Entlastung


  1. Überlastung
  2. Einsatzgebiete der Entlastung
  3. Methoden
  4. Risiken
  5. Vorbeugung

1. Überlastung

Überlastung entsteht, wenn belastende Faktoren aus dem Umfeld oder persönliches Fehlverhalten die Grenzen der individuellen Belastbarkeit über­schreiten. Was als Überlastung empfunden wird, ist variabel. Je nach momentaner Befindlich­keit kann man heute Dinge verkraften, denen man gestern nicht gewachsen war; und umgekehrt.

Ebenso variabel ist die Belastbarkeit verschiedener Personen. Der eine läuft im Akkord zur Höchstleistung auf, ein anderer bricht zusammen.

Quellen der Überlastung

  • Berufstätigkeit
  • Leistungsdruck in Schule, Studium und Ausbildung
  • Erziehungs­pflichten
  • Pflege bedürftiger Angehöriger
  • Chronische Paarkonflikte
  • Ungünstige Umfeld­bedingungen
  • Persönlicher Ehrgeiz
  • Ungelöste innerseelische Konflikte

Umstellungsfähigkeit

Als Umstellungsfähigkeit bezeichnet man das Vermögen, sich auf wechselnde Bedingungen einzustellen. Die Umstellungsfähigkeit kann primär vermindert oder überfordert sein. Durch chronische Überforderung kann es zu einer sekundären Verminderung kommen. Primär vermindert ist die Umstellungsfähigkeit bei psychischen Erkrankungen, z.B. endogenen Psychosen oder der Demenz. Bei Überforderung ist sie ein wesentliches Symptom des Burn-out-Syndroms.

2. Einsatzgebiete der Entlastung

Viele seelische Störungen werden durch Überlastung verursacht oder verschlimmert. Zu nennen sind:

  1. Schlafstörungen
  2. Depressionen
  3. Anpassungsstörungen
  4. Akute Angststörungen
  5. Somatisierungsstörungen
  6. Suchtmittelmissbrauch
  7. Burn-out-Syndrome

In solchen Fällen ist Entlastung eine eigenständige thera­peutische Maßnahme. Oft reichen entlastende Maßnahmen als alleinige Therapie aus. Meist werden sie aber mit anderen Maßnahmen kombiniert.

Andere Krankheitsbilder bedürfen zur Heilung oft ebenfalls entlastender Maßnahmen. Die Ursachen solcher Störungen sind jedoch komplex. Entlastung als alleinige Maßnahme reicht hier kaum je aus. Dazu gehören:

  1. Psychosen
  2. Abhängigkeitserkrankungen
  3. Persönlichkeitsstörungen
  4. Wiederkehrende affektive Störungen (z.B. bipolare Störungen oder rezidivierende Depressionen)
  5. Organische Störungen (z.B.: Demenzen)
  6. Chronische Angststörungen
  7. Zwangserkrankungen

Wohlgemerkt: Auch die Ursachen der ersten sieben genannten Störungen sind von Fall zu Fall so komplex, dass die alleinige Entlastung nur teilweise oder vorübergehend wirksam ist.

Grenzen der Belastbarkeit

Die wichtigste Quelle der Überlastung liegt heute in der Arbeitswelt. Ein Zeitgeist, der zwischen Konsum und Lebensqualität keinen Unterschied mehr macht, zieht dort die Schrauben immer enger. Verstärkt wird der Prozess durch eine Verzahnung von Politik und Wirtschaft, die die Politik zunehmend zu einem Werkzeug ökonomischer Interessen macht.

So entsteht ein Kreislauf:

3. Methoden

Bei entlastenden Maßnahmen steht die Entlastung entweder im Vordergrund oder sie ist ein wichtiger Nebeneffekt.

Trugschluss

Bei der stationären Akutbehandlung wird die Wirkung von Entlastung und Umsorgung unterschätzt. Kaum ein Patient wird in der Klinik nicht mit Psychopharmaka behandelt. Geht es ihm nach einer Weile besser, wird das einseitig der Medikation zugeschrieben. Deren "Effekt" geht nach der Entlassung oft verloren. Viele Patienten setzen Medikamente wieder ab; weil sie von der Wirkung enttäuscht sind und die Nebenwirkungen ins Bewusstsein rücken.

Tatsächlich hatte nicht das Medikament geholfen, sondern die Tatsache, in der Klinik dem Alltag enthoben zu sein.

Als primär entlastende Maßnahmen gelten:

Maßnahmen mit stark entlastendem Nebeneffekt sind:

4. Risiken

So wichtig entlastende Maßnahmen sind, so wichtig ist es auch, sie sinnvoll zu dosieren. Wie bei einer Medikation gilt auch hier: Überdosierung kann schädlich sein.

Nicht selten sind äußere Faktoren alleinige Ursache von Überlastungen. In der Regel werden sie aber von dysfunktionalen Verhaltensweisen mitbestimmt. Dysfunktional ist ein Begriff aus der Verhaltenstherapie. Er besagt, dass die Verhaltensweise, mit der man ein Problem angeht, nur wenig geeignet ist, fruchtbare Lösungen zu bewirken.

Entlastung kann schaden, wenn sie nicht dazu dient, Kraft für kreative Lösungen zu schöpfen, sondern die Mühen zu umgehen, die die Suche nach kreativen Lösungen mit sich bringt.

Dysfunktionales Verhalten tritt chronisch oder akut auf. Akut tritt es auf, wenn man unvorberei­tet vor einer neuen Situation steht und unange­messen reagiert, weil man keine Erfahrung im Umgang mit dem entsprechenden Umstand hat. Hier spricht man von einer aku­ten Belastungsreaktion. Akute Belastungsreak­tionen bilden sich in der Regel rasch zurück. Da das Leben immer wieder neue Situationen arrangiert, auf die man nicht vorbereitet ist, wird es kaum jemandem erspart bleiben, ungewohnten Belastungen ungeschickt zu begegnen und in der Folge eine akute Belastungsreaktion zu durchleben.

Chronisch dysfunktionales Verhalten ist meist Folge von spezifischen Persönlichkeitsstörungen. Persönlichkeitsstörungen führen dazu, dass man in bestimmten Situationen immer wieder unangemessen reagiert. Daraus entstehen Anpassungsstörungen, die auf Dauer an den Kräften zehren. Die Mehrzahl der Überlastungssyndrome ist mit Persönlichkeitsstörungen verknüpft.

Persönlichkeitsstörungen - Rarität oder die Regel

Da es keine objektiven Kriterien gibt, um bei der Einschätzung von Persönlichkeiten zwischen gesund und gestört zu unterscheiden, wird es über die Häufigkeit von Persönlichkeitsstörungen niemals einen Konsens geben. Schaut man genau hin, wird man jedoch auch bei Max Mustermann Merkmale finden, die strukturell genau jenen entsprechen, die zur Definition sogenannter Persönlichkeitsstörungen herangezogen werden. Letztlich sind die Unterschiede zwischen normal und auffällig quantitativer Art. Sinnvoller als von Persönlichkeitsstörungen wäre es daher, von akzentuierten Persönlichkeiten zu sprechen. Der eine ist mehr so, die andere mehr anders.

Situationen, für die man nur unangemessene Antworten kennt, sind unangenehm. Man neigt dazu, das Unangenehme zu umgehen. Tut man es gelegentlich, wird kein Schaden entstehen. Tut man es zu oft, verpasst man die Chance, geeignete Antworten für jene Situationen zu finden, mit denen man sich schwertut. Resultat ist ein chronisches Vermeidungsverhalten, das von Selbstwertzweifeln begleitet wird.

Menschen in Not fürchten sich vor dem Leben. Andere geraten in Not, weil sie sich vor dem Leben fürchten... und ständig nach Wegen Ausschau halten, wie man die unangenehmen Seiten des Lebens umgehen kann. Dann ist es für den Helfer schwer zu entscheiden, ob die Entlastung, die er dem Hilfesuchenden verschafft, nicht der Bequemlichkeit und der Vermeidung von Lebensängsten dient.

Vermischte Motive
Nicht jeder, der vordergründig Entlastung erbittet, ist einzig vom Motiv beseelt, notwendige Entlastung zu finden. So mancher Wunsch nach einer längeren Krankschreibung ist ein Werkzeug im Kampf gegen Chefs und Kollegen, die man durch Fernbleiben unter Druck setzen will. Erfüllt der Arzt den Wunsch nach Krankschreibung nicht, kriegt er im Netz anonym eine Abreibung verpasst.

Fragwürdige Entlastungen

Hospitalismus und Co-Abhängigkeit

Hospitalismus beschreibt ein Phänomen, das man bei dauerhaft stationär betreuten Patienten beobachten kann. Viele solcher Patienten geben ihre Eigeninitiative im Laufe der Zeit auf und überlassen sich passiv der versorgenden Struktur des Umfelds. Das kann zu wachsender Abhängigkeit von Hilfsstrukturen führen.

Das Grundproblem des Hospitalismus ist keinesfalls auf stationäre Versorgung beschränkt. Auch von ambulanten Helfern (Ärzten, Pflegediensten, Ergotherapeuten, Suchtkrankenhelfern, Betreuern aller Art) geht stets die Gefahr aus, die Selbstregulation der Hilfsbedürftigen durch übermäßige Hilfe zu untergraben.

Co-Abhängigkeit beschreibt einen wesentlichen Aspekt dieser schädlichen Dynamik. Nicht nur die Hilfsbedürftigen bleiben in Abhängigkeit, auch die Helfer sind es. Zum einen aus ökonomischen Gründen: Die Verdienst­möglichkeiten der Helfer hängen von den Bedürftigen ab. Deren Selbstän­digkeit zu fördern ist folglich eine zwiespältige Sache; und wenn man dem Klienten zu wenig bietet, geht er womöglich zur Konkurrenz. Zum zweiten besteht eine emotionale Abhängigkeit. Im Gewähren der Hilfe kann der Helfer sein Selbstwertgefühl steigern. Denn: Wer hilft, ist gut, stark und nützlich. Oder etwa nicht?

5. Vorbeugung

Jeder kann überlastet werden. Allerdings ist die Gefahr, durch Überlastung zu erkranken, unterschiedlich groß. Es gibt psychologische Muster, die öfter dazu führen als andere. Und es gibt Muster, die vor Überlastung schützen.

Um sich vor Überlastungen zu schützen, gilt es...

  1. Warnsignale zu beachten.
  2. den Mut aufzubringen, nein zu sagen.
  3. der Übereinstimmung mit sich selbst mehr Bedeutung zuzuordnen, als der Rolle, die man im Leben spielt.
Schutz vor Überlastung bietet ein wacher Geist. Einer, der spürt, was ihn bewegt und der den Mut hat, auf Anerkennung zu verzichten.

Warnsignale, die einer seelischen Erkrankung durch Überlastung vorausgehen, sind ...

Um Warnsignale zu beachten, ist es erforderlich, sie wahrzunehmen. Ein wesentlicher Grundpfeiler zum Schutz gegen Überlastungen ist die Gewohnheit, innerseelischen Ereignissen Achtsamkeit zu schenken.

Nein zu sagen ist eigentlich ein Kinderspiel. Eigentlich beherrscht es jeder ab dem dritten Lebensjahr perfekt. Es gibt jedoch eine Menge persönlicher Motive, ja zu sagen, obwohl man damit nicht im Reinen ist. All diese Motive kreisen um ein Thema: das verborgene Gefühl, so wie man ist, nicht zu genügen und in der Folge auf Anerkennung angewiesen zu sein. Hinter dem Unvermögen, nein zu sagen, steckt meist eine gestörte Selbstwertregulation.

Was man bei Überlastungsopfern in der Regel erkennen kann, ist ein Bemühen um die Bestätigung durch andere. Anderen muss etwas geboten werden, damit man ihre Sympathie bekommt. In den Augen anderer muss man so toll erscheinen, dass man von ihnen bewundert wird. Wenn man dieses Bemühen im Auge behält, findet es den Platz, von dem aus es nur wenig schaden kann.