Im Kampf gegen Demenzerkrankungen wurden etliche Substanzen ausprobiert. Bei vielen zeigen Studien zur Wirksamkeit so widersprüchliche Ergebnisse, dass sie heute - außer von den Herstellern - kaum noch zur Behandlung der Demenz empfohlen werden. Zu nennen sind unter anderen: Nimodipin und Piracetam. Die Datenlage für das Gingko biloba Spezialextrakt EGb 761 hat sich jüngst verbessert, sodass der Einsatz erwogen werden kann (S3-Leitlinie Demenzen 2016).
In jüngerer Zeit kamen vier weitere Substanzen auf den Markt: Donepezil, Galantamin, Rivastigmin und Memantine. Deren, wenn auch geringe Wirksamkeit, konnte ebenfalls nachgewiesen werden.
Einsatzgebiete nachweislich wirksamer Substanzen
Wirkstoff | Einsatzgebiet |
Gingko biloba EGb 761 |
Leichte und mittelgradige Demenz (Alzheimer-Typ oder vaskulär) |
Donepezil Galantamin |
Leichte und mittelgradige Alzheimer-Demenz |
Rivastigmin | Leichte und mittelgradige Demenz bei Alzheimer- und bei Parkinson-Krankheit |
Memantine | Mittelgradige und schwere Alzheimer-Demenz |
Möglicherweise sind alle Substanzen aber auch bei anderen Demenzformen schwach wirksam: so bei der vaskulären Demenz, der Demenz mit Lewy-Körperchen und der fronto-temporalen Demenz (Morbus Pick). Eine Erklärung der Wirksamkeit bei diesen Demenzformen mag darin liegen, dass sich die verschiedenen Ursachen demenzieller Entwicklungen beim einzelnen Patienten oft überlappen, sodass Mischtypen häufig sind.
Medikamente, deren Wirksamkeit nachgewiesen wurde, können zwei Wirkprinzipien zugeordnet werden. Zum einen gibt es drei Acetylcholinesterase-Hemmer (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin), zum anderen einen Antagonisten des NMDA(Glutamat)-Rezeptors (Memantine). Die Wirkweise des Gingko-Extrakts ist noch nicht vollständig aufgeklärt.
Heute geht man davon aus, dass die Symptomatik der Demenz, nämlich der Abbau höherer geistiger Funktionen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und abstraktes Denkvermögen, auf einem cholinergen Defizit beruht. Darunter versteht man eine Störung der Informationsübertragung zwischen Hirnzellen, die durch die Überträgersubstanz Acetylcholin miteinander in Verbindung stehen. Körpereigene Substanzen zur Signalübertragung im ZNS werden auch Neurotransmitter genannt.
Das körpereigene Enzym Acetylcholinesterase ist für den Abbau des Neurotransmitters zuständig. Indem man dieses Enzym in seiner Aktivität hemmt, gleicht man den krankheitsbedingten Schwund an cholinerger Übertragung aus. So die Theorie. Sie wird in der Praxis durch die Wirkung entsprechender Substanzen gestützt.
Man vermutet, dass eine krankhafte Überfunktion des Glutamat-Rezeptors zu einer Schädigung von Hirnzellen führt. Indem man den Rezeptor durch einen sogenannten Antagonisten blockiert, wird der schädliche Prozess ausgebremst.
Wie bei allen Medikamenten, gibt es auch bei Antidementiva Nebenwirkungen. Die häufigen sind weniger gefährlich, die gefährlichen selten. Wäre es anders, könnte man die Substanzen nicht anwenden.
Aus den Nebenwirkungen lassen sich sogenannte Kontraindikationen ableiten. Kontraindikationen (Anwendungsbeschränkungen) sind gesundheitliche Umstände und Risikofaktoren, die einen Verzicht auf den Einsatz eines Medikaments ratsam machen. Folgende Tabelle zeigt beides in Überblick.
Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Wirkstoff | Nebenwirkungen | Anwendungsbeschränkungen |
Donepezil Galantamin Rivastigmin |
Häufig: Durchfall, Übelkeit, Appetitverlust, Kopfschmerz, Harninkontinenz, Schlafstörung, Müdigkeit, Juckreiz, Ausschlag Schwerwiegend: Kollaps, Halluzinationen, Erregungszustände, Krampfanfälle, Magen-Darm-Blutung, Magengeschwür, Leberentzündung, Herzrhythmusstörung |
Herzrhythmusstörung Erregungsleitungsstörung am Herzen Angina pectoris Asthma bronchiale Magengeschwür (und Behandlung mit Medikamenten, die Geschwüre verursachen können: Diclofenac, Ibuprofen) Nierenfunktionsstörung (Galantamin und Rivastigmin) |
Memantine | Häufig: Kopfschmerz, Schwindel, Verstopfung, Erbrechen, Müdigkeit Schwerwiegend: Krampfanfälle, Halluzinationen, Thrombose, Embolie |
Nierenfunktionsstörung Harnwegsinfekt erhöhte Anfallsbereitschaft |
Donepezil und Galantamin werden in der Leber durch die Cytochrome 2D6 und 3A4,5,7 abgebaut. Deshalb kann es zu Wechselwirkungen mit vielen anderen Medikamenten kommen. Rivastigmin wird ebenfalls in der Leber abgebaut, jedoch nicht durch das Cytochrom-P450-System. Wechselwirkungen sind somit seltener.
Die Ausscheidung der Antidementiva und ihrer Abbauprodukte erfolgt außerdem über die Niere. Das gilt vor allem für Galantamin (95%), Rivastigmin (99%) und Memantine (99%). Bei Funktionsstörungen der Niere kann das zum Problem werden.
Zwischen Antidementiva und anderen Medikamenten kann es zu Wechselwirkungen kommen. Dabei spielen vor allem veränderte Plasmakonzentrationen der betroffenen Wirkstoffe durch Konkurrenz an jenen Enzymsystemen eine Rolle, die für den Abbau und die Ausscheidung von Fremdsubstanzen zuständig sind. Vor jeder Einnahme eines Antidementivums sollte daher mit dem verordnenden Arzt besprochen werden, ob die Substanz zur bisherigen Medikation passt.
Um bei guter Verträglichkeit die beste Wirkung zu erzielen, ist es sinnvoll, bei der Behandlung mit Antidementiva das Verhältnis zwischen Einnahme, Nahrungsaufnahme und Tageszeit zu beachten. Folgende Richtlinien werden genannt.
Nahrungsaufnahme und Einnahmezeitpunkt
Substanz | Verhältnis... | |
... zur Nahrungsaufnahme | ... zur Tageszeit | |
Donepezil | unabhängig von den Mahlzeiten | zur Nacht |
Galantamin | zum Frühstück | morgens |
Memantine | unabhängig von den Mahlzeiten | |
Rivastigmin | zu den Mahlzeiten | morgens und abends |
Gingko | unabhängig von den Mahlzeiten | morgens oder abends |