Es gibt hunderte von Tests zur Vermessung von Persönlichkeitsvarianten. Da stellt sich die Frage, wie deren Ergebnisse wissenschaftlich abgesichert, also validiert werden können. Die ernüchternde Antwort darauf lautet: gar nicht!
Tests zur Ermittlung von Persönlichkeitsvarianten werden von Persönlichkeiten erstellt, die ihrerseits einer Variante angehören. Ein objektives, also wissenschaftlich abgesichertes Urteil einer Persönlichkeit über andere Persönlichkeiten ist grundsätzlich nicht möglich.
Persönlichkeitsstörungen werden in den internationalen Klassifikationssystemen für Krankheiten (ICD-10 und DSM) durch Merkmale voneinander unterschieden, für die es keine objektive Messmethode gibt.
Wer entscheidet, wann folgende Kriterien zutreffen...
...und wann nicht?
Kriterium nach ICD-10 | Diagnose | ICD |
Übertriebene Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung | Paranoide Persönlichkeit | F60.0 |
Übermäßige Vorliebe für Phantasie | Schizoide Persönlichkeit | F60.1 |
Missachtung sozialer Verpflichtungen | Dissoziale Persönlichkeit | F60.2 |
Deutliche Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren | Emotional-instabile Persönlichkeit | F60.3 |
Übertriebener Ausdruck von Gefühlen | Histrionische Persönlichkeit | F60.4 |
Übertriebene Gewissenhaftigkeit | Zwanghafte Persönlichkeit | F60.5 |
Gefühle von Anspannung und Besorgtheit | Ängstlich-vermeidende Persönlichkeit | F60.6 |
Verlässt sich bei Entscheidungen auf andere | Abhängige Persönlichkeit | F60.7 |
Auch wenn Erfahrung und Menschenkenntnis vorhanden sind, kann niemand ernsthaft behaupten, er sei in der Lage, verbindlich zu beurteilen, ob eine Gewissenhaftigkeit übertrieben, ein Gefühlsausdruck angemessen, die Folge einer Impulshandlung berücksichtigt oder eine soziale Verpflichtung beachtet ist.
Letztlich sind all das Willkürurteile. Sie werden aus der persönlichen Weltsicht des Untersuchers heraus gefällt. Dabei ist jeder Untersucher versucht, seine eigenen Muster als Maßstab des Gesunden zu betrachten. Ist der Untersucher zwanghaft, werden ihm andere eher als emotional-instabil oder histrionisch erscheinen. Ist er histrionisch, ordnet er anderen vermehrt schizoide und zwanghafte Muster zu.
Die Verlässlichkeit eines Psychotests wird daran gemessen, ob er in der Lage ist, bestimmte Merkmalsträger in einer untersuchten Gruppe zu identifizieren. Dazu müssen die Merkmalsträger vorher definiert sein. Vor der Anwendung des Tests steht dazu aber nur das subjektive Urteil des Untersuchers zur Verfügung; oder die Resultate ähnlicher Psychotests, bei deren wissenschaftlicher Absicherung dasselbe Problem bestand.
Deshalb bestätigt ein "wissenschaftlich gut validierter Test" bestenfalls die unwissenschaftlich bewerkstelligte Benennung der Merkmalsträger, die bereits vor seiner Anwendung durchgeführt wurde.
Abstimmungen
Die einzig mögliche "Objektivierung" einer Persönlichkeitsdiagnostik liegt darin, bei der Festlegung der Merkmalsträger den kleinsten gemeinsamen Nenner möglichst vieler Untersucher mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund zu bestimmen. Das ist aber keine objektive Wissenschaft. Es ist eine Abstimmung, die je nach Zeitgeist und Kulturkreis unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen wird.
Betrachten Sie die Ergebnisse von Psychotests nicht als Feststellung objektiver Tatsachen, sondern als Ausdruck subjektiver Sichtweisen, die Basis einer spielerischen Selbsterkenntnis sein können; ...falls ihnen genügend Menschenkenntnis zugrunde liegt.
Bei der auf Seele und Gesundheit angebotenen Serie von Tests kann man in der Regel jeweils maximal 30 Punkte erreichen. Je nachdem wie viele es sind, wird das Ergebnis einer von drei Kategorien zugeordnet.
Einteilung der Testergebnisse auf www.seele-und-gesundheit.de
Bezeichnung | Punkte |
Nicht nachweisbar | 0-10 |
Normale Beimischung | 11-19 |
Deutlich ausgeprägt | 20-30 |
Bei den Tests auf ADHS, Autismus, Burnout-Syndrom und Selbstbewusstsein weichen Benennung und Punktwertgrenzen davon ab. Gleiches gilt für den Test auf Alkoholgefährdung, der sonst nur schwer auszujustieren gewesen wäre.
Ist ein Verhaltensmerkmal bei Ihnen durch den Test nicht nachweisbar, dann ist es trotzdem möglich, dass Sie in besonderen Situationen entsprechend des getesteten Verhaltensmusters handeln. Die Wahrscheinlichkeit ist aber gering, dass Sie regelmäßig auf das Muster zugreifen; oder sich sogar Probleme damit einhandeln.
Umgekehrt gilt: Wem ein bestimmtes Muster nicht zur Verfügung steht, der kann unter Umständen gerade deshalb gewisse Schwierigkeiten haben. Was in übertriebenem Maße schädlich ist, ist wohldosiert wie Salz in der Suppe.
Wohlgemerkt
Störung und Muster ist nicht das Gleiche. Die getesteten Muster gehören in mäßiger Ausprägung zum normalen Verhalten. Erst wenn sie stark einseitig angewendet werden, entsteht daraus eine Störung; entweder des persönlichen Befindens und/oder der zwischenmenschlichen Kommunikation.
Die Spanne normaler Verhaltensweisen ist breit. Das Verhaltensrepertoire des normalen Menschen ist eine mehr oder weniger ausgewogene Mischung mehrerer Grundmuster, die er je nach Lage der Dinge anwendet.
Bei der Beschreibung der getesteten Grundmuster schafft man es nicht, sie eindeutig voneinander abzugrenzen. Daher überlappen sich viele Muster: die einen mehr, die anderen weniger.
Es ist also kein Grund zur Sorge, wenn die Tests Ihre Antworten für mehrere Muster gleichzeitig als Ausdruck einer normalen Beimischung deuten. Das heißt keineswegs, dass Sie an mehreren Persönlichkeitsstörungen litten. Es heißt vielmehr, dass Ihr Verhalten dem üblichen Spektrum der Mehrheit entspricht.
Auch innerhalb der Kategorie normale Beimischung gibt es eine große Streubreite. Sie reicht von fast nicht nachweisbar (11 Punkte) bis zu fast schon deutlich ausgeprägt (19 Punkte). So kann es sein, dass Personen, deren Verhalten erhebliche Unterschiede aufweist, in derselben Schublade landen.
Diagnostik oder Denkanstoß
Dass die Tests nur unscharf unterscheiden, muss uns nicht verdrießen. Es geht ja nicht darum, Diagnosen zu stellen. Es geht darum, aus dem Spiel mit Ideen, Andeutungen und Vermutungen Nutzen zu ziehen. Dazu können die Testergebnisse dienen, wenn der Getestete unbefangen prüft, ob er von den Anregungen der Ergebnisse etwas für sich verwenden kann.
Auch wer von einem Test für das eine oder andere Muster ein deutlich ausgeprägt attestiert bekommt, ist damit nicht als persönlichkeitsgestört abgestempelt.
Auch hier gilt: Eine Persönlichkeitsstörung liegt erst vor, wenn das Wohlbefinden des Betroffenen durch seine eigenen Verhaltensmuster empfindlich leidet. Neigt jemand dazu, bestimmte Muster in deutlich ausgeprägter Häufung anzuwenden, kann er damit durchaus mit sich im Reinen sein. Bei dem, der ohne Reue sagen kann: Ja, so bin ich und das ist auch gut so, sind die Muster als authentischer Ausdruck seiner Wesensart zu deuten.
Die Wahrscheinlichkeit ist aber groß, dass der einseitige Gebrauch bestimmter Muster die Lebensqualität entweder unmittelbar einschränkt oder zu Konflikten mit dem Umfeld führt, die auch das eigene Befinden in Mitleidenschaft ziehen.