zu verleihen, war schon für Lucy ein Werkzeug im Kampf ums Überleben.

Als Lucy wird das 3,2 Millionen Jahre alte Exemplar eines vermutlich weiblichen Vertreters der Art Australopithecus afarensis bezeichnet, deren Skelett in Äthiopien entdeckt wurde.

5.1.1. Geschlechts­spezifische Rollen

Ob bei Vögeln, Reptilien oder Säugetieren, fast immer sind Rollen­muster in der sexuellen Beziehung geschlechtsspezifisch. Die hier aufgezeigten Muster sind weder vollständig noch eindeutig. In vielen Fällen weicht das Verhalten beim Menschen davon ab. Trotzdem gilt:

In die Endstrecke solcher Verhaltensmuster sind die Themen Hingabe und Zugriff bereits eingewoben. Da der Vorlauf mühselig ist oder mit anderen Risiken behaftet...

Für den männlichen Part ist die Brunft zumindest anstrengend. Fast jede Dokumentation über die heimische Tierwelt benennt zwischen der 34. und der 42. Sendeminute die Strapazen des männlichen Rothirschs im Herbst. Bedingungen zu stellen und sich gegen Missbrauch abzusichern, ist für den weiblichen Part und dessen Nachkommen statistisch gesehen klug. Allzu wählerisch zu sein, kann aber dazu führen, dass die Prinzessin leer ausgeht und gar keine Nachkommen hat.

... sinnt die menschliche Psyche auf Abhilfe. Der eine träumt davon, in einem Schlaraf­fenland der Gelüste bedient zu werden, ohne sich um die Erfüllung fremder Ansprüche zu mühen. Eine andere geht dem Risiko, leer auszugehen, soweit als möglich aus dem Weg: indem sie keine Ansprüche mehr stellt.

5.2. Dualismen des Daseins

Als Grundlage der individualpsychologischen Ebene, die um den psychologischen Grund­konflikt und die narzisstische Selbstwertregulation kreist, ist die ontologische (grie­chisch on (ον) = seiend) Ebene fundamentaler Daseinsbedingungen auszumachen. Dort stehen Dualismen im Raum, deren Betrachtung das Verständnis der sadomasochis­tischen Beziehungsasymmetrie vertiefen:

5.2.1. Subjekt - Objekt
Durch das hochgradig symbiotische Muster der SMBA schließt sich das Paar in eine Kapsel ein, die es an die endgültige Zugehörigkeit und die vollständige Selbstbestimmung des Himmels erinnert. Beide fühlen sich so miteinander in eine Einheit verzahnt, dass sie die Gefahren jenseits der Kapsel für unwirklich halten.

Der Mensch nimmt an zwei Ebenen der Wirklichkeit teil: der der Objekte und der der Subjektivität. Daher kann er einerseits handeln und leiden, andererseits wirken Kräfte auf ihn ein, die ohne sein Zutun etwas mit ihm machen. Im Leben ist der Mensch Subjekt und Objekt zugleich. Damit wird er stets an eine Halbheit erinnert, die ihm unterschwellig Todesangst bereitet; denn er weiß: Alle Objekte werden untergehen. Soweit er selbst Objekt ist, kann er niemals angstfrei sein.

Die SMBA ist ein Arrangement bei der der devote Partner den dominanten so weit es geht von seiner Objekthaftigkeit befreit, weil er sich selbst zu einem ausschließlich von außen bestimmten Objekt herabsetzt. Der dominante Partner kann unbegrenzt Bestimmungsmacht genießen. Der devote genießt Macht - meist unbe­wusst - auf seine Art: Er weiß, dass er es ist, der seinem Partner durch Unterwerfung Bestimmungsmacht verleiht; und dass er sie ihm jederzeit entziehen kann.

5.2.2. Ego - Selbst

Der Mensch besteht aus zwei Teilen: Ego und Selbst. Darin spiegeln sich die Ebenen von Objekt und Subjekt wieder.

Das Ich leidet an der Wirklichkeit. Es fühlt sich seiner selbst nicht sicher. Es geht davon aus, dass es jederzeit aus der Wirklichkeit beseitigt werden kann. Zur Über­windung seiner Angst kann es zwei Dinge versuchen.

Abwehr egozentrischer Ängste durch sadomasochistische Polarisierung

Pol Stärkung des Ego Aufgabe des Ego
Sadistisch / dominant +++ (+)
Masochistisch / devot (+) +++

Bei der SMBA werden beide Motive miteinander verknüpft. Indem er den Selbstbestim­mungsanspruch des devoten Partners aufsaugt, stärkt der dominante Partner sein Ego. Er dämpft dessen Angst aber auch, indem er es trotz aller Dominanz in eine sym­biotische Bindung investiert und es damit zu einem Teil einer größeren Einheit macht.

Aufgesaugt

Das literarische Thema des Vampirismus zeigt Parallelen zur SMBA. Der Vampir stärkt sich am Lebenssaft seines Opfers, das ihm im Schlaf völlig ausgeliefert ist. Wenn es auch kaum je in Vampirfilmen als wünschenswert erscheint, erfüllt der Biss dem Opfer einen Menschheitstraum. Es landet in einer Welt der Untoten und überwindet somit die eigene Sterblichkeit. Dass das Dasein der Untoten auf ein fahles Schattenreich begrenzt ist, verweist darauf, dass die masochistische Hingabe an das Ego des Meisters ungeeignet ist, vollgültige Unsterblichkeit zu erreichen.

Der devote Partner mindert die Angst, indem er sein Ego verleugnet und sich einer größeren Einheit überlässt, die er als vitaler als seine Einzelexistenz erlebt. Da er dort nicht mehr um die Selbstbehauptung seines Egos kämpfen muss, fühlt sich dieses in seinem Bestand gesichert.

5.2.3. Form - Inhalt

Form und Inhalt treten im Diesseits gemeinsam auf. Erst die Verbindung beider hebt das Wirkliche aus dem Unwirklichen hervor. Auch bezüglich dieses Dualismus wird bei der SMBA eine Rollenpolarisierung vollzogen. Der dominante Partner gibt die Form vor, die der devote durch Anpassung zu erfüllen hat.

Die für beide Seiten erregende Dynamik der SMBA entsteht, weil durch die exakte Abstimmung von Form und Inhalt eine Beziehungssymbiose gefestigt wird, die sich kontrastreich aus dem Umfeld hervorhebt.

Hier sind wir. Die Grenze zwischen uns und der Welt da draußen dichten wir durch unsere enge Verzahnung ab.

Diese Symbiose kann intensiver erlebt werden als eine Beziehung, die ohne perfekte Verzahnung auskommt. Durch ihre Intensität kann sie über die Bedeutungslosigkeit des persönlichen Daseins hinwegtrösten und Ängste vor dessen Vergänglichkeit dämpfen. In der Regel geschieht das unbewusst.

5.3. Grenzüberschreitungen
Nach der Entgrenzung durch Erotik bezeichnet man den Partner als bessere Hälfte. Nach einer Entgrenzung durch Transzendenz erkennt das Ich seine Identität im Du.

Indem es Sex hat, tritt das Individuum einer Erfahrungswelt bei, die nicht zum Spektrum kindlicher Erfahrungswelten gehört. Es hat den Akt vollzogen, aus dem heraus es selbst entstand. Es greift damit nach generativer Eben­bürtigkeit mit seinen Eltern.

Je weniger eine Kultur die Emanzipation ihrer Individuen vorsieht, desto mehr Kontrolle beansprucht sie. Solche Kulturen gehen davon aus, dass eine sexuelle Verbindung nicht nur geduldet werden muss, sondern sogar arrangiert und von Dritten entschieden.

Auch wenn sadomasochistische Muster auf anderen Beziehungsfeldern zu fin­den sind, ihr Heimathafen ist die Erotik. Das ist kein Zufall. Kernthema von Sex­ualität und Erotik ist die Überschreitung von Grenzen:

Tabus und Verbote spielen in der Welt der Erotik eine große Rolle. Sie geben Gelegen­heit, das Thema der Grenzüberschreitung als einen Akt psychosozialer Emanzipation in Szene zu setzen. Es gibt wohl keine Kultur, in der die Freisetzung erotischer Lust so beiläufig vonstattengeht, wie andere organismische Vorgänge. Die sexuelle Verbindung zweier Individuen erregt die Aufmerksamkeit des familiären Umfelds. Fast immer geht das Umfeld davon aus, dass die intime Beziehung eines Paares von ihm geduldet, erlaubt und akzeptiert werden muss. Zumindest enthält sich kaum ein Umfeld je des Anspruchs, die Entscheidung des Paares füreinander zu bewerten.

Die Heftigkeit der Leidenschaft mit der die Grenzüberschreitungen einer jeden wahrhaft erotischen Beziehung vollzogen werden, bringt daher den Impuls mit sich, sich über soziale Tabus, Verbote und Widerstände hinwegzusetzen. In der Überschreitung von Kontrolle und Tabu emanzipieren sich die zukünftigen Partner aus einer sozialen Vormundschaft; was ihre Leidenschaft in der Regel erst recht erregt. So manche Beziehung wird eingegangen oder beibehalten, weil das Umfeld dagegen ist.

Die Überschreitung sozialer Tabus, Verbote und Vormundschaften wird beim sado­masochistischen Arrangement über das Normalmaß hinaus auf die Spitze getrieben. Die totale Herrschaft des einen über einen anderen zwecks Steigerung sinnlicher Lust gehört zu keiner kulturellen Regel, auch nicht, dass der eine dem anderen zum gleichen Zweck Schmerz zufügt. Indem sich ein Paar darauf einlässt, weist es bindende Regeln des Umfelds zurück. Die Verbindung des Paares zur Symbiose lockert die Verbindung zum Umfeld. Für beider Ego ist das Triumph. Es ist eigenwillig. Es schirmt gegen Bevormundung durch Dritte ab.

Das masochistische Ich verleugnet sein Ego. Es transzendiert es nicht.
5.4. Vereinnahmung und Transzendenz

Erotik hat mit Spiritualität zu tun. Beide thematisieren die Überwindung von Grenzen auf der Suche nach überge­ordneter Wirklichkeit. Während der erotische Aufbruch nur bis zur dialogischen Bezieh­ung einer Partnerschaft kommt und damit in neuen Grenzen endet, plant Spiritualität entschieden mehr. Sie will Entgrenzung unbegrenzt, damit sich das Identitätsgefühl des Ich aus dem Ego in die gesamte Wirklichkeit ergießt.

Zur Erotik gehört nicht nur die Hingabe des Egos an die lustvolle Gemeinschaft. Es gehört auch Vereinnahmung dazu. Das wird bei der sadomasochistischen Ausge­staltung der sexuellen Beziehung besonders deutlich; und zwar nicht nur was die Vereinnahmung des devoten Partners durch den dominanten betrifft. Auch die Unterwerfung des Maso­chisten vereinnahmt auf ihre Weise. Auch sie ist kein Überschreiten des Ego, sondern seine Verleugnung, die ihrerseits egozentrischen Zwecken dient.

Freiheit liegt nie in Beherrschung. Es mag zwar sein, dass sich der Beherrscher einer Sache, zum Beispiel eines fremden Körpers, durch seine Herrschaft von bestimmten Grenzen befreit, die Herrschaft an sich bindet ihn jedoch in neue Grenzen, die ihn womöglich mehr binden als die, die er hinter sich ließ. Deshalb führt Sadomasochismus kaum je zu echter Überwindung egozen­trischer Angst. Ist er ein einvernehmliches Spiel mag er gesteigerte Lust vermitteln. Ist er notwendig, damit man überhaupt Lust erlebt, ist die Herrschaft des Sadisten selbst ein Gefängnis. Wirklich befreit kann nur sein, wer den Trieb des Ego, über irgendetwas zu herrschen, hinter sich lässt.

5.5. Kulte des Gehorsams

Im abrahamitischen Kulturkreis spielt Gehorsam im religiösen Selbstverständnis eine zentrale Rolle. Zwischen dem biblisch-koranischen Gott und seinen Anhängern besteht eine asymmetrische Beziehung, in der der Herr­schaftsanspruch des Einen die voll­ständige Hingabe des Anderen verlangt. Das Buch Hiob betont, dass der Unterworfene jedes Leid klaglos zu erdulden hat, das ihm der Mächtige zur Überprüfung seiner Demut auferlegt. Das sadomasochistische Beziehungsmuster liegt darin offen zutage.

Im sadomasochistischen Muster begegnen sich Macht und Ausge­liefertsein. Sie verbinden sich zu einer Paarbeziehung. Im absoluten Subjekt verschmelzen die Pole zu selbstbestimmter Zugehörigkeit.

Dass ein ganzer Kulturkreis der Versuchung anheimfiel, Religion als sadomasochistische Beziehungsasymmetrie zu beschreiben, hat neben politi­schen ontologische Gründe.

Religion ist Rückbindung. Die in eine bestimmte Form versprengte Person strebt im religiösen Impuls zurück zu der Macht, die als ihr Selbst der Bestimmtheit enthoben und zugleich das Bestimmende ist, das im Bestimmten der eigenen Macht unterliegt.

Religion entspringt der Sehnsucht ins Dasein versprengter Objekte nach einer Ganzheit, in der sie heil sein können. Wahre Religion entdeckt, dass das Versprengtsein ins Objekt Erfahrung eines Subjekts ist, das sich im Versprengtsein selbst betrachtet. Das ist für das Objekt nur zu erleben, wenn es den Glauben des Egos an seine separate Existenz hinter sich lässt. Als letzte Wirk­lichkeit begegnen sich Macht und Ausgeliefertsein nicht in einem Rollenspiel. Sie heben sich zum Wesen des absoluten Subjekts auf. Dessen Wesen beruht nicht auf Macht, sondern auf Freiheit.

Hexen

Parallel zum Glauben an den totalen Gehorsam kam die Angst vor Hexen auf. Zufall war das nicht. Es entsprach der Logik des biblischen Weltbilds. Die Hexe ist das Sinnbild der eigenmächtigen Frau, also einer, die männlichen Herrschaftsansprüchen etwas entgegenzusetzen hat. Der Kampf gegen die Hexen, der jahrhundertelang gefesselte Frauenleiber verbrannte, brachte die destruktive Variante des Sadismus zum Ausdruck.

Kaum ein Tiefenpsychologe wird daran zweifeln, dass die Motive der Täter bis ins Spannungsfeld der Sexualität hineinreichten. Die Aufteilung in Täter und Opfer ist geschlechtsspezifisch und der Kampf gegen das Weibliche trieb den Zeitgeist um, seit der hebräische Kriegsgott Jahwe auszog, um die kanaani­tische Fruchtbarkeitsgöttin Astarte zu unterwerfen.

Gehorsamskulte sind Religion aus der Perspektive des Ego; das zwar von der Sehn­sucht nach Ganzheit getrieben ist, das auf dem Weg dorthin aber nicht von sich lassen kann. Während wahre Religion das Ich über die Spaltung zwischen Ego und Selbst hinweg nach Hause führt, bleiben Gehorsamskulte in der Spaltung stehen. Sie machen sie zu ihrem Machtprinzip.

6. Diagnostische und therapeutische Konsequenzen

6.1. Spiel oder Krankheit
Ursachen
Spielerische Formen der SMBA können fließend aus der Dynamik der normalen Geschlechter­beziehung hervorgehen. Bei schweren Formen mit psychischem Leidensdruck und psychosozialen Folgeschäden sind Persönlichkeitsstörungen auf dem Boden ungelöster seelischer Konflikte und Traumata anzunehmen.

Die Verwobenheit der SMBA mit biologisch-anthropologischen Vorgaben der Geschlechterpolarität erschwert die psychia­trische Bewertung entsprechender Muster. Was ist Spiel? Was ist Missbrauch? Was ist Behinderung? Was ist seelische Störung?

Obwohl die diagnostische Zuordnung nicht abschließend objektiviert werden kann, gelten bestimmte Umstände als krankhaft:

6.2. Therapie
Die Varianz menschlicher Erlebnisweisen ist breit. Daher kann man nur eine Regel aufstellen, die allen Fällen gerecht wird: Tun Sie immer nur das, was keinem anderen schadet und was Sie selbst gutheißen.

Ob therapeutische Maßnahmen angezeigt sind, ist individuell zu ent­scheiden. Der Krankheitswert kann von Therapeuten, dem Betroffenen und seinem Umfeld unterschiedlich gedeutet werden. Daher können die Meinungen über Behandlungsnotwendigkeiten auseinandergehen.

6.2.1. Medikamente

Medikamente, die das eigentliche Problem, also die spezifische Sexual­präferenz beeinflussen, gibt es nicht. Geht von Personen mit sadistischer Sexualpräferenz und gestörter Impulskontrolle Fremdgefährdung aus, womöglich im Sinne schwerer Delinquenz, kann eine medikamentöse Dämpfung des Sexualtriebs mit Cyproteron­acetat erwogen werden. Dies sollte im Rahmen eines psychotherapeutischen Gesamtkonzepts erfolgen.

6.2.2. Psychotherapie

Besteht keine unmittelbare Gefahr, jedoch hoher Leidensdruck, wird man eine psycho­therapeutische Behandlung in Erwägung ziehen. Dabei sind vor allem die Ursachen eines gegebenenfalls gestörten Selbstwertempfindens aufzuklären. Schwere Fälle gehören, wie solche mit potenzieller Fremdgefährdung, in die Obhut speziell qualifizierter Sexualtherapeuten.

Milde Ausprägungen ohne Leidensdruck im wechselseitigen Einverständnis bedürfen keiner Behandlung. Es macht Sinn, sie als Normvarianten aufzufassen.