Psychische Normalität


  1. Begriffe
  2. Unterschiede
    1. 2.1. Psychische Normalität
    2. 2.2. Seelische Gesundheit
  3. Grundlagen der Normalität
    1. 3.1. Ontologische Grundlage
    2. 3.2. Egozentrische Identifikation
      1. 3.2.1. Egoistischer Altruismus
      2. 3.2.2. Hier, jetzt, dort und dann
    3. 3.3. Gesellschaft
  4. Der ganz normale Wahnsinn...
  5. ... und der zwanghafte Charakter des Denkens
Wenn Klaus Meier sagt: Ich bin Klaus Meier, glaubt er, dass er alles, was ihn ausmacht, benennt. Das ist normal. Aber ist es auch gesund?

1. Begriffe

Normalität (von lateinisch norma = Regel, Richtschnur) ist ein statistisches Maß. Das durchschnittliche Verhalten der Mehrzahl einer Bevölkerung wird als normal bezeichnet. Ein Mensch gilt als normal, wenn sein Verhalten dem der Mehrheit entspricht. Das Maß des Normalen liegt außerhalb seiner selbst. Es wird ihm durch kollektive Bedingungen zugeteilt.

Gesund geht auf das germanische [ga]sunda = stark, kräftig zurück. Kraft und Stärke sind Vermögen, die innerhalb dessen verankert sind, der über sie verfügt. Das Maß des Gesunden liegt in ihm selbst. Es wird ihm vom Dasein mitgegeben.

2. Unterschiede

Namen
Namen wählt man nicht selbst. Sie werden von außen vergeben. Zunächst dienen Sie anderen zur Kennzeichnung einer aufkeimenden Person. Später übernimmt man sie selbst. Die Übernahme des Namens bündelt den Blick auf die Person, die durch den Namen gekenn­zeichnet wird. Als definierte (von lateinisch: definire = abgrenzen) Rolle im sozialen Umfeld ist die Person auf sich beschränkt. Tatsächlich ist man aber namenlos. Der Name ist Beiwerk, das nicht zu einem selbst gehört.

Bei der Beurteilung seelischer Gesundheit ist es üblich, das Normale im statistischen Sinne zugleich als Norm des Gesunden aufzufassen. Verhält sich jemand abweichend vom Durch­schnitt, heißt es: Der ist ja nicht normal. Während darin bereits Missbilligung mitschwingt, wird die Missbilligung deutlicher, wenn es heißt, dass der Nicht-Normale sie nicht mehr alle hat. Mit dem Nicht-mehr-alle-haben sind die Eigenschaften gemeint, die als kennzeichnende Merkmale der Normalität definiert sind.

Die Untersuchung der Begriffe hat jedoch ergeben, dass Gesundheit und Normalität zwei verschiedene Kategorien sind. Die eine verweist auf äußere Angleichung, die andere auf innere Übereinstimmung. Also gibt es zwei Maßstäbe, an denen das eine und das andere gemessen wird.

2.1. Psychische Normalität

Normalität orientiert sich an gemeinsamen Regeln. Sie ist eine Richtschnur, die es dem Einzelnen erleichtert, sich im sozialen Umfeld zurechtzufinden. Um die entsprechenden Regeln zu erkennen, blickt der Einzelne nach außen. Dort stellt er fest, was als normal gilt. Er übernimmt die Kriterien der Normalität und entscheidet demgemäß, welche seiner Impulse er zum Ausdruck bringt und welche er verwirft.

Da das, was als normal gilt, von Zeitgeist und geographischer Breite abhängt, ist Normalität ein relatives Maß.

2.2. Seelische Gesundheit
Zwei Methoden des Pochens
Gemeinschaften verwenden unterschiedliche Methoden, um auf ihre Normen zu pochen.
  • Archaische Gemeinschaften beharren auf Dogmen und drohen mit unmittel­barer Gewalt.
  • Kommerzielle Gesellschaften verführen durch Bilderflut, tendenzielle Information und mediale Verbreitung system­relevanter Sichtweisen.

Seelische Gesundheit kann nicht als Ausrichtung an sozialen Maßstäben definiert werden. Seelisch gesund ist die Überein­stimmung mit sich selbst. Eine Übereinstimmung mit sich selbst besteht in der vorsprachlichen Phase der psychischen Ent­wicklung spontan; weil das Neugeborene gar nicht in der Lage ist, den Ausdruck seiner selbst entlang vorgegebener Regeln zu beschneiden.

Da man als Kind in gesellschaftliche Strukturen hineinwächst, richtet sich die Wahrnehmung zunächst nach außen. Je nach­dem, wie nachdrücklich das Umfeld auf seine Normen pocht und je nachdem, wie groß die Bereitschaft des Kindes ist, sich anzupassen, geht die Übereinstimmung mit sich selbst im Laufe der Sozialisation verloren.

Geschieht das, kann seelische Gesundheit wiedererlangt werden, wenn man sich seiner selbst bewusst wird. Sich seiner selbst bewusst zu werden heißt, sich selbst mehr Bedeutung beizumessen, als den Rollen, die man spielt.

Weichenstellungen

Normalität Gesundheit
Was ist draußen? Was ist drinnen?
Ich habe Rang und Position. Ich bin, was ich bin.
Ich verzichte auf das, was nicht zur Teilnahme passt. Ich verzichte auf das, was nicht zu mir gehört.
Schwerpunkt: Zugehörigkeit. Schwerpunkt: Selbstbestimmung.

Im Spannungsfeld des psychologischen Grundkonflikts betont Normalität Zugehörigkeit. Zugehörigkeit kann jedoch auch Selbstbestimmung fördern; wenn zum Beispiel Normverhalten einen gesellschaftlichen Rang einbringt, der seinerseits Selbstbestimmung erleichtert. Daher kann psychische Normalität ein Werkzeug zur seelischen Gesundung sein; aber nur, wenn sie nicht als Selbstzweck missverstanden wird.

3. Grundlagen der Normalität

Die Betrachtung dreier Ebenen verhilft zu einem vertieften Verständnis der psychischen Normalität.

Ontologie ist die Lehre vom Sein. Der Begriff geht auf das griechische on (ον) = seiend zurück. Sie befasst sich nicht mit Seiendem, sondern mit dessen Sein an sich.
  1. die ontologische Ebene; also die Grundstruktur des menschlichen In-der-Welt-seins
  2. die psychologische Ebene; insbesondere die Wahl des Selbstbilds
  3. die Funktionen der Vereinheitlichung auf gesellschaftlicher Ebene
3.1. Ontologische Grundlagen

Liefe das Leben nicht in einer Wirklichkeit ab, deren vordergründige Ebene dualistisch aufgebaut ist, also in Gegensatzpaare aufgeteilt, hätte der Begriff Normalität keinen Sinn. Erst durch die Polarität zwischen Ich und Nicht-Ich, wird die Anpassung an Normen zum Thema. In der Folge wird das Bemühen des Einzelnen um Normalität, oder sein Versuch, aus ihr auszubrechen, umso stärker, je mehr er davon ausgeht, dass die eigene Existenz im Horizont der Gegensätze verankert ist.

Was das Normverhalten der Mehrheit normiert, ist deren einheitliche Ausrichtung an einem egozentrischen Weltbild.
3.2. Egozentrische Identifikation

Identifikation heißt Gleichsetzung. Der normale Mensch ist mit seiner Person identifiziert. Der Gesunde ist mit nichts identifiziert. Das heißt: Er setzt sich mit nichts gleich, womit er sich identifizieren könnte. Er sieht sich als das, was er ist, bevor er sich durch Gleichsetzung zu etwas macht.

Normal ist die Identifikation mit dem egozentrischen Selbstbild. Sie führt dazu, dass der Einzelne die Bedeutung der Anpassung an die Erwartungen anderer für sein Wohlergehen über­schätzt.

Die Frage, womit man sich identifiziert, ist eng mit der grundsätzlichen Deutung der Wirklichkeit verwoben. Da das normale Bewusstsein vor allem Unterschiede sieht, geht der Mensch normaler­weise davon aus, dass es zu einer egozentrischen Selbstdefinition keine sinnvolle Alternative gibt. Jeder ist sich selbst der Nächste. So heißt es. Dabei wird jedoch verkannt, dass zwischen dem Selbst, dessen Nächster man sein könnte und der Person, deren Interessen man als Ego vertritt, eine Lücke klafft.

Normalerweise glauben wir, dass der Horizont unserer Person uns selbst umfasst. Dementsprechend zielt unser Tatendrang fast vollständig darauf ab, der eigenen Person Vorteile zu besorgen und ihr Nachteile vom Leibe zu halten.

Da die Akzeptanz sozialer Normen lohnend erscheint, und sie es vordergründig auch ist, richtet der normale Mensch sein Verhalten oft auch dann an Normen aus, wenn es seinem eigentlichen Wesen widerspricht.

3.2.1. Egoistischer Altruismus

Zur Normalität gehört nicht nur egozentrisches Denken ohne Umweg. Im Gegenteil: Normalität ist mit Dingen durchsetzt, die man für andere tut, sodass es den Anschein hat, als sei man im Zustand psychischer Normalität nur locker an die Grenzen des Egos gebunden. Das trügt. Tatsächlich stimmt 95 Prozent von dem, was man tut, mit der egozentrischen Absicht überein.

95 Prozent? Ist das nicht übertrieben?

Und doch: Genau betrachtet sind es mindestens 95 Prozent. Dem Ego ist so leicht nicht zu entkommen.

Die primäre egozentrische Absicht liegt im Bemühen, die als autonom gedeutete eigene Person abzusichern. Jede Form zwischen­menschlicher Begegnung, die auf eine Stärkung des Personseins abzielt, birgt eine missbräuchliche Komponente. Missbrauchsfrei kann nur begegnen, wer zwischen dem eigenen Selbst und dem des Anderen keinen Unterschied sieht.

Die Befreiung aus den Grenzen des Egos erklärt selbstloses Wohlmeinen nicht zum Ziel. Sie bringt es mit sich.

Altruismus bezeichnet die Ausrichtung des Handelns an den Interessen anderer (lateinisch alter = der Andere). Altruismus als absichtliche Leitschnur des Handelns ist jedoch Erscheinungsform eines umfassenden Egoismus. Da Menschen in Gemeinschaft leben, endet schiere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen meist übel. Der kluge Egoist ist einer, der die Interessen anderer mitbesorgt. Nur dann empfängt er die nährenden Sympathien der Gemeinschaft. Ein Egoist bleibt er damit aber allemal. Ohne dass darin eine böse Absicht steckte, ist absichtliches Gutsein eine Taktik, die egozentrischem Denken nicht prinzipiell widerspricht.

Gerade Weltanschauungen, die Altruismus predigen, begründen es mit dem unfassbaren Gewinn, der für selbstloses Handeln im Jenseits winkt. Was ist an solchem Bemühen aber selbstlos? Und jene die ohne jenseitsgerichtete Lohnerwartung für den Gemein­schaftsgeist auf Erden kämpfen, gehen selbstverständlich davon aus, dass sie Nutz­nießer einer solchen Gesellschaft wären; oder zumindest als Kämpfer dafür zu den Guten zählen.

Fast alles was wir tun, hat den eigenen Vorteil zum Ziel; auch wenn man den anderer dabei mitdenkt.

3.2.2. Hier, jetzt, dort und dann

Der Maßstab der Normalität ist in jener Rolle verankert, die man normalerweise im sozialen Umfeld spielt: dem Ego. Die Aufgabe des Egos ist es, als Anwalt der Person für deren Vorteile einzustehen. Dazu befasst es sich mit zweierlei:

  1. Es bewertet vergangene Erlebnisse.
  2. Es versucht, die Wirkungen anstehender Entscheidungen vorauszusehen.

Inhalt des Normalen sind Gedanken über Damals, Dort und Dann.

Inhalt des Gesunden ist die Wirklichkeit des Hier-und-Jetzt.

Mit der unmittelbaren Gegenwart befasst sich das Ego nur nebenbei. Es deutet sie als Sprungbrett in ein glückliches Dort-und-Dann. Und um seine Arbeit gut zu machen, vereinnahmt es das Bewusstsein möglichst ganz.

Hoffnungen

Im Hier-und-Jetzt begegnen wir Freude und Leid. Da das Leid oft überwiegt, bezweifeln wir, dass sich die Anwesenheit in der Gegenwart tatsächlich lohnt. In der Hoffnung auf ein gelobtes Land entwerfen wir ein Dort-und-Dann. Die Gegenwart, die wir als etwas Ungenügendes empfinden, würdigen wir nur eines abschätzenden Blicks; um nämlich festzustellen, was man von ihr als Baumaterial fürs Dort-und-Dann verwerten kann. Die Hoffnung auf ein gelobtes Land, in dem sich Anwesenheit angeblich erstmals lohnt, festigt eine Kultur der Wirklichkeitsmissachtung. Indem sie die Gegenwart nicht mehr zu sich nimmt, hält sich eine solche Kultur am Verhungern... und wird in der Folge von Gier beherrscht. Ihr Lieb­lingswort heißt: mehr. An was sie denkt, ist Wachstum.

Tatsächlich befindet man sich niemals im Dort-und-Dann. Die Erinnerungen und Pläne, mit denen sich das Ego befasst, sind nur ein Abklatsch dessen, worin wir selbst als Wirklichkeit verankert sind. Die Kraft dieser Wirklichkeit ist dasselbe Potenzial, das psychische Normalität von seelischer Gesundheit unterscheidet.

3.3. Gesellschaft

Normalität bietet nicht nur den psychologischen Vorteil, dass der Normale glauben kann, dass er richtigliegt und er sich nicht vor Ausgrenzung fürchten muss. Normierung bringt Gruppen im Konflikt mit anderen Gruppen auch Erfolg; zum Beispiel im Krieg. Man kann sich kaum vorstellen, wie ein Volk ein anderes ohne Normierungsdruck besiegen könnte.

Deshalb haben sich Gesellschaften mit hohem Normierungs­druck in der Geschichte immer wieder durchgesetzt; sodass es kaum gesellschaftliche Traditionen gibt, die der seelischen Gesundheit ihrer Mitglieder gegenüber anderen Zielen eindeutig Vorrang geben. Da Normierungsdruck aber stets auf Kosten der seelischen Gesundheit geht, entkräften sich stark normierte Gesellschaften entweder selbst oder sie funk­tionieren nur mit wachsender Gewalt.

4. Der ganz normale Wahnsinn...

Viele sprechen vom ganz normalen Wahnsinn. Sie meinen damit den Stress, den sie im Alltag der normalen Menschenwelt erleben. Nur wenige machen sich dabei klar, dass ein Großteil des Stresses tatsächlich einer Bewusstseinsform entspringt, die wahnhafte Züge trägt.

Die Beschäftigung mit der Verwaltung persönlicher Glücksentwürfe führt dazu, dass das normale Bewusstsein sich kaum je auf jene Wirklichkeit ausrichtet, die wahrgenommen werden kann. Das normale Bewusstsein umgibt sich mit einem Vorhang persönlicher Vorstellungen. Es betrachtet die Wirklichkeit aus dem Augenwinkel und zwar um festzustellen, ob sie bereits seinen Vorstellungen entspricht. Entspricht sie nicht, was die Regel ist, wendet es sich seinen Absichten zu, um herauszufinden, wie es die Wirklichkeit seinen Vorstellungen anpassen kann. Dabei verheddert es sich in ein Vorstellungskonstrukt, dessen Wahnhaftigkeit aus zwei Gründen kaum auffällt:

Der normale Mensch ist nicht in einer Matrix gefangen, die von Maschinen gesteuert wird. Er hängt in einer Traumwelt fest, die sein Selbstbild spinnt.
  1. Die Grundstruktur des Wahns wird von fast allen geteilt... und damit als scheinbar richtig bestätigt.

  2. Die Ablösung aus dem Filter einer in Ich und Nicht-Ich gespaltenen Weltsicht ist ohne beharrliche Ausrichtung der Achtsamkeit auf das, was jetzt geschieht, nicht möglich. Beherrscht von der Aussicht auf Gewinn in der Zukunft, ist der Mensch kaum in der Lage, sich länger auf die Gegenwart zu konzentrieren.

5. ... und der zwanghafte Charakter des Denkens

Der Versuch, die Wahnwelt persönlicher Vorstellungen zu überwinden und das unver­fälschte Sosein des Wirklichen zu sehen, ist Kernthema jeder echten Religiosität. Ein Wesenszug des normalen Bewusstseins hat sich dabei als entscheidende Hürde erwiesen: unsere kaum überwindbare Neigung, die Betrachtung des Hier-und-Jetzt nach einem flüchtigen Blick auf die Wirklichkeit abzubrechen und uns dem Sog gedanklicher Verkettungen anzuvertrauen. Dort führt eine Assoziation zur nächsten, kreuz und quer, bis in die Winkel unserer virtuellen Vermutungswelt. Mit wirklichem Leben hat das wenig zu tun.

Assoziation geht auf lateinisch ad = hinzu und sociare = verbinden zurück. Assoziationen entstehen durch formale oder thematische Zugehörigkeiten geistiger Bilder. Zu gelb assoziiert man Post, zu Post Brief, zu Brief Papier, zu Papier weiß und zu weiß Schnee. Eigentlich wollte man eine Banane essen. Stattdessen beschäftigt man sich mit der Gefahr, auf Glatteis auszurutschen.

Der zwanghafte Charakter psychischer Abläufe wird erst bewusst, wenn man sie stoppen will. Da wir im Alltag kaum je versuchen, die Gedankenketten im Kopf zu unterbrechen, erleben wir sie erst als Problem, wenn sie uns die Ruhe rauben oder wenn wir versuchen, mehr als ein paar Sekunden der Gegenwart gegenüber achtsam zu sein. Ohne dass es uns bewusst wird, raubt uns das Denken den direkten Zugang zur Quelle seelischer Kraft.

Die Vereinnahmung des Bewusstseins durch Gedankenketten ist ebenso normal wie ungesund. Sie schwächt den Bezug zur Wirklichkeit, und somit zur einzigen Quelle, aus der die Kraft seelischer Gesundheit hervorgehen kann. Die Hartnäckigkeit, mit der sich bewertendes Denken entgegen unserer bewussten Absicht in den Vordergrund drängt, trägt Züge einer weiteren Psychopathologie. Sie ähnelt einem Zwangssymptom.

Unterschiede

Wohlgemerkt: Weder die wahnhaften Züge des Normalbewusstseins noch sein Hang zu zwanghaftem Denken sind mit den gleichnamigen Symptomen der psychiatrischen Diagnostik gleichzusetzen. Beson­ders der "normale" Wahn unterscheidet sich vom klinischen deutlich. Beim klinischen werden Teile der Wirklichkeit verleugnet und durch Deutungen ersetzt, die das Umfeld nicht teilt. Beim "normalen" wird die Wirklichkeit grundsätzlich akzeptiert. Ihr Licht wird jedoch durch eine Brille gefiltert, die die Wahrnehmungstiefe auf jene Farben und Pixel vermindert, die unmittelbare Vorteile verheißen. Weil alle Welt ein derart gefiltertes Bild für die Wirklichkeit hält, wird der Unterschied nur bewusst, wenn man die Brille verliert. Meist ist sie aber festgewachsen.

Der Weg vom normalen Zwangsdenken zum pathologischen ist kürzer. Während sich der Zwang zum Denken im Alltag meist so ins Bild des Normalen fügt, dass man ihn nicht als Zwang erlebt, wird sein zwanghafter Charakter doch erkennbar; wenn man unter besonderen Druck gerät. Wohl jeder kennt solche Nächte: in denen man den Weg nach Innen nicht findet, weil man das Denken an Äußeres nicht stoppen kann.