Mut


  1. Begriffe
  2. Leben: Zugehörigkeit und Selbstbestimmung
  3. Grundlagen des Mutes
    1. 3.1. Wille
    2. 3.2. Wahl
    3. 3.3. Wissen
  4. Was den Mut untergäbt
    1. 4.1. Biografische Prägung
    2. 4.2. Soziale Strukturen
    3. 4.3. Eigene Fehlentscheidungen
  5. Wege zum Mut
    1. 5.1. Handeln
    2. 5.2. Erleben
    3. 5.3. Verstehen
Wenn man nicht weiß, was man tun soll, kann man tun, wozu man mehr Mut braucht.

Der Mutige stellt sich dem Unangenehmen, wenn er damit eine Not abwenden kann.

Mut wächst, indem man ihn zum Einsatz bringt, nicht indem man darauf wartet, dass er von alleine größer wird.

Mut findet zwischen Allmacht und Ohnmacht statt. Wer viel Macht hat, braucht keinen. Wer keine hat, ist tollkühn. Ohne Geschöpfe wüsste der Himmel nicht, was Mut ist.

1. Begriffe

Der Begriff Mut geht auf die indoeuropäische Wurzel mē- bzw. mō- = etwas anstreben, heftig wollen, erregt sein, sich anstrengen, sich abmühen zurück. Demselben Stamm entspringen griechisch mōsthai [μωσθαι] = streben, begehren und lateinisch mos = Sitte, Brauch, Vorschrift, Wille. Von mos ist die Moral abgeleitet.

Wer etwas will, braucht den Mut, sich dafür einzusetzen und die Bereitschaft, sich dem Erfolg zuliebe anzustrengen. Dabei muss er etwas riskieren: Blessuren, Rückschläge, Verluste oder Scheitern. Erregung ist bereitgestellte Energie. Sie entspricht dem Widerstand, den es zu überwinden gilt und der Angst vor einer Niederlage. Auch wer einer Sitte, einer bestimmten Regel, einer Vorschrift folgt, braucht dafür Willenskraft. Wer einer Moral die Treue hält, braucht den Mut, einem festen Plan zu folgen. Es reicht nicht, dass er jeweils den einfachsten Weg für sich wählt. Mut zu haben, heißt ihn aufzubringen. Mut aufzubringen, kann mühsam sein. Man hat immer nur so viel Mut, wie man aus eigener Kraft aufbringt.

Mut ist nicht dasselbe wie Angstfreiheit. Mut ist die Bereitschaft, entgegen aller Angst zu tun, was man für richtig hält. Der Mutige geht bewusst Risiken ein. Er akzeptiert Angst als Begleiter seiner Taten. Wer keine Angst hat, weil er bei dem, was er tut, kein Risiko sieht, kann spannungsfrei tun, was er will. Dazu braucht er keinen Mut.

2. Leben: Zugehörigkeit und Selbstbestimmung

Lebende Organismen versuchen, sich aus den Begrenzungen des Umfelds zu lösen. Was lebt, versucht von etwas frei zu sein. Jedem Leben liegt der Impuls zur Selbstbestim­mung inne. Die Freiheit zu echter Selbstbestimmung kann nur durch Überwindung von Widerständen erworben werden; innerer und äußerer. Eine Selbstbestimmung, die sich nicht gegen Widerstände durchgesetzt hat, gibt es nicht.

Das Leben belohnt Mut mehr als Fügsamkeit, denn es ist Mut, wodurch es sich fortent­wickelt. Unterordnung entspricht nicht dem Wesen des Lebens. Je nach Lage der Dinge kann Unterordnung ein Kompromiss sein, um einen wesentlichen Schaden abzuwenden, der ohne Fügsamkeit nicht zu vermeiden wäre. Je bewusster sie dabei als taktisches Mittel angewendet wird, desto weniger schadet sie dem Leben. Oder Unterordnung ist eine Preisgabe von Lebendigkeit; wenn der Mutlose Freiheit auf Dauer gegen Sicherheit tauscht, weil er die Angst grundsätzlich aus seinem Leben verbannen will.

Ordnungsmuster

Unterordnung Etwas über sich dulden
Einordnung Etwas neben sich anerkennen

Leben hat das Ziel, nichts über sich zu dulden. Dazu muss es anerkennen, worin es eingebettet ist.

Während sich der Selbstbehauptungswille der Neandertaler nebenbei mit Bären und Mammuts maß, leben wir überwie­gend in einer Welt zwischenmenschlicher Gefahren. Eine der wichtigsten Gefahren, die bei uns durch Mut zu meistern ist, ist die Gefahr, es sich mit anderen zu verderben. Das Risiko, das wir beim Ringen um Selbstbestimmung eingehen, ist ein Verlust an Zugehörigkeit.

Oft steht man im Leben vor der Wahl: Entscheidet man sich für die Harmonie mit anderen oder dafür, den eigenen Weg zu gehen.

3. Grundlagen des Mutes

mutige Tat

Wille

Wahl

Wissen

Die Grundlagen des Mutes können näher bestimmt werden. Dabei tauchen drei Begriffe auf, die untereinander dergestalt verknüpft sind, dass sie die Abfolge innerseelischer Ereignisse beschreiben, die zu mutigen Taten führen. Wissen ermöglicht Wahl. Wahl aktiviert den Willen. Der Wille führt zur Tat.

  1. Wille
  2. Wahl
  3. Wissen

Übermut

Mutige Taten verbessern das Selbstwertgefühl. Ein verbessertes Selbstwertgefühl kann trunken machen; vor allem wenn ein narzisstisches Defizit vorliegt und der mutige Täter meint, die Vermin­derung des Defizits dank der ersten Tat sei Anlass, durch weitere aus dem Wellental auf den höchsten Gipfel zu steigen.

Torwald hat die Schneekoppe bezwungen. Jetzt knöpft er sich die Eiger Nordwand vor. Das wäre Übermut. Trunkenheit endet in Ernüchterung. Das Tal kann danach noch tiefer sein.

3.1. Wille

Wir haben gesehen: Mut entspringt der Wurzel mō-. Diese beschreibt ihn als heftiges Wollen. Heftig geht auf mittelhochdeutsch heftec = beharrlich, beständig zurück. Eigentlich ist der Ausdruck heftiges Wollen ein Pleonasmus, denn Wille bringt Heftigkeit mit sich. Sonst ist er keiner. Sonst bleibt er Wunsch.

Im Gegensatz zum Wunsch zeichnet sich Wille durch Behar­ren und Beständigkeit aus. Wer etwas will, beharrt auf seinem Ziel. Er hält stand. Er lässt sich durch Widrigkeiten nicht entmutigen. Daher sind Wille und Mut Geschwister im Geiste. Willenloser Mut enthält den gleichen Widerspruch wie feiger Wille.

Verwechslungen
Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Das ist eine uralte Erklärung des Scheiterns, die Realitäten verkennt. Ein Geist, der an der vermeintlichen Schwäche des Fleisches scheitert, ist nicht willig, sondern wünscht sich bestenfalls, es zu sein. Wahrscheinlich schiebt der willensschwache Geist die Schuld an seinem Scheitern dabei auf das Fleisch, denn wenn das Fleisch tatsächlich so schwach ist, wie der Geist behauptet, sollte es ihm ein Leichtes sein, sich dagegen durchzusetzen. Ein Wille, der das nicht tut, hängt im bloßen Wünschen fest.
3.2. Wahl

Wollen entspringt der indoeuropäischen Wurzel uel, die auch dem Verb wählen zugrunde liegt. Das ist logisch. Man kann nichts wollen, wenn man nicht wählt, was es ist. Ein Wille verwirklicht eine getroffene Wahl. Der Mutige steht zu seiner Entscheidung.

Mutwille

Mut ist ein Beweis des Selbstbestimmungswillens. Wer ein überwertiges Bedürfnis hat, den Beweis zu erbringen, dass er über sich selbst verfügt, läuft Gefahr, sich für Dinge zu entscheiden, deren Wahl der Vernunft zuwiderläuft; gerade weil eine Wahl wider die Vernunft Gelegenheit bietet, den Willen zur Selbstbestimmung an Widrigkeiten zu erproben. Mut kann zerstören, wenn er zum Selbstzweck wird.

Greta hat in Torwalds Gegenwart mit Hannes geflirtet. Als Torwald sich beklagt, tut sie es erst recht. Nicht alle Paare bleiben lange zusammen. Wenn Torwald tatsächlich den Eiger bezwingt, trifft er droben womöglich auf Heidi. Boh! Ist die süß! Wenn nicht, muss Greta bittere Tränen weinen, wenn sein Sarg ins Grab herabgelassen wird. Vielleicht ging Torwald die Nordwand nicht aus Übermut an; sondern weil er den Nebenbuhler durch Heldentaten ausstechen wollte... oder weil er das Ende seiner Liebe vor Augen den Tod herausgefordert hat.

3.3. Wissen

Um wählen zu können, muss man wissen, aus welchen Möglichkeiten gewählt werden kann. Zu einer Wahl gehört aber mehr als die Kenntnis der Möglichkeiten. Eine echte Wahl sucht nach einer Übereinstimmung; der zwischen dem, der wählt und seiner Wahl. Echte Wahl will das Richtige. Sonst wäre sie ein Würfelspiel.

Natürlich kann der Mutige auch im Dienste solcher Ziele Widrigkeiten standhalten, die er im Grunde seines Herzens nicht bejaht.

Es ist zu fragen, ob zur Kehrseite eines solchen Mutes nicht sein Gegenteil gehört: es nämlich nicht zu wagen, für das einzustehen, was man wirklich will; oder überhaupt herauszufinden, was das wäre. Ein solcher Mut ist verschwendet. Da echtem Mut ein echtes Wollen zugrunde liegt, muss Mut wissen, was er wirklich will. Dazu bedarf es eines Selbstbewusstseins, das es dem Wählenden ermöglicht, seine Motive zu verstehen. Mut ohne Wissen um die tatsächlichen Motive geht leicht in die Irre; egal wie heldenhaft das Opfer ist, das man ihm zuliebe erbringt.

4. Was den Mut untergräbt

Abgesehen davon, dass der Mensch vom Angsthasen abstammt, gibt es drei weitere Faktoren, die seinen Mut untergraben. Für zwei davon kann er nichts. Den dritten schafft er selbst:

  1. biographische Prägungen
  2. soziale Strukturen
  3. eigene Fehlentscheidungen
Redensart
Der Mut hat mich verlassen. Mit dieser Redensart erklärt so mancher, wie es dazu kam, dass er vor Erreichen seines Zieles aufgab. Als es gefährlich wurde, hat der Mut sich aus dem Staub gemacht. So ein Feigling!

Wer aber behauptet, ausgerechnet der Mut sei daran schuld, dass er zu feige war, macht sich etwas vor. Nicht der Mut verlässt den Zauderer, sondern der Zauderer will den Mut nicht haben. Er fürchtet, dass der ihn in Schwierigkeiten bringt.

Wenn Sie das nächste Mal zaudern, stehen Sie für Ihr Zaudern ohne Wenn und Aber ein. Sich die eigene Zögerlichkeit einzugestehen, erfordert bereits Mut; für den das Leben Sie belohnen wird.
4.1. Biographische Prägung

Der wichtigste biographische Faktor, der zur Mutlosigkeit führt, ist ein liebloses Elternhaus. Früher wurden Kinder oft durch Herrschaftsansprüche gewalttätiger Eltern einge­schüchtert, die ihrerseits nach oben buckelten und ihre Wut nach unten weitergaben. Heute spielt das Desinteresse von Eltern, denen die Elternschaft zu mühsam ist, eine große Rolle. In vielen Elternhäusern fehlen stabile Strukturen, die Kindern Sicherheit vermitteln. Viele Eltern haben so große Ansprüche ans Leben, dass ihnen der notwendige Verzicht zugunsten von Kindern unangemessen erscheint.

Durch Lieblosigkeit, Gewalt oder Desinteresse wird die Angst des Kindes vor dem Leben geschürt. Es lebt in einem Zustand ständiger Spannung, der zu einer gesteigerten Sehnsucht nach entspannter Geborgenheit führt. Da Mut in der Bereitschaft liegt, Angst und Spannung auszuhalten, kann er sich gegen das ungestillte Harmoniebedürfnis nicht mehr durchsetzen. Resultat sind Persönlichkeitsstörungen mit ängstlich-vermeidender, abhängiger und depressiver Symptomatik; oder, wenn die Verunsicherung bereits in der frühesten Kindheit begann, solche vom Borderline-Typ.

Je größer der Bruder, der an jeder Ecke steht, desto mehr Mut braucht man, die Ecke im eigenen Tempo zu passieren.
4.2. Soziale Strukturen

Das bewährteste Mittel politischer Macht ist die Einschüchterung des Individuums. Weltanschau­ungen, die das Individuum niederhalten, hatten in sämtlichen Epochen der Geschichte Konjunktur. In Europa scheint vorerst das Schlimmste überstanden. Vorerst! Tatsächlich wurde die Freiheit des Einzelnen seit den 70er Jahren bereits eingeschränkt. Und es geht weiter bergab. Der Staat wird immer mächtiger. Die Gesellschaft greift zunehmend ins Leben des Einzelnen ein.

Hießen die Täter früher Kaiser, Kirche oder Diktatur, geht heute ein Zeitgeist um, der den Einzelnen für einen Fortschritt vereinnahmt, dessen Notwendigkeiten ihm als vermeintliche Beschützer über den Kopf wachsen. Reglementierung kriecht bis ins kleinste Detail. Neue Technologien haben dazu geführt, dass die Schritte jedes Einzelnen in bis dahin unvorstellbarem Ausmaß aufgezeichnet und in der Folge der Überwachung durch mächtige Instanzen ausgeliefert werden.

Der Tag könnte kommen, an dem der Einzelne derart in eine gesellschaftliche Komplex­ität verbacken ist, dass der Mut, sich darin eigenständig zu bewegen, so tollkühn sein wird, wie Galileis Mut im Mittelalter. 1984 ist die einzige Jahreszahl, auf die die Gesell­schaft zuzusteuern droht, obwohl das tatsächliche Datum bereits überschritten ist. Ob das Datum vor oder hinter uns liegt, hängt auch von unser aller Mut ab.

4.3. Eigene Fehlentscheidungen
Das sicherste Mittel, den Mut zu verlieren, ist Angst zu vermeiden. Das beste Mittel, Angst zu verlieren, ist mutig zu sein.

Unangenehm ist das, was man nicht annehmen will. Das ist leicht heraus­zuhören. Angst ist ein unangenehmes Gefühl. Was liegt also näher, als es nicht anzunehmen? Verschiedene Möglichkeiten stehen dabei zur Verfügung:

Durch alle drei Varianten der Angstvermeidung verpassen wir die Chance, das Gefühl so kennenzulernen, dass uns wenigstens die Angst vor der Angst erspart bleibt.

Angst ist eine Erfahrung, der man nicht entgehen kann. Mut ist Handlungsbereitschaft im Bewusstsein der Angst. Wer sie nicht kennenlernt, weil er sie umgeht, verdrängt, vermeidet oder verleugnet, dem fehlt das Selbstbewusstsein, aus dem heraus er mutig sein könnte. Ohne bewusst durchlebte Angst gibt es keinen Mut. Angstvermeidung ist entmutigend.

5. Wege zum Mut

Oft macht es keinen Sinn, darauf zu warten, bis man keine Angst mehr hat.

Es gibt drei Wege, mutiger zu werden: handeln, erleben und verstehen. Niemand wird daran gehindert, alle drei Wege einzuschlagen.

5.1. Handeln
Angst rät, sich zurückzuziehen. Man muss ihrem Rat nicht folgen.

Beim direkten Weg setzt man Trotz ein. Man tut das Notwendige, weil man das Notwendige für wichtiger hält, als sich um Angst zu kümmern. Oder man tut das Spannende, weil man es einfach erleben will. Dabei spürt man zwar die Angst, man ignoriert aber kurzerhand ihren Rat und tut, was man will. Führt das Handeln zum Erfolg, ohne ernsthafte Nachteile nach sich zu ziehen, verschwindet die Angst von selbst.

Angst wird mächtig, wenn man vor ihr flieht. Sie schrumpft, wenn man auf sie zugeht.

Angst zur Kenntnis zu nehmen, sich ihr aber nicht anzuvertrauen, ist ein mächtiges Mittel, um sie zu entkräften. Jeder kann Mut aufbringen: Wenn er will und ihm die Sache etwas wert ist.

5.2. Erleben
Einer Angst zu begegnen heißt nicht, sie niederzumachen. Einer Angst zu begegnen heißt, ihrer Gegenwart standzuhalten.

Ist die Angst zu groß, um sich zum Handeln durchzuringen, macht es Sinn, sich dem Gefühl der Angst als innerseelischer Erfahrungsmöglichkeit zu stellen. Man macht sich daran, Angst als einen Teil seiner selbst zu akzeptieren. Dazu gilt es, sie als reines Phänomen zu fühlen. Man erkennt, dass das Gefühl an sich nicht schädlich ist; was die Hürde vor angstbesetzten Taten senkt.

Sich Angstgefühlen bewusst auszusetzen, führt dazu, dass man gelassener auf angst­erregende Reize reagiert. Schauen Sie sich Hitchcocks Psycho fünfmal aufmerksam an. Konzentrieren Sie sich auf die angsterregenden Details. Beim sechsten Mal lässt Sie die Sache kalt.

5.3. Verstehen

Zu erkennen, dass Angst nur eine Gefühlsqualität ist, die nicht mehr Schaden verur­sacht, als ihrem Träger eine missliche Zeit zu bescheren, fördert bereits den Mut, ihr auch in höheren Dosen zu begegnen. Den Vorgang unterstützt das Verständnis biographischer Ursachen und Zusammenhänge. Man untersucht, wie mangelnder Mut mit Erfahrungen zusammenhängt und mit Weltbildern, die auf solchen Erfahrungen aufbauen.

Das Verständnis biographischer und innerseelischer Zusammenhänge steigert das Selbstbewusstsein. Wer sich der Mechanismen bewusst ist, die seine Entscheidungen steuern, hat bessere Möglichkeiten, sich den Mechanismen zu entziehen.

Methoden der Ermutigung im Überblick

Prinzip Maßnahme Wirkung
Handeln Ich beachte die Angst, aber gehorche ihr nicht. Indem ich erkenne, dass es sich lohnt, Angst nicht allzu ernst zu nehmen, wächst der Mut, es auch beim nächsten Mal nicht zu tun.

Vorsicht: Angst ist nicht nur ein lästiges Hindernis. Zuweilen ist sie ein guter Rat. Sie grundsätzlich zu übergehen, kann übel enden.

Fühlen Sobald Angst aufkommt, konzentriere ich mich auf das reine Gefühl. Ich beobachte tatenlos, wie es kommt und geht. Wenn ich mich der Angst zuwende, stelle ich fest, dass sie von allein vergeht. Wenn ich mich nicht gegen die Erfahrung sträube, wird sie durchlebt, ohne zu schaden. Wenn ich den Kelch austrinke, ist er hinterher leer. Sobald ich Angst als einen Teil meiner selbst begreife, kann die Kraft, die in ihr gebunden ist, auf mich übergehen. Indem ich Angst nicht mehr als eine Wirkung äußerer Mächte deute, wächst die Bereitschaft, mich zu stellen.
Verstehen Ich untersuche den Ursprung der Angst. Ich mache mir klar, dass nicht das Gefürchtete Angst macht, sondern dass ich mit Angst reagie­re. Ich versuche zu verstehen, warum ich das tue. Indem ich die Angst als Resultat meines Werdegangs erkenne, binde ich sie in einen sinnvollen Zusammenhang ein. Sobald ich die Motive verstehe, die meine Angstreaktion begründen, wächst mir Mut zu, über alte Grenzen hinauszugehen.

Wer sich selbst verstanden hat, steht an der Stelle, von wo aus er die Dinge sehen kann, ohne dass sie ihn beherrschen können.


Fußnote

Der Begriff Pleonasmus geht auf Griechisch pleonasmos [πλεονασμοσ] = Überfluss zurück. Pleonasmen werden auch Tautologien genannt (griechisch: to auto [το αυτο] = dasselbe und logos [λογος] = Rede, Sprechen). Pleonasmen kombinieren Begriffe, deren Verbindung keinen Informationsgewinn vermittelt, z.B.: weißer Schimmel, saurer Essig, nasses Wasser, runde Kugel, heiße Glut, gefräßige Nacktschnecke, glitschiger Schleim. Auch pleonastische Tautologie wäre ein Pleonasmus.