Es könnte gut sein, dass Sie ein Beziehungsmuster praktizieren, das umgangssprachlich als Helfersyndrom bezeichnet wird. Das Helfersyndrom ist eine psychologische Ausrichtung, die spezifische Strategien benutzt um eigene Bedürfnisse verdeckt zu besorgen. Im Gegensatz zu dem, der bei Gelegenheit hilfsbereit ist, der bei anderer Gelegenheit seine Hilfsbereitschaft aber zu zügeln weiß, ist die Hilfsbereitschaft beim Helfersyndrom zwanghaft.
Zur Ursache der zwanghaften Hilfsbereitschaft gehören Selbstwertzweifel und fehlender Mut, offen um die Güter des Daseins zu konkurrieren. Der zwanghafte Helfer wähnt sich so sehr auf die Bestätigung durch andere angewiesen, dass er sich aktiv in deren Bedürfnisse hineinversetzt, um sich durch die Erfüllung fremder Bedürfnisse Lob, Anerkennung, Einbindung und Zuwendung zu sichern. Sein Bedürfnis nach Zugehörigkeit wird so zwar befriedigt, die Erfüllung anderer Bedürfnisse bleibt jedoch auf der Strecke; denn auch wenn der zwanghafte Helfer überzeugt ist, dass er sich durch seine Tugend Anspruch auf eine entsprechende Gegenleistung erwirbt, sorgt das Leben dafür, dass er mit seiner Methode oft den Kürzeren zieht.
Tugend ist ein wichtiges Stichwort. Anderen Gutes zu tun, wird wohl kaum jemand als Untugend bezeichnen. Die Tugend des zwanghaften Helfers wird jedoch erst durch die Selbstwertzweifel, zu deren Beseitigung sie dient, über das übliche Maß hinaus gesteigert. Wer hilft, verkörpert zwei Eigenschaften, die dem Selbstwertgefühl Auftrieb geben: Güte und Können.
Wessen Tugend und Können das umgebende Maß überragt, kann nicht minderwertig sein. Beide Eigenschaften möglichst umfassend zu verkörpern, erscheint daher als unfehlbare Strategie, um Zweifel am eigenen Wert aus der Welt zu schaffen. Gäbe es da nicht zwei Tatsachen, die das Selbstwertgefühl zugleich auf Talfahrt schicken:
Wer Hilfe vorauseilend anbietet, begegnet nicht nur wahrhaft Hilfsbedürftigen. Er lockt auch Profiteure an. Mehr noch: Er züchtet sie. Die Dynamik zwischen den Anbietern und den Abnehmern des Guten ähnelt der zwischen den Anbietern und den Abnehmern von Gütern. Das Angebot schafft Nachfrage. Vor der Erfindung des Smartphones kam die Menschheit ohne es aus. Heute ist es für Millionen schier unentbehrlich. Der zwanghafte Helfer schafft mit seinem Angebot die Bedürftigkeit nicht aus der Welt. Er fördert sie. Der Helfer erlebt sich als Hamster im Rad. Er müht sich in der Sache ab und kommt, gerade weil er sich abmüht, doch nicht ans Ziel.
Das Helfersyndrom ist keine offizielle Diagnose. Enge Beziehungen bestehen zu einem Muster, das die Psychiatrie als depressive Persönlichkeitsstruktur bezeichnet. Wenn Ihre Antworten im Test Sie auf diese Seite führten, ist es wahrscheinlich, dass Sie auch im Test auf depressive Verhaltensmerkmale eine hohe Punktzahl erreichen.
Was Sie tun können, um Ihre Lebensqualität zu verbessern, ist das Gleiche, was man einem stark depressiv-strukturierten Menschen raten kann.