Ihnen ein regelrechtes Helfersyndrom zuzuordnen, erscheint übertrieben. Es hat aber den Anschein, als ob Ihnen das Wohl Ihrer Mitmenschen am Herzen liegt; und dass Sie beim Einsatz für die eigenen Bedürfnisse dem zeitgleichen Wohl des Umfelds Beachtung schenken. Man könnte sagen: Sie sind ein gesunder Egoist, dessen Handlungsmaxime die Erkenntnis zugrunde liegt, dass Solidarität und Eigennutz nicht zwingend gegensätzlich sind. Das Leben von Menschen ist wechselseitig so eng miteinander verwoben, dass gegenseitige Hilfe ein wesentliches Element des menschlichen Daseins ausmacht.
Da Sie im Mittelfeld liegen, ist schwer auszumachen, ob es für Sie ratsam wäre, etwas mehr auf das Wohl anderer zu achten oder mehr Mut aufzubringen, sich hier und dort klarer gegenüber den Erwartungen und Klagen anderer abzugrenzen. Wahrscheinlich wird es im einen Fall so sein und im anderen anders.
Überprüfen Sie, wie Sie emotional auf Hilfsappelle reagieren. Regt sich da Ungeduld, die Sie aus Angst, als schlechter Mensch zu gelten, unterdrücken? Oder entdecken Sie Mitleid, das Sie aber übergehen, weil Sie fürchten, Mitleid führe dazu, dass Ihre eigenen Interessen zu kurz kommen?
Das Leben besteht nicht nur aus einer Seite. Es besteht aus Geben und Nehmen. Falls Sie jemanden kennen, der Ihre Hilfsbereitschaft stets in Anspruch nimmt, selbst aber kaum welche zeigt, könnte es möglich sein, dass Sie sich ausnutzen lassen. Das kann verschiedene Gründe haben: ein brüchiges Selbstwertgefühl oder das hohe Ideal der Selbstlosigkeit. Falls Sie dem Ideal nur dienen, um sich aufzuwerten, dienen Sie ihm nicht, sondern Sie versuchen, mit ihm ein Geschäft zu machen. Falls Sie es verwirklichen, weil es Sie von sich befreit, könnte es sein, dass Sie der Lohn sind, den das Ideal an Sie vergibt.