Messie-Syndrom
Pathologisches Horten


  1. Begriffe
  2. Erscheinungsbild
  3. Unterscheidungen
    1. 3.1. Zwanghaftes Horten (Eigentliches Messie-Syndrom)
    2. 3.2. Chaos aus anderer Ursache (Differenzialdiagnosen)
      1. 3.2.1. ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung)
      2. 3.2.2. Psychose
      3. 3.2.3. Depression
      4. 3.2.4. Manie
      5. 3.2.5. Störung der Exekutivfunktionen bei körperlicher Krankheit
      6. 3.2.6. Abnorme Gewohnheit
      7. 3.2.7. Entwicklungsschritte
  4. Lösungsstrategien
    1. 4.1. Psychopharmaka
    2. 4.2. Psychotherapie
    3. 4.3. Selbsthilfe
    4. 4.4. Grundregeln sinnvoller Ordnung
Schriebe man hier nichts hin, bliebe die Stelle leer. Möglicher­weise stopft der Messie alles voll, weil er sich vor Leere fürchtet.

Upps... da war noch Platz. Weg isser.

1. Begriffe

Die internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) erwähnt das Messie-Syndrom nicht als eigenständiges Krankheitsbild. Die Symptomatik ist jedoch gut gegenüber anderen Erkrankungen abgrenzbar. Daher ist es sinnvoll, es als spezifische Krankheit aufzufassen. Dem hat das amerikanische Klassifikations­system DSM-5 Rechnung getragen. Dort wird das Pathologische Horten unter DSM-5: 300.3 aufgeführt. Unter ICD kann es ersatzweise als sonstige psychische Störung (F48.8G) verschlüsselt werden.

Häufigkeit

Untersuchungen in Industrieländern kommen auf Prävalenzen von 1-4%. Das Pathologische Horten ist damit als verbreitete Störung aufzufassen. Die Übergänge ins Gesunde sind fließend.

Der Begriff Messie-Syndrom stammt aus dem Englischen. Er ist von to mess up = etwas durcheinanderbringen abgeleitet. Er beschreibt die sichtbare Spitze eines Eisbergs: Messies, wie Erkrankte umgangssprachlich heißen, leben in einem oft unbeschreiblichen Durcheinander. Schwerpunkt der Unordnung ist regelhaft die eigene Wohnung. Unter Umständen kann aber auch der Arbeitsplatz betroffen sein.

Wegen der übergreifenden Probleme vieler Betroffener, ihren Alltag zu strukturieren, wurde das Pathologische Horten auch als Organisations-Defizit-Störung bezeichnet (Baroka 2010). Im Gegensatz zum Begriff des Pathologischen Hortens benennt er aber nicht den zwanghaften Impuls zum Sammeln und Festhalten an Gegenständen. Damit ist er unspezifisch und verweist, wie der Begriff Messie-Syndrom auch, lediglich auf das oberflächliche Erscheinungsbild des Umfelds Erkrankter.

2. Erscheinungsbild

Das Messie-Syndrom kann von anderen Problemen abgegrenzt werden, bei denen es ebenfalls zu chaotischen Wohnverhältnissen kommen kann, deren psychologische Dynamik jedoch anders geartet ist. Das Erscheinungsbild des echten Messie-Syndroms ist recht einheitlich. Es zeichnet sich durch primäre und sekundäre Symptome aus:

3. Unterscheidungen

Nicht jeder, der in sichtbarem Chaos lebt, hat ein echtes Messie-Syndrom. Je nach psychischer Gesamtproblematik kann das Chaos auch andere Ursachen haben. Dazu gehören:

Das echte Messie-Syndrom zeigt im Gegensatz dazu deutliche Züge einer...

Im englischen Sprachraum wird es daher auch compulsiv hoarding = zwanghaftes Horten genannt. Löst man den Blick vom oberflächlichen Erscheinungsbild und wendet ihn den psychologischen Dynamiken der Betroffenen zu, erkennt man die Unterschiede.

Dieser Unterschied legt fest, ob es sich um ein Messie-Syndrom im eigentlichen Sinne handelt, oder um den Teilaspekt einer anderen Störung.

Ursachen des Durcheinanders

Echtes Messie-Syndrom Unechte Messie-Syndrome
  • Zwangsstörung
  • ADHS
  • Abnorme Gewohnheit
  • Psychose
  • Depression
  • Organische Störung der Exekutiv­funktionen
  • Schwere Minder­begabung

Nur wenn das Messie-Syndrom deutliche Züge einer zwanghaften Störung zeigt, ist es als eigentliches Messie-Syndrom aufzufassen.

Plausible Argumente

Horten ist in der Sache keineswegs immer nur abwegig. Es gibt Lebensumstände, die nahelegen, an alten Sachen festzuhalten. Hervorzuheben sind zwei:

  1. Armut
  2. Einsamkeit

Wer arm ist, ist ständig von Mangel bedroht. Da macht es Sinn, nicht alles gleich wegzu­werfen. Besitz, der in einer großen Wohnung unauffällig in Schränken verschwindet, türmt sich in einer kleinen in vier Ecken auf.

Wer ohne enge Beziehungen lebt, neigt eher dazu, Erinnerungsstücke aufzuheben, die mit früheren Bezugspersonen verbunden sind. Wen wundert das?

Dem Fehlen enger Beziehungen gehen oft Verlusterlebnisse voraus. Werden Verluste traumatisch erlebt, stimulieren sie den Impuls auch anderweitig festzuhalten.

3.1. Zwanghaftes Horten (Eigentliches Messie-Syndrom)

Beim zwanghaften Horten erfüllen Sammeln und Horten eigenständige Funktionen zur Abwehr tiefsitzender Ängste.

Ebenen der Entängstigung

  • Rational-reflektiert

    Man könnte die Sachen noch brauchen.

  • Präverbal-unreflektiert

    Ohne Fülle ginge ich in der Leere verloren. Ohne Schutzwall bin ich ausgesetzt.

Der Zwangskranke klammert sich aktiv an Gegenstände. Je nach Ausmaß seiner Lebensangst beruhigt ihn das auf zwei verschiedenen psychologischen Ebenen. Die eine Ebene ist rational-reflektiert, die andere präverbal-unreflektiert.

  1. Die Sachen, die der Messie sammelt oder die er nicht weggeben kann, könnten noch einmal brauchbar sein. Wer weiß, ob der Knopf von Großvaters Arbeitshose nicht eines Tages zur Jacke eines Unbekannten passt, derer man durch eine glückliche Fügung des Schicksals auf dem Flohmarkt habhaft werden könnte? Möglich wäre es außerdem, dass man die 46. Plastik­tüte aus dem aktuellen Bestand dazu verwenden könnte, die besagte Jacke eines Tages nach Hause zu tragen.

  2. Gehen die Ängste noch tiefer, kommt die schiere materielle Präsenz der gehorteten Sachen zum Zuge. Sie wirkt ihrerseits auf drei Ebenen:

    1. Die blanke Stofflichkeit der Gegenstände ist ein Surrogat mütterlich-schützender Gegenwart. Nicht umsonst geht das Wort Materie aus dem lateinischen mater = Mutter hervor. Das psychische Ich ist virtuell und unbestimmbar. Gegen die Furcht, sich im Ozean des Nicht-Ich aufzulösen und vollkommen nichtig zu sein, hilft es, sich ins mütterlich Materielle hinein zu erden.

      Ähnlich beruhigend wirken ein Spaziergang in der Natur oder Gartenarbeit. Zu empfehlen ist der Anbau der Kartoffelsorte Cilena. Sie ist festkochend, entwickelt bei reiner Kompostdüngung ein sattgelbes Fruchtfleisch und eine dicke Schale, die sich nach dem Kochen leicht entfernen lässt. Die Arbeit rund um den Kompost bindet seinerseits ans Materiell-mütterliche, sodass man beim ökologischen Anbau eigener Kartoffeln durch das doppelte Band aus Erdfrucht und Dünger vor dem Abdriften in die Ungewissheit geschützt ist. Wenn man dann auch noch eine Frau hat, die auf Ordnung achtet, ist man motiviert, Spaten, Mistgabel und Sauzahn nach getaner Arbeit an den Ort zurückzubringen, der ihnen von der weiblichen Vorsehung in der Raumzeit als Basislager bestimmt ist.

    2. Der zwanghafte Messie sammelt in der Regel keine Steine, Blumen oder andere Naturprodukte (abgesehen von Lebensmitteln). Was er sammelt, sind Gegenstände aus Menschenhand. Selbst wenn es nur Plastiktüten und Pfandflaschen sind, vermitteln Sachen aus Menschenhand ein Zugehörigkeitsgefühl zur Menschenwelt. Die gebende Hand der anderen ist in der Sache präsent.
    3. Wenn die gehortete Menge beginnt, den Wohnraum zu verkleinern, zieht sich das ängstliche Ego des zwanghaften Sammlers in die beschützende Enge eines symbolischen Mutterschoßes zurück. War es nicht auch im Mutterleib so eng, dass man kaum Spielraum für eigene Bewegungen hatte? Und war man nicht zugleich beschützt? Beschützt vor der Welt da draußen und beschützt vor den Folgen eigener Impulse?
3.2. Chaos aus anderer Ursache (Differenzialdiagnosen)
3.2.1. ADHS

Zur ADHS gehören Hyperaktivität und mangelnde Bündelung der Aufmerksamkeit auf das, was der Betroffene gerade macht. Der ADHS-Kranke neigt dazu, gleichzeitig mehr Projekte anzugehen, als er zielführend bewältigen kann. So verzettelt er sich in unerledigte Themen. Er verliert den Überblick.

Das Durcheinander, das durch zu viel Angefangenes und Unerledigtes entsteht, verdoppelt sich, wenn das Unvermögen des Kranken, mit der Aufmerksamkeit solange bei komplexen Vorgängen zu bleiben, bis sie erledigt sind, ihn daran hindert, eine komplexe Unordnung in Ordnung zu überführen.

Oft sind die Pläne des ADHS-Kranken auf hohe Ziele ausgerichtet, von denen er sich Erfolg und die Beilegung seiner Selbstwertzweifel verspricht. Bei der Erzeugung schnöder Ordnung in Küche, Schlafzimmer und Abstellraum kriecht man aber eher am Boden. Das ist wenig attraktiv. Schneller als der Kranke es bemerkt, hat er bereits einen Grund gefunden, das Thema Ordnung erst einmal zurückzustellen. Wahrscheinlich ist ihm etwas Wichtiges eingefallen, das keinen Aufschub duldet.

3.2.2. Psychose

Bei der Psychose kann der Kranke unter Wahnvorstellungen und schweren Denkstörungen leiden. Dann kann ein Chaos im Umfeld entstehen, das kaum vom Chaos aus anderer Ursache zu unterscheiden ist. Dem Chaos hier eine eigenständige Funktion zuzuweisen, erscheint spekulativ und könnte nur nach gezielter Untersuchung des einzelnen Falls gerechtfertigt sein. Im Regelfall wird das Chaos bloß ein Unvermögen zur Ordnung sein; oder ein Desinteresse, weil die Wahninhalte den Geist des Kranken fesseln.

3.2.3. Depression

Ähnliches gilt bei der Depression. Schwere Depressionen führen zu Antriebsmangel und dem Gefühl, selbst einfachen Aufgaben nicht gewachsen zu sein. Der Depressive sitzt ohne verwertbare Handlungsimpulse herum, oder geht von innerer Qual getrieben auf und ab. Zur Entscheidung, was wohin gehört und wovon man sich trennen könnte, fehlt ihm die Kraft. Und außerdem ist alles Pragmatische doch sinn- und bedeutungslos!

3.2.4. Manie

Manisch gestimmte Menschen glauben, bisherigen Begrenzungen entronnen zu sein. Begeistert von vermeintlichen Möglichkeiten springt ihr Geist von einem hochfliegenden Plan zum nächsten. Da Ordnung sowieso begrenzend ist und außerdem ein Anliegen erbärmlicher Spießer, verwundert es nicht, dass Maniker die Mühe, die die Aufrechterhaltung der Ordnung erfordert, für überflüssig halten.

Kommt die Ideenflucht voll in Gang, wäre der Maniker zudem außer Stande, jene konkreten Denkabläufe zu absolvieren, die beim Ordnen zielführend sind; selbst dann, wenn er Ordnung nicht im Überschwang der Gefühle als Petitesse einer überholten Daseinsform längst abgetan hätte.

3.2.5. Störung der Exekutivfunktionen bei körperlicher Krankheit

Sind die Exekutivfunktionen, also die Fähigkeit, zielgerichtet und planend zu handeln, durch Demenzprozesse gestört, ist das mögliche Durcheinander im Umfeld ebenfalls als bloße Folge der grundsätzlichen Störung zu verstehen. Das gleiche gilt, wenn körperliche Erkrankungen so schwerwiegend sind, dass der Kranke keine Energie mehr dafür hat, die Ordnung aufrechtzuerhalten.

Exekutivfunktionen: Darunter versteht man die Planung und Durchführung zusammengesetzter Handlungsabläufe; z.B.: An- und Ausziehen, Schnürsenkel binden, Einkaufszettel schreiben, Essen zubereiten und ähnliches.

Horten und Alter

Zwei Faktoren führen im Alter dazu, dass der persönliche Besitzstand vieler Greise in Unordnung gerät.

  1. Je älter man wird, desto mehr rückt die Vergänglichkeit ins Bewusstsein. Ältere Menschen reagieren darauf mit der Neigung, Gegenstände aufzuheben, die sie in jüngeren Jahren nicht als bewahrenswert beachtet hätten. Außerdem sammelt sich im Laufe eines langen Lebens so manches an; falls man vergisst, es zu entsorgen.

  2. Im Alter lässt sowohl das kognitive als auch das energetische Potenzial nach. Schon lange im Vorfeld einer erkennbaren Demenz kann dem alten Menschen die Ordnung seines Wohnbereichs langsam aus den Händen gleiten.

Das psychologische Motiv des Sicherns und Festhaltens im Alter entspricht im Grundsatz dem zwanghaften Impuls beim echten Messie-Syndrom.

3.2.6 Abnorme Gewohnheit

Abnorme Gewohnheiten werden auch als Störungen der Impulskontrolle aufgefasst. Dazu gehört das pathologische Stehlen, also die Kleptomanie. Bei der Kleptomanie werden Sachen gestohlen, die für den pathologischen Dieb - nachdem sie gestohlen sind - keinen weiteren Zweck erfüllen.

Manchmal ist der Impuls zum Diebstahl sehr ausgeprägt. Dann kommt es vor, dass der Kleptomane bergeweise Sachen stiehlt und sie zuhause oder in einer Garage hortet. Da er die Dinge nicht an sich bringt, um sie zu nutzen, macht es für ihn auch keinen Sinn, sie in eine Ordnung zu bringen, die einem Nutzbedarf entgegenkommt.

So mag es auf den ersten Blick erscheinen, als habe man es mit einem echten Messie-Syndrom zu tun. Die Parallele ist jedoch nur oberflächlich.

3.2.7 Entwicklungsschritte

Chaotische Unordnung ist nicht immer Hinweis auf Missstände. Im Rahmen seelischer Entwicklungen kann es zu Umbauprozessen kommen, die so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, dass die äußere Ordnung vorübergehend auf der Strecke bleibt. Oder aber die Unordnung selbst hat eine kreative Funktion.

Chaos und Jugend

Die Zimmer vieler Jugendlicher sehen so aus, als sei eine Bombe einge­schlagen. So geht die Klage ihrer Eltern. Meist ist der Schrecken flüchtig, denn Chaos ist auch eine Etappe unterwegs zu einer neuen Ordnung.

  1. Der Übergang von der Kindheit zur Reife ist schwierig. Es kommt zu Umstrukturierungen seelischer Regelkreise. Alte Muster werden aufgelöst. Bevor aus den Bruchstücken neue Muster entstehen, kommt vieles durcheinander. Innere Unordnung spiegelt sich in äußerer wider.

  2. Eltern sind die Machthaber im Hause. Sie sind die oberste Ordnungsgewalt. Deren Ordnung zu verwerfen, gehört zur Suche nach dem eigenen Weg.

All das mündet nur selten in ein echtes Messie-Syndrom. Bei den meisten wächst es sich aus. Wenn die Ordnungsgewalt elterlicher Dominanzansprüche sich allerdings blind auf einen Grabenkrieg gegen den Geist jugendlicher Rebellion versteift, kann sich das Auswachsen in die Länge ziehen.

4. Lösungsstrategien

Nicht bei jedem, der Probleme mit der Ordnung hat, wächst sich das Syndrom zu einem scheinbar unüberwindlichen Berg von Gerümpel aus. Je nach Lage der Dinge reichen einzelne Maßnahmen zur Lösung; oder es wird ein ganzes Bündel vonnöten sein.

Welche Maßnahmen zur Lösung nötig sind, hängt erheblich davon ab, ob das Chaos Folge eines zwanghaften Hortens ist oder Begleiterscheinung anderer Probleme.

Persönliche Einschätzungen

Nicht jeder, der gemessen an den Vorstellungen des Umfelds pathologisch hortet, deutet sein Tun seinerseits als krankhaft. Viele gehen davon aus, dass ihre Sammelleidenschaft sinnvoll ist und lassen sich von daher nur schwer zur Umkehr bewegen. Dann bezeichnet man das Horten als ich-synton; also als übereinstimmend mit den Werturteilen des Betroffenen.

Beruht das Durcheinander auf einem bloßen Unvermögen aufzuräumen, kann eine alltagstaugliche Ordnungsstrategie genügen, die dem individuellen Ordnungsbedarf ebenso angepasst ist wie der individuellen Bereitschaft, sich überhaupt um Ordnung zu bemühen.

Liegt zwanghaftes Horten vor, ist meist mehr zu tun. Der echte Messie hat psychologische Widerstände, die sich dem Ziel der Ordnung widersetzen. Dann ist zur Bewältigung oft mehr zu tun, als sich bloß zu überlegen, wie man sinnvoll aufräumt. Gleiches gilt, wenn das Durcheinander Folge von Erkrankungen ist, die einer eigenständigen Behandlung bedürfen.

4.1. Psychopharmaka

Psychopharmaka mit direkter Wirkung auf die Kernsymp­tomatik gibt es nicht. Je nachdem, welche Ursache des Durcheinanders vorliegt, spielen Psychopharmaka aber eine Rolle innerhalb des therapeutischen Gesamtkonzepts.

Das Messie-Syndrom ist oft von Depressionen begleitet. Entweder, weil die Depression entscheidender Auslöser der manifesten Symptomatik war, oder weil die ausufernden sozialen und seelischen Probleme zusätzlich depressive Symptome nach sich ziehen. Hier ist an den Einsatz eines Antidepressivums zu denken, das zugleich als Mittel der ersten Wahl bei Zwangsstörungen gilt.

Bei den übrigen Formen kommen die jeweiligen Substanzgruppen zum Einsatz, die zur Behandlung der Grunderkrankungen sinnvoll sind.

Pharmakotherapie bei echten und unechten Messie-Syndromen

Ursache Substanzklasse
Zwangsstörung Antidepressiva
ADHS Stimulanzien (Methylphenidat)
Psychose Neuroleptika
Demenz Antidementiva
Depression Antidepressiva

Oft kann man nur loslassen, wenn man erkennt, warum man festhält.
4.2. Psychotherapie

Der Schwerpunkt einer therapeutischen Klärung liegt selten beim Medikament. Wichtiger sind psychotherapeutische Ansätze. Dabei wird man zunächst an ein vorwiegend verhaltenstherapeutisches Vorgehen denken, bei dem Strategien zur Anwendung kommen, deren unmittelbares Ziel das Schaffen einer pragmatischen Ordnung ist.

Beruht das Chaos auf einem Unvermögen zur Ordnung - wie vor allem bei der ADHS - kann das Training funktionaler Verhaltensmuster Abhilfe schaffen. Bestehen neurotische Widerstände gegen das Loslassen an sich, wie es beim eigentlichen Messie-Syndrom auf zwanghafter Grundlage der Fall ist, kann eine aufdeckende therapeutische Komponente in den Vordergrund rücken. Sie legt den Schwerpunkt darauf, dem Kranken innerseelische Konflikte und dysfunktionale Denkweisen bewusst zu machen.

Kognitive Umstrukturierung

Hinter zwanghaftem Horten stecken oft dysfunktio­nale Wirklichkeitsdeutungen. Kranke schätzen entweder die Nützlichkeit der gehorteten Gegenstände falsch ein oder sie unterschätzen ihre Fähigkeit, zukünftigen Missständen zu begegnen ohne sich vorher dagegen gewappnet zu haben. Hier helfen Techniken der kognitiven Umstrukturierung; z.B. die Zwei-Spalten-Technik. Dabei werden irreführende Vorstellungen über die Wirklichkeit in Spalte A aufgelistet. In Spalte B werden Alternativen formuliert, die mehr Wohlbefinden verheißen.

4.3. Selbsthilfe

Da die faktische Lösung des Problems dort stattfinden muss, wo es offen zutage tritt, hat Selbsthilfe eine große Bedeutung. Nicht jeder Chaot muss zum Therapeuten gehen. Jeder muss aber zuhause umsetzen, was das Chaos überwindet... und ist die Ordnung hergestellt, muss er stetig dafür sorgen, dass sie bleibt.

Eine große Hilfe kann eine Vertrauensperson aus dem persönlichen Umfeld sein, die man um ein Coaching (englisch to coach = betreuen) beim Aufräumen bittet. Wie man weiß, gibt es Leute, für die das Aufräumen regelrecht Leidenschaft ist. Wenn man so jemanden kennt, wird es nicht schwer sein, ihn als Helfer zu gewinnen.

Gerade beim echten Messie-Syndrom ist oft ein schrittweises Vorgehen sinnvoll. Bei der praktischen Umsetzung der Ordnungsziele sollte man sich nicht überfordern. Besser als nach ein paar großen Schritten aufzugeben ist Beharrlichkeit im Kleinen. Besser man räumt täglich eine Viertelstunde auf und beachtet dabei bewusst das innere Erleben, als dass man sich nach einem heroischen Befreiungsschlag so sehr vor der Freiheit fürchtet, dass man sie prompt wieder verlieren will.

Besitzen Sie ein Objekt, das Ihnen nicht dient? Dann ist es eins, dem Sie zu dienen haben.
4.4. Grundregel sinnvoller Ordnung

Die Beachtung eines einzigen Grundsatzes genügt, um zuverlässig eine klare Ordnung zu schaffen:

  1. Objekte haben dem Subjekt zu dienen; nicht umgekehrt.

Hilfreich zur praktischen Umsetzung sind folgende Fragen:

  1. Dient das Objekt einem meiner Bedürfnisse oder besteht eine realistische Chance, dass es das einmal tun wird? Hat es eine konkrete Funktion?
  2. Freut es mich, ihm zu begegnen; oder erscheint es mir als Last?
  3. Ist es an der Stelle, an die es gehört, an der ich also ohne zu zögern als erstes suchen würde?

Wenn Sie diese drei Fragen für jedes Objekt beantworten, das sich in Ihrem Besitz befindet, ergibt sich die Antwort darauf, was zu behalten für Sie Sinn macht.