Meinung


  1. Begriffe
  2. Psychosoziale Funktionen
  3. Wissen, Wünschen, Wähnen
  4. Diskussion und psychologischer Grundkonflikt
  5. Ökonomie der Kräfte
  6. Ergänzungen

Grundregeln

  • Je weniger man von sich erkennt, desto mehr sucht man Halt an dem, was man meint.
  • Je fester man sich an seine Meinungen bindet, desto weniger respektiert man andere.
  • Je weniger man andere Sichtweisen respektiert, desto eher verstrickt man sich in Konflikte.

1. Begriffe

Das Verb meinen hat im Stammbaum der indoeuropäischen Sprachen zwei Ahnen: mīan und měniti. Mīan hieß altirisch der Wunsch, das Verlangen. Měniti war das altslawische Wort für wähnen. Offensicht­lich hat das Meinen mehr mit wünschen und wähnen als mit wissen zu tun. Auch das deutsche vermeintlich weist darauf hin, dass die Meinung eher beim Irrtum als bei der Erkenntnis liegt.

Meinung oder Tatsache :)

Eine besondere Gefahr geht vom heimtückischen Hexen­chamäleon aus. Dieser Pilz spürt an Vibrationen, die herannahende Sammler im Erdreich verursachen, was deren Lieblingspilz ist: Steinpilz, Pfifferling, Champignon, Trüffel oder Glücksröhrling. Bevor es ins Blickfeld des Sammlers gerät, nimmt das Hexen­chamäleon das entsprechende Aussehen an. Einmal verzehrt, verursacht er eine Flatulenz, die akustisch nicht von Satansgelächter zu unterscheiden ist.

Im Oberbayerischen ist die Mimikry des Pilzes so erfolgreich, dass viele Sammler auf Bucheckern umgestiegen sind. Dabei gibt es einen Trick, um den Schädling zu entlarven: Treten Sie beherzt auf das Fundstück. Wenn aus dem Matsch­haufen ein Seufzer entweicht, war es das Hexenchamäleon. Wenn nicht, hätten Sie den Pilz essen können...

2. Psychosoziale Funktionen

Meinungen haben wichtige Funktionen. Sie dienen sowohl der Orientierung im physikalischen und sozialen Umfeld als auch der Bestimmung der eigenen Identität.

Bestandteile der seelischen Identität

Das Selbst Das Ego
Existenzielle Identität Soziale Identität
Was macht mich aus? Woraus besteht die innere Wirklichkeit, die mein Wesen bestimmt? Wer bin ich im Kontext der Gemeinschaft? Was ist mein Rang und meine Rolle? Wo gehöre ich hin?

Während man seine körperliche Identität im Spiegel erkennt, bleibt die seelische der sinnlichen Wahrnehmung verborgen. Daraus resultiert für die Person das Problem, ihre seelische Identität durch geistige Akte zu bestimmen. Dazu stehen zwei Mittel zu Verfügung:

  1. Wahrnehmungsakte

    Was nehme ich als wirklich wahr?

    Wahrnehmbar sind die Elemente des relativen Selbst: seelische Gefühle, körperliche Empfindungen, Wissen, Erinnerungen, Impulse, Bestrebungen, Motive, Urteile und Gedanken. Wahrnehmbar ist die innere Dynamik der eigenen Person.

  2. Urteilsakte

    Wovon behaupte ich, dass es als wahr zu gelten hat?

    Urteile sind als innerseelische Ereignisse wahrnehmbar. Zugleich sind sie das Werkzeug, das aus Gewusstem und ergänzenden Vermutungen Meinungen bildet, die davon ausgehen, dass man komplexe Sachverhalte richtig erkennt. Solche Meinungen dienen sowohl als Schnittmuster für zukünftige Entscheidungen, als auch als Indikator der persönlichen Identität im sozialen Umfeld. Meinungen zeigen anderen an, wer man ist und als was man gesehen werden will.

Verhaltenssteuerung und Identitätsfindung durch Meinungen

Durch die Identifikation mit bestimmten Meinungen wird Zugehörigkeit begründet. Einer der wichtigsten Gründe, etwas zu meinen, liegt darin, dass das Umfeld, zu dem man gehören möchte, es ebenfalls tut. Meinungen sind sozialer Kitt. Wie die Pheromone der Bienen bestimmen sie, wer zum heimatlichen Bienenstock gehört.

3. Wissen, Wünschen, Wähnen

Viele Meinungen befassen sich mit sozialen und politischen Fragen. Sie machen Aussagen darüber, welches Verhältnis zwischen Personen als richtig zu bezeichnen ist. Solche Meinungen beanspruchen das Recht, darüber zu entscheiden, wer wem wie viel schuldet.

Meinung und Masken

Indem man etwas meint, drückt man Wünsche aus. Hinter Wünschen steckt das Interesse am eigenen Vorteil. Wird das Eigeninteresse durch eine entsprechende Meinung maskiert, exponiert man sich beim Betreiben des eigenen Vorteils nur wenig. Man fordert ja nichts. Man meint ja nur. Wer seine Interessen aber nur verdeckt vertritt, hat damit meist wenig Erfolg; es sei denn, er schafft es, die Meinungen anderer großflächig mit dem eigenen Duftstoff zu imprägnieren. Damit das gelingt, wird Meinung im nächsten Schritt durch Medien aller Art als Information maskiert.

Als Meinungsträger geht man davon aus, dass man selbst, im Gegensatz zu anderen, am besten weiß, wie die Dinge laufen sollten. Die Meinung, dass die eigene Meinung allgemeingültig ist, liegt dem Meinen tendenziell bereits inne. Dass das so ist, liegt am Wünschen und Wähnen, das jedem Meinen zugrunde liegt.

Während sich das Wissen mit dem Wenigen begnügt, das man wissen kann, befassen sich Meinungen mit komplexen Strukturen. Was man als Meinungsvertreter nicht wissen kann, vermutet man zu dem Wenigen, was man weiß, dazu. Dadurch ist jedes Meinen ein Wähnen. Sobald man das Gewusste vom bloß Aufgefüllten nicht mehr unterscheidet, bekommt die Meinung wahnhafte Züge. In der Realität ist das die Regel; was oft nicht auffällt, weil man genügend Gleichgesinnte findet, deren Zustimmung den wahnhaften Zug des Meinens ummäntelt.

Die Ergänzung des Gewussten durch Elemente, die man bloß vermutet, erfolgt nicht zufällig. Sie wird von Wünschen gesteuert. Man hält durch die eigene Meinung meist das für richtig, was man als wünschenswert erachtet. Was man als wünschenswert erachtet, ist das, wovon man sich Vorteile verspricht.

Eine Meinung, die das scheinbar widerlegt

Die Welt ist schlecht.

Kann man sich wünschen, dass die Welt schlecht ist? Natürlich kann man das! Wenn die Welt schlecht ist, braucht man keine Verantwortung zu übernehmen. Man hat eine Erklärung dafür, warum man scheitert oder unzufrieden ist; und ein Argument, sich wenig Mühe zu geben.

3.1. Von der Meinungsbildung zur Tatsachenverleugnung

Meinungen können entweder selbst entwickelt werden oder man übernimmt sie fertig aus dem Umfeld. Entwickelt man Meinungen selbst, folgt das einer logischen Sequenz in drei Schritten. Die ersten beiden Schritte sind unproblematisch:

  1. Man nimmt Tatsachen zur Kenntnis.
  2. Man bildet aufgrund dieser Tatsachenkenntnis übergreifende Urteile über die Struktur der Wirklichkeit.

Bleibt man nach einer ersten Urteilsbildung offen für neue Tatsachen, entwickeln sich Meinungen dynamisch weiter. Es liegt aber im Wesen von Meinungen, oder besser gesagt im Wesen des Menschen, der Meinungen zu psychologischen oder politischen Zwecken benutzt, sich abzusichern. Das führt zu einem dritten Schritt:

  1. Tatsachen, die einmal gebildete Meinungen hinterfragen könnten, werden ignoriert.

Von da ab wird das Denken postfaktisch, also tatsachenverleugnend. Postfaktisches Denken und Argumentieren beruht auf fixierten Meinungen, die nicht mehr zum Zweck einer gemeinsamen Wahrheitsfindung vorgetragen werden, sondern zum Zweck egozentrischer Vorteilsnahme. Bei der Diskussion politischer und gesellschaftlicher Themen ist postfaktisches Argumentieren weit verbreitet; vor allem in den Lagern derer, die sich parteipolitisch festgelegt haben. Im Rahmen konfessioneller Religion ist es oberstes Prinzip. Tatsachenverleugnung ist eine notwendige Zutat, die deren Zusammenhalt und Selbstverständnis begründet.

Die Zahl der Wahrheiten

Zeitgenossen, die das Recht auf eine eigene Meinung behalten und es konfliktfrei an andere vergeben wollen, meinen oft, es gebe nicht nur eine, sondern viele Wahrheiten, sodass jeder seine eigene habe. Wäre es so, gäbe es zwischen Meinung und Wahrheit keinen Unterschied. Tatsächlich ist Wahrheit das, wovon es keine Varianten gibt. Der Glaube, jeder könne eine eigene Wahrheit haben, ist Zeichen einer hedonistischen Gesinnung oder der Versuch, Einigkeit zu sichern, wo es Unterschiede gibt.

Hedonismus (griechisch hedone [ηδονη] = Freude, Vergnügen, Genuss) ist eine Einstellung zum Leben, die dessen Sinn im Streben nach sinnlichem und geistigem Genuss und der Vermeidung unangenehmer Erfahrungen zu erkennen glaubt. Zum Sinn des Lebens kann es jedoch gehören, dass man dem einzig Wahren auch dann die Treue hält, wenn es keinen Spaß macht. Hedonismus führt dazu, dass man das Echte dem Leichten preisgibt.

Tatsächlich hat nicht jeder eine eigene Wahrheit, sondern bloß eine eigene Wahrnehmung und eine eigene Deutung. Die kann von der Wahrheit ziemlich entfernt sein.

3.2. Übergänge

Zwischen dem normalpsychologischen Vorgang des Meinens und psychiatrisch relevantem Wahn gibt es Zusammenhänge; ebenso zwischen postfaktischem Meinen, Wahn und dogmatischen Glaubenslehren. Obwohl eindeutige Unterschiede theoretisch zu benennen sind...

... sind in der Praxis fließende Übergänge festzustellen. Bloßes Meinen kann unter dem Einfluss psychologischer Abwehrmechanismen in manifesten Wahn übergehen. Glaube und Wahn können zur Idee eines vermeintlich göttlichen Auftrags verschmelzen.

Tatsachenverleugnende Denkweisen

Meinung Wahn Glaube
Verleug­nung optional
selektiv ignorie­rend
zwingend zwingend
dogma­tisch
Funktion im Grund­konflikt Selbst­bestim­mung oder Zugehö­rigkeit Selbst­bestim­mung Zugehö­rigkeit
Inhalt indivi­duell oder kollektiv indivi­duell kollektiv

4. Diskussion und psychologischer Grundkonflikt

Der Wert einer Meinungsäußerung liegt nicht darin, zu sagen, wie es ist, sondern zum Nachdenken darüber anzuregen, wie es sein könnte.

Meinungsträger gehen in Diskussionen aufeinander los. Es fällt ihnen schwer, dem Anderen eine abweichende Meinung zu lassen. Es interessiert sie nicht, wie der Andere die Dinge sieht, sondern nur, wie man ihn zur eigenen Sichtweise bekehren kann.

Das hat mit den Interessen zu tun, die hinter Meinungen stehen und mit Spannungen, die dem psychologischen Grundkonflikt entspringen.

Meinungsstreit und Bedürfnisse

Ent­schei­dung Bedürf­nis
Zugehö­rigkeit Selbst­bestim­mung
Ich teile die Meinung des Anderen. erfüllt nicht erfüllt
Ich über­zeuge ihn. erfüllt erfüllt

Wer seine Interessen durch die Verbreitung von Meinungen vertritt, fühlt sich von abweichenden Meinungen bedroht. Theoretisch hat er damit recht. Oft macht er aus Mücken aber Elefanten.

Wer gut verdient, kann über die Meinung, dass Steuern zu erhöhen sind, erschrecken. Ob es der Mühe wert ist, mit einem Nachbarn zu streiten, der sich für Steuererhöhungen ausspricht, sei dahingestellt. Von der Meinung des Einzelnen geht kaum eine echte Bedrohung aus.

Eine tiefere Ebene des Meinungsstreits hängt mit dem psychologischen Grundkonflikt zusammen. Wenn jemand etwas anderes meint als ich, ist er mir, zumindest darin, nicht mehr zugehörig. Das aktiviert eine uralte Angst aus der Savanne: alleine unter Löwen dazustehen. Um die schützende Gemeinsamkeit wiederherzustellen, gibt es zwei Wege:

Was sollen die Nachbarn...

... von uns denken? An diese Frage ihrer Eltern erinnern sich Millionen. Das zeigt, wie weit der Glaube verbreitet ist, zum Glück gehöre vor allen Dingen, im Meinungsbild anderer gut dazustehen; z.B. indem man ihre Meinung teilt. Obwohl es gewiss wünschenswert ist, dass andere Gutes von uns meinen, verhindert die Meinung, es sei unerlässlich, dass sie es tatsächlich tun. Denn wer meint wirklich etwas Gutes von jemandem, dem das Rückgrat fehlt, sich ohne die Zustimmung anderer treu zu sein?

Zum Grundkonflikt gehört nicht nur das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, sondern auch das nach Selbstbestimmung. Deshalb ist klar: Nur wenn ich bei unterschiedlichen Sichtweisen den Anderen überzeuge, kann ich beide Bedürfnisse erfüllen.

Identifikation mit dem Aggressor

Eine pathogene Variante zur Befriedigung beider Grundbedürfnisse bildet die Identifikation mit dem Aggressor. Persönlichkeiten mit abhängiger Grundstruktur neigen dazu, die Sichtweisen ihrer mächtigen Beschützer als die eigenen anzusehen. So bleiben sie in der Zugehörigkeit geschützt und glauben zugleich, selbstbestimmt zu sein. Als psychiatrisches Syndrom ist hier die sogenannte Folie à deux (ICD-10 F24: Induzierte wahnhafte Störung) zu nennen, also die Übernahme einer wahnhaften Vorstellung durch den regressiven Partner innerhalb einer Beziehung. In der Politik verschafft dieser Abwehrmechanismus Diktatoren die Hälfte ihrer jubelnden Anhängerschaft.

5. Ökonomie der Kräfte

Vielen fällt es schwer, abweichende Meinungen gelassen hinzunehmen. Instinktiv fürchten sie sich vor einer Vielfalt der Sichtweisen.

Je weniger man abweichende Meinungen hinnimmt, desto mehr verstrickt man sich in Streit. Im Streit versucht man, Zugehörig­keit durch Zwist zu sichern. Logisch: Hat man den Anderen überzeugt, ist man wieder einig. Und überhaupt: Streiten verbindet und der Begriff Konflikt hebt mit der Vorsilbe con = zusammen an. Das Resultat des Streits ist aber oft das Gegenteil vertiefter Einigkeit. Im Eifer der Diskussion zerschlägt man das Porzellan, das beim gemeinsamen Mahl die Speisen hätte tragen können. Zu allem Überfluss kosten Diskussionen Kraft.

Deshalb ist es sinnvoll, die Fähigkeit zu steigern, abweichende Meinungen stehen zu lassen.

Was können Sie dafür tun?

6. Ergänzungen

Hüten Sie sich, über alles Mögliche etwas Bestimmtes zu meinen. Statt auf eine Meinung festgelegt zu sein, ist es besser zu sagen: Darüber weiß ich nicht genug, als dass ich mir eine Meinung bilden kann.

Ich kann Meinungen erkennen. Sobald ich sie mir zu eigen mache, unterliege ich ihrer Form.

Meinungen sind Urteile über die Wirklichkeit. Wer etwas meint, bezieht der Wirklichkeit gegenüber Stellung. Auch Meinungen dienen der Abwehr von Angst.

Feste Meinungen sind Festungen. Sie schützen das Innere vor Einflüssen der Außenwelt. Sie hindern ihre Inhaber aber auch daran, ins Freie zu gehen. Um nicht zum Gefangenen seiner Meinungen zu werden, gilt es, Meinungen nicht allzu ernst zu nehmen. Meinungen können Betrüger sein. Sie versprechen Sicherheit. Tatsächlich machen sie nur unfrei. Wenn Sie etwas meinen, machen Sie sich klar: Das ist nur eine Meinung. Stünde ich an einer anderen Stelle im Leben, könnte meine Meinung eine ganz andere sein.

6.1. Meinungsfreiheit

Es macht Sinn, dem Begriff Meinungsfreiheit zwei Inhalte zu geben.

6.2. Meinungsstreit

Zwei Arten mit Meinungen umzugehen

Immer heilsam Meist schädlich
Meinungs­austausch Meinungsstreit

Sich über Meinungen zu streiten ist weit verbreitet. Man spricht sogar von einer Streitkultur und ordnet dem Streit damit einen Wert zu, den er nicht hat.

Ursache des Meinungsstreits ist die Identifizierung der Meinungsträger mit ihren Meinungen. Obwohl das Mein- in Meinung sprachgeschichtlich keineswegs mit dem besitzanzeigenden Fürwort mein verwandt ist, reagieren Meinungsträger auf die Infragestellung ihrer Meinungen oft so, als versuche man ihnen einen wertvollen Besitz oder gar den Kern ihres Wesens zu entreißen. Sie wehren sich verbissen und gehen in der Regel sogar in die Offensive über, als sei Angriff tatsächlich die beste Verteidigung.

Die Identifikation mit der eigenen Meinung ist Ausdruck der Identifikation mit der eigenen Person. Personen ordnen sich Meinungen zu, als seien sie konstituierende Elemente ihrer selbst. Sie machen sich nicht klar, in welchem Ausmaß Meinungen zufällig und austauschbar sind.

Annalena ist fest davon überzeugt, die einzig richtigen Sichtweisen auf gesellschaftliche Probleme zu vertreten. Dass andere Leute die Dinge anders sehen, kann sie sich nur durch deren Dumm- und Bosheit erklären. Wäre Annalena aber nicht in den 80er Jahren in einem bürgerlichen Haushalt in Franken geboren, sondern in den 60ern als Bergmannstochter im Donezbecken, könnte es gut sein, dass sie zu den meisten Themen ganz andere Meinungen hätte.

Der Begriff Meinungsträger drückt die Verhältnisse deutlich aus. Meinungen sind Lasten, die ihr Träger zu ertragen hat. Es stimmt schon: Er trägt sie, um sie als Schutzschild und Waffe zu benutzen. Beim Versuch, seine Meinung im Streit auf andere zu übertragen, strebt er nach der Erfüllung einer tiefsitzenden Sehnsucht; nämlich der, sicher im Schoße einer Welt aufgehoben zu sein, die umfassend mit ihm übereinstimmt. Dafür will er kämpfen.

Der Kampf führt aber zum Gegenteil. Er verhärtet die Fronten. Die Welt wird noch kantiger, was noch mehr Streitbereitschaft zu rechtfertigen scheint.

Krieg und Frieden

Friedliche Leute streiten nicht über Meinungen. Sie tauschen sie miteinander aus. Sie anerkennen, dass Meinungen nur Meinungen sind, also unsichere Deutungen einer komplexen Wirklichkeit, die man nur im Ansatz versteht. Beim Austausch von Meinungen wollen sie eher verstehen, wie andere zu ihrer kommen, als dass sie es erzwingen wollten, die eigene zu übertragen.

Was Sie für sich Gutes tun können
Machen sie sich das Leben leichter. Werfen Sie die Last Ihrer Meinungen ab. Sagen Sie sich: Was ich da für richtig halte, ist bloß eine Meinung. Dass ich genau diese Meinung für meine eigene halte, ist nicht mein Werk. Es ist das Resultat einer Kaskade von Erfahrungen, auf deren verursachende Wirkkräfte ich nur wenig Einfluss habe. Nicht ich habe eine Meinung. Meinungen haben und bestimmen über mich. Indem ich sie weniger ernst nehme, mache ich mich frei.