Antidementiva


  1. Einsatzgebiete
  2. Wirkmechanismen
  3. Nebenwirkungen und Anwendungsbeschränkungen
  4. Stoffwechsel
  5. Wechselwirkungen
  6. Einnahmezeitpunkte
  7. Weitere Informationen
Wirksamer als Demenzerkrankungen mit Medikamenten zu behandeln ist es, ihrer Entstehung durch ein geistig und körperlich aktives Leben vorzubeugen.

1. Einsatzgebiete

Im Kampf gegen Demenzerkrankungen wurden etliche Substanzen ausprobiert. Bei vielen zeigen Studien zur Wirksamkeit so widersprüchliche Ergebnisse, dass sie heute - außer von den Herstellern - kaum noch zur Behandlung der Demenz empfohlen werden. Zu nennen sind unter anderen: Nimodipin und Piracetam. Die Datenlage für das Gingko biloba Spezialextrakt EGb 761 hat sich jüngst verbessert, sodass der Einsatz erwogen werden kann (S3-Leitlinie Demenzen 2016).

In jüngerer Zeit kamen vier weitere Substanzen auf den Markt: Donepezil, Galantamin, Rivastigmin und Memantine. Deren, wenn auch geringe Wirksamkeit, konnte ebenfalls nachgewiesen werden.

Einsatzgebiete nachweislich wirksamer Substanzen

Wirkstoff Einsatzgebiet
Gingko biloba
EGb 761
Leichte und mittelgradige Demenz (Alzheimer-Typ oder vaskulär)
Donepezil
Galantamin
Leichte und mittelgradige Alzheimer-Demenz
Rivastigmin Leichte und mittelgradige Demenz bei Alzheimer- und bei Parkinson-Krankheit
Memantine Mittelgradige und schwere Alzheimer-Demenz

Möglicherweise sind alle Substanzen aber auch bei anderen Demenzformen schwach wirksam: so bei der vaskulären Demenz, der Demenz mit Lewy-Körperchen und der fronto-temporalen Demenz (Morbus Pick). Eine Erklärung der Wirksamkeit bei diesen Demenzformen mag darin liegen, dass sich die verschiedenen Ursachen demenzieller Entwicklungen beim einzelnen Patienten oft überlappen, sodass Mischtypen häufig sind.

Halbwertzeiten (HWZ) der Antidementiva

h = Stunden t = Tage

Gruppe Sub­stanz HWZ
Cholinesterase-Hemmer Donepezil
Galantamin
Rivastigmin
70 h
6-8 h
1-2 h
NMDA-Modu­lator Meman­tine 60-100 h

2. Wirkmechanismen

Medikamente, deren Wirksamkeit nachgewiesen wurde, können zwei Wirkprinzipien zugeordnet werden. Zum einen gibt es drei Acetyl­cholinesterase-Hemmer (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin), zum anderen einen Antagonisten des NMDA(Glutamat)-Rezeptors (Meman­tine). Die Wirkweise des Gingko-Extrakts ist noch nicht vollständig aufgeklärt.

Hemmung der Acetylcholinesterase

Heute geht man davon aus, dass die Symptomatik der Demenz, nämlich der Abbau höherer geistiger Funktionen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und abstraktes Denkvermögen, auf einem cholinergen Defizit beruht. Darunter versteht man eine Störung der Informations­übertragung zwischen Hirnzellen, die durch die Überträgersubstanz Acetylcholin miteinander in Verbindung stehen. Körpereigene Substanzen zur Signalübertragung im ZNS werden auch Neurotransmitter genannt.

Das körpereigene Enzym Acetylcholinesterase ist für den Abbau des Neurotransmitters zuständig. Indem man dieses Enzym in seiner Aktivität hemmt, gleicht man den krankheitsbedingten Schwund an cholinerger Übertragung aus. So die Theorie. Sie wird in der Praxis durch die Wirkung entsprechender Substanzen gestützt.

Antagonismus am NMDA(Glutamat)-Rezeptor

Man vermutet, dass eine krankhafte Überfunktion des Glutamat-Rezeptors zu einer Schädigung von Hirnzellen führt. Indem man den Rezeptor durch einen sogenannten Antagonisten blockiert, wird der schädliche Prozess ausgebremst.

Ein Rezeptor ist eine spezifische Bindungsstelle an Zellen, an der körpereigene Botenstoffe andocken. Durch das Andocken werden in der Folge Stoffwechselvorgänge ausgelöst. Der Mechanismus funktioniert nach einem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Passende Botenstoffe aktivieren passende Rezeptoren.

Ein Antagonist ist ein Wirkstoff, der die Wirkung eines anderen Stoffs abschwächt. Sein Gegenpart ist ein Agonist. Agonisten führen zu einer Wirkungsverstärkung. Antagonist geht auf Griechisch anti [αντι] = gegen und agein [αγειν]= handeln zurück.
3. Nebenwirkungen und Anwendungsbeschränkungen

Wie bei allen Medikamenten, gibt es auch bei Antidementiva Nebenwirkungen. Die häufigen sind weniger gefährlich, die gefährlichen selten. Wäre es anders, könnte man die Substanzen nicht anwenden.

Aus den Nebenwirkungen lassen sich sogenannte Kontraindikationen ableiten. Kontra­indikationen (Anwendungsbeschränkungen) sind gesundheitliche Umstände und Risikofaktoren, die einen Verzicht auf den Einsatz eines Medikaments ratsam machen. Folgende Tabelle zeigt beides in Überblick.

Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Wirkstoff Neben­wirkungen Anwendungs­beschrän­kungen
Donepezil
Galantamin
Rivastigmin
Häufig:
Durchfall, Übelkeit, Appetitverlust, Kopfschmerz, Harn­inkontinenz, Schlafstörung, Müdigkeit, Juckreiz, Ausschlag
Schwer­wiegend:
Kollaps, Halluzinationen, Erregungs­zustände, Krampfanfälle, Magen-Darm-Blutung, Magengeschwür, Leber­entzündung, Herzrhythmus­störung
Herzrhythmus­störung
Erregungs­leitungs­störung am Herzen
Angina pectoris
Asthma bronchiale
Magengeschwür (und Behandlung mit Medikamenten, die Geschwüre verursachen können: Diclofenac, Ibuprofen)
Nierenfunktions­störung (Galantamin und Rivastigmin)
Memantine Häufig:
Kopfschmerz, Schwindel, Verstopfung, Erbrechen, Müdigkeit
Schwer­wiegend:
Krampfanfälle, Halluzinationen, Thrombose, Embolie
Nierenfunktions­störung
Harnwegsinfekt
erhöhte Anfalls­bereitschaft

4. Stoffwechsel

Donepezil und Galantamin werden in der Leber durch die Cytochrome 2D6 und 3A4,5,7 abgebaut. Deshalb kann es zu Wechselwirkungen mit vielen anderen Medikamenten kommen. Rivastigmin wird ebenfalls in der Leber abgebaut, jedoch nicht durch das Cytochrom-P450-System. Wechselwirkungen sind somit seltener.

Die Ausscheidung der Antidementiva und ihrer Abbauprodukte erfolgt außerdem über die Niere. Das gilt vor allem für Galantamin (95%), Rivastigmin (99%) und Memantine (99%). Bei Funktionsstörungen der Niere kann das zum Problem werden.

5. Wechselwirkungen

Zwischen Antidementiva und anderen Medikamenten kann es zu Wechselwirkungen kommen. Dabei spielen vor allem veränderte Plasmakonzentrationen der betroffenen Wirkstoffe durch Konkurrenz an jenen Enzymsystemen eine Rolle, die für den Abbau und die Ausscheidung von Fremdsubstanzen zuständig sind. Vor jeder Einnahme eines Antidementivums sollte daher mit dem verordnenden Arzt besprochen werden, ob die Substanz zur bisherigen Medikation passt.

6. Einnahmezeitpunkte

Um bei guter Verträglichkeit die beste Wirkung zu erzielen, ist es sinnvoll, bei der Behandlung mit Antidementiva das Verhältnis zwischen Einnahme, Nahrungsaufnahme und Tageszeit zu beachten. Folgende Richtlinien werden genannt.

Nahrungsaufnahme und Einnahmezeitpunkt

Substanz Verhältnis...
... zur Nahrungsaufnahme ... zur Tageszeit
Donepezil unabhängig von den Mahlzeiten zur Nacht
Galantamin zum Frühstück morgens
Memantine unabhängig von den Mahlzeiten
Rivastigmin zu den Mahlzeiten morgens und abends
Gingko unabhängig von den Mahlzeiten morgens oder abends

7. Weitere Informationen

⇗Beipackzettel: Donepezil (PDF)
⇗Beipackzettel: Galantamin
⇗Beipackzettel: Memantine
⇗Beipackzettel: Rivastigmin